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Vorlage-Sammeldokument

                                    
                                        Der Oberbürgermeister

Vorlage
Federführende Dienststelle:
Fachbereich Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen
Beteiligte Dienststelle/n:

Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:

FB 61/0269/WP17
öffentlich
23.09.2015
FB 61/200 // Dez. III

Störfallbetriebe in Aachen - rechtliche Situation
hier: Tagesordnungsantrag der Fraktion Die Linke vom 10.09.2015
Beratungsfolge:

TOP:__

Datum

Gremium

Kompetenz

22.10.2015

PLA

Kenntnisnahme

Beschlussvorschlag:
Der Planungsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Vorlage FB 61/0269/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 29.02.2016

Seite: 1/7

Erläuterungen:
Im Tagesordnungsantrag vom 10.09.2015 bittet die Fraktion Die Linke um eine Darstellung der
aktuellen Situation zum Thema „Störfallbetriebe in Aachen“.
Rechtliche Rahmenbedingungen und aktuelle Rechtsprechung
Schwere Unfälle unter anderem in Seveso, Bhopal oder bei der Firma Sandoz führten zur Einführung
des Störfallrechts auf europäischer sowie deutscher Ebene sowie zu dessen bis heute andauernder
schrittweiser Fortschreibung. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft erließ 1982 eine „Richtlinie
über die Gefahren schwerer Unfälle bei bestimmten Industrietätigkeiten“ (82/501/EWG vom
24.06.1982). Nach einem dieser schweren Unfälle wird die Richtlinie als Seveso-Richtlinie bezeichnet.
1996 wurde nach einem weiteren schweren Unfall die Richtlinie 96/82/EG zur „Beherrschung der
Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen“ (Seveso-II-Richtlinie) erlassen. Inzwischen
ist die Seveso-III-Richtlinie in Kraft, im Folgenden wird jedoch stets auf die Seveso-II-Richtlinie Bezug
genommen, da sich zum einen die aktuelle Rechtsprechung auf diese bezieht. Zum anderen hat sich
an den hier maßgeblichen Regelungen der Richtlinie nichts Grundsätzliches geändert.
In Deutschland wurde bereits zwei Jahre vor Erlass der Seveso-Richtlinie die 12. Verordnung zum
Bundesimmissionsschutzgesetz erlassen, die so genannte Störfall-Verordnung (12. BImSchV vom
27.06.1980). Nach Inkrafttreten der Seveso-Richtlinien auf europäischer Ebene wurden diese durch
Regelungen im Bundesimmissionsschutzgesetz und in der Störfall-Verordnung in deutsches Recht
umgesetzt. Im Laufe der Jahre hat sich der Regelungsumfang beider Rechtsinstrumente deutlich
erweitert. In der ersten Störfall-Verordnung waren beispielsweise Lager von gefährlichen Stoffen nur
in geringem Umfang erfasst. Die damalige Fassung hatte weder eine Relevanz für die Aufstellung von
Bebauungsplänen, noch für Baugenehmigungsverfahren. Dieser Schritt wurde erst in der späteren
Entwicklung vollzogen (siehe unten).
Einen „Störfall“ im Sinne des Störfallrechts würde man umgangssprachlich als Unfall bezeichnen. Es
könnte sich dabei beispielsweise um einen Brand oder eine Explosion größeren Ausmaßes handeln,
die sich aus einer Störung in einem Betriebsbereich oder einer Anlage ergibt. Charakteristisch für
einen Störfall sind Auswirkungen innerhalb oder auch außerhalb des Betriebsbereiches bzw. der
Anlage, die unmittelbar nach dem Unfall oder auch mit einer zeitlichen Verzögerung zu einer ernsten
Gefahr oder zu erheblichen Sachschäden führen. An einem Störfall sind ein oder mehrere gefährliche
Stoffe beteiligt. Unter einer „ernsten Gefahr“ versteht man eine Gefahr, bei der erhebliche
Beeinträchtigungen für das Leben oder die Gesundheit von Menschen eintreten können sowie
Schädigungen der Umwelt sowie von Kultur- und Sachgütern, die zu einer Beeinträchtigung des Gemeinwohls führen.
Den Betreibern von Anlagen, von denen in einem Störfall die zuvor beschriebenen ernsten Gefahren
ausgehen können (so genannte „Störfallbetriebe“), werden Pflichten auferlegt, die in erster Linie
Störfälle verhindern sollen. Darüber hinaus sind vorbeugend Maßnahmen zu treffen, die die
Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich halten sollen. Grundsätzlich muss der Betrieb dem
Stand der Sicherheitstechnik entsprechen.
Vorlage FB 61/0269/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 29.02.2016

Seite: 2/7

Die aktuelle Störfall-Verordnung (in der Fassung vom 08.06.2005) setzt die Seveso-II-Richtlinie in
nationales Recht um. Gegenstand der Richtlinie ist die Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen
Stoffen und die Begrenzung der Unfallfolgen für Mensch und Umwelt. Welche Anforderungen dabei
jeweils an den Betrieb gestellt werden ist davon abhängig, welche der in der Liste im Anhang I
gennannten Stoffe in welcher Menge gelagert oder verwendet werden.
Der § 50 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) - Planung – regelt seit der Neufassung im
Jahr 1998 zur Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie in deutsches Recht, dass im Rahmen der
Bauleitplanung die Zuordnung von Flächennutzungen so zu erfolgen hat, dass schädliche
Umweltauswirkungen sowie die Auswirkungen von schweren Unfällen im Sinne der Seveso-IIRichtlinie auf schutzbedürftige Nutzungen so weit wie möglich vermieden werden. Zu den
schutzbedürftigen Nutzungen zählen neben ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden
Gebieten insbesondere öffentlich genutzte Gebiete sowie Gebäude, wichtige Verkehrswege,
Freizeitgebiete und unter Naturschutzgesichtspunkten besonders wertvolle oder empfindliche Gebiete.
Die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des Bundesverwaltungsgerichts,
die sich auf ein Gartencenter in Darmstadt bezieht, das in unmittelbarer Nähe des
Chemieunternehmens Merck geplant war, dehnt diese Vorgabe des § 50 BImSchG auch auf
Genehmigungen im Geltungsbereich der §§ 34 und 35 des Baugesetzbuches (Vorhaben innerhalb im
Zusammenhang bebauter Ortsteile und Vorhaben im Außenbereich) aus (EuGH C-53/10 vom
15.09.2011 und BVerwG 4 C 11/11 vom 20.12.2012).
Die Seveso-II-Richtlinie fordert die Einhaltung eines „angemessenen“ Abstandes zwischen
schutzwürdigen Nutzungen und Betrieben im Sinne der Seveso-II-Richtlinie. Weder aus dieser, noch
aus der Störfall-Verordnung geht jedoch hervor, welcher Abstand zwischen Störfallbetrieben und
schützenswerten Nutzungen einzuhalten ist. Dazu wurde von der Kommission für Anlagensicherheit
(KAS) beim Bundesministerium für Umwelt, Natur und Reaktorsicherheit als Arbeitshilfe der Leitfaden
„Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und
schutzbedürftigen Nutzungen im Rahmen der Bauleitplanung – Umsetzung § 50 BImSchG (KAS-18)“
erarbeitet. Die sich aus diesem Leitfaden ergebenden Abstandsempfehlungen und Kriterien zur
Ermittlung des Abstandes mit Detailkenntnissen (angemessener Abstand, so genannter
„Achtungsabstand“) können nach dem Beschluss der Kommission für Anlagensicherheit auch im
Genehmigungsverfahren herangezogen werden.
Liegt ein Vorhaben außerhalb der Achtungsabstände nach dem Leitfaden KAS-18, kann davon
ausgegangen werden, dass dem Abstandsgebot des Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie entsprochen
wird. Liegt das Vorhaben innerhalb des Achtungsabstandes, ist zu ermitteln, ob gleichwohl ein
„angemessener Abstand“ gegeben ist. Der angemessene Abstand definiert sich nach den Vorgaben
des Bundesverwaltungsgerichts als fallbezogen „anhand aller relevanten störfallspezifischen
Faktoren“. Der angemessene Abstand muss in der Regel durch ein Gutachten ermittelt werden, da
dafür sehr spezielle Fachkenntnisse erforderlich sind. Es ist davon auszugehen, dass der

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Ausdruck vom: 29.02.2016

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gutachterlich ermittelte angemessene Abstand meist geringer ausfallen wird als der pauschale Achtungsabstand nach dem Leitfaden KAS-18.
Zu den störfallspezifischen Faktoren im Sinne der Rechtsprechung zählen sowohl Eigenschaften des
Störfallbetriebes (anlagenspezifische Faktoren) als auch Eigenschaften eines
Neuansiedlungsvorhabens (vorhabenspezifische Faktoren).
Im März diesen Jahres wurde eine Arbeitshilfe der Fachkommission Städtebau der
Bauministerkonferenz mit dem Thema „Berücksichtigung des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie im
baurechtlichen Genehmigungsverfahren in der Umgebung der unter die Richtlinie fallenden Betriebe“
beschlossen. Diese befasst sich mit den Konsequenzen aus der o.g. aktuellen Rechtsprechung für
Baugenehmigungsverfahren im Einwirkungsbereich von Störfallbetrieben. Dabei wird differenziert
nach verschiedenen Fallkonstellationen: Vorhaben nach § 34 BauGB, Vorhaben nach § 35 BauGB,
Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 30 BauGB). Im letztgenannten Fall erfolgt
eine weitere Unterteilung danach, ob bei der Aufstellung des Bebauungsplanes die Seveso-IIRichtlinie berücksichtigt wurde.
Bei dem aktuell in der Aachener Presse dargestellten Fall einer Genehmigungsversagung für die
Umnutzung eines Gewerbebetriebes in ein kirchliches Gemeindezentrum handelt es sich um einen
Bereich, der nach § 34 BauGB beurteilt wird (siehe unten).
Im Tagesordnungsantrag der Fraktion Die Linke wird Bezug genommen auf „Handlungsempfehlungen
der Bezirksregierung zu Störfallbetrieben“. Auf Nachfrage hat die Bezirksregierung Köln jedoch erklärt,
dass solche Empfehlungen nicht bestehen.
Störfallbetriebe in Aachen / Zuständigkeit im Genehmigungsverfahren
Für die Genehmigung von Anlagen, die dem Störfallrecht unterliegen, ist die Obere
Immissionsschutzbehörde zuständig, die bei der Bezirksregierung Köln angesiedelt ist. Zuvor lag
diese Zuständigkeit beim Gewerbeaufsichtsamt Aachen und anschließend beim Staatlichen
Umweltamt.
Auf Aachener Stadtgebiet befinden sich vier Störfallbetriebe:
1. Gaskugelbehälter (3 Ballons) am Prager Ring (genehmigt 1979)
2. Lager für Flüssiggas am Grünen Weg (genehmigt 1978 ff)
3. Lager für giftige und sehr giftige Stoffe einer Firma für Schneidewerkzeuge im Gewerbegebiet
Eilendorf-Süd (genehmigt 1985)
4. Solarzellenfabrik im Gewerbegebiet „Avantis“ (Genehmigungen für das Gebäude von 2007,
Stellungnahme der Stadt im Genehmigungsverfahren der Oberen Immissionsschutzbehörde,
betreffend den Störfallbetrieb, von 2008)
Die Stadt Aachen hatte zunächst keine Kenntnis von der Einstufung dieser vier Betriebe bzw. Anlagen
als Störfallbetriebe. Erst im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren für die Solarzellenfabrik
in „Avantis“ wurde diese Thematik bekannt. Infolgedessen wurde die Bezirksregierung darum
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gebeten, für die vier im Stadtgebiet befindlichen Störfallbetriebe Achtungsabstände zu benennen, um
Vorhaben in der Umgebung dieser Betriebe rechtssicher beurteilen zu können. Diesbezüglich steht
eine Antwort noch aus.
Daher beteiligt die Bauaufsicht die Obere Immissionsschutzbehörde bei Anträgen mit
schutzbedürftigen Nutzungen im Umfeld der zuvor benannten Störfallbetriebe und bittet um eine
konkrete Stellungnahme. Durch diese Praxis ist bisher jedoch lediglich bekannt, welcher
Achtungsabstand vom Flüssiggaslager am Grünen Weg einzuhalten ist. Dieser beträgt 350 m.
Für die Solarzellenfabrik in „Avantis“ wurde der angemessene Abstand durch einen Fachgutachter
ermittelt. Das Gutachten wurde in Auftrag gegeben, um im geplanten
Bebauungsplanänderungsverfahren Festsetzungen zum einzuhaltenden Abstand für schutzbedürftige
Nutzungen festsetzen zu können. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund der
gelagerten Menge an Flusssäure (HF) kein Achtungsabstand einzuhalten ist, da der Radius von
Auswirkungen in einem Störfall lediglich 13 m beträgt. Anders stellt sich die Situation beim verwendeten Ammoniak (NH3) dar: hier wurde ein Abstand von 256 m rund um die Lagerstätte ermittelt.
Entsprechend umfasst dieser auch Flächen außerhalb des Betriebsgrundstücks.
Schutzwürdige Nutzungen im Umfeld der Aachener Störfallbetriebe
Die auf Aachener Stadtgebiet befindlichen Störfallbetriebe mit Ausnahme der Solarzellenfabrik in
„Avantis“ wurden genehmigt, bevor die Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie in nationales Recht
erfolgte. Dies geschah durch die am 27. Oktober 1998 in Kraft getretene Änderung des § 50
Bundesimmissionsschutzgesetz sowie die Neufassung der Störfall-Verordnung zwei Jahre später
(03.05.2000). Darüber hinaus wurden alle Genehmigungen durch das Gewerbeaufsichtsamt, das
Staatliche Umweltamt oder die Bezirksregierung Köln erteilt. Wie zuvor erläutert erhielt die Stadt
Aachen im Hinblick auf die drei früher genehmigten Betriebe erst zu einem späteren Zeitpunkt
Kenntnis von der jeweiligen Einstufung als Störfallbetrieb. Diese Betriebe genießen Bestandsschutz.
Für den Bau der Diskothek Starfish, Liebigstraße 17, wurde Planungsrecht durch die Aufstellung des
Bebauungsplanes Nr. 815 – Gelände Limburg / Liebigstraße – geschaffen. Der Bebauungsplan ist seit
dem 24.09.1999 rechtskräftig, die Baugenehmigung wurde unmittelbar danach, am 07.10.1999, erteilt.
Zum Zeitpunkt des Planverfahrens sowie der Genehmigung für die Diskothek gab es weder bei den
beteiligten städtischen Dienststellen noch bei den anderen Bauaufsichtsbehörden des Landes
Erkenntnisse über einzuhaltende Achtungsabstände zu Störfallbetrieben. Wie im
Bebauungsplanverfahren üblich wurde das Staatliche Umweltamt im Planverfahren beteiligt. In den
Stellungnahmen der Behörde wurde nicht auf den in der Nähe befindlichen Störfallbetrieb am Grünen
Weg hingewiesen.
Entsprechend gab es während der letzten Jahre keine Genehmigungsversagungen im Umfeld der
bestehenden Störfallbetriebe. Erst Anfang dieses Jahres wurde eine Anfrage für eine
Nutzungsänderung eines Gewerbebetriebes am Grünen Weg zu einer kirchlichen Einrichtung gestellt.
Damals wurde die Bezirksregierung Köln als Obere Immissionsschutzbehörde beteiligt. Die Anfrage
wurde abschlägig beschieden, da sich dieses Grundstück innerhalb des von der BR Köln auf 350 m
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festgelegten Achtungsabstands des Flüssiggaslagers am Grünen Weg befand und bei der geplanten
Nutzung mit einem beträchtlichen Besucherverkehr zu rechnen war, diese also als schützenswerte
Nutzung im Sinne der Seveso-II-Richtlinie einzustufen ist. Im Fall der kürzlich ausgesprochenen
Genehmigungsversagung für ein kirchliches Gemeindezentrum an der Lukasstraße wurden diese
Erkenntnisse analog dem Fall am Grünen Weg angewandt.
Wie zuvor ausgeführt könnte durch ein Gutachten genau ermittelt werden, welcher Abstand zu den
jeweiligen Störfallbetrieben als angemessener Abstand einzuhalten ist, so wie dies im Fall der
Solarzellenfabrik erfolgte. Die Verpflichtung, ein solches Gutachten erstellen zu lassen, kann den
vorhandenen Betrieben nicht auferlegt werden, da sie eine bestandskräftige Genehmigung haben und
Bestandsschutz genießen. Die Stadt ist lediglich im Rahmen von Bauleitplanverfahren im Bereich von
Störfallbetrieben verpflichtet, ein derartiges Gutachten zu beauftragen (siehe geplante
Bebauungsplanänderung für das Gewerbegebiet „Avantis“). Entsprechend besteht lediglich die
Möglichkeit, dass der Bauherr, der eine schutzwürdige Nutzung innerhalb des nach KAS-18-Richtlinie
einzuhaltenden Achtungsabstandes eines Störfallbetriebs plant, durch ein Gutachten nachweist, dass
er den angemessenen Abstand einhält. Analog muss bei einem geplanten lärmempfindlichen
Vorhaben innerhalb eines Bereiches mit vorhandenen Lärmimmissionen per Gutachten nachgewiesen
werden, dass eine Verträglichkeit der geplanten Nutzung am vorgesehenen Standort gegeben ist. Die
Kosten für ein Gutachten zur Bestimmung des angemessenen Abstands sind nicht unerheblich.
Sollte zukünftig ein Genehmigungsverfahren für die Ansiedlung eines neuen Störfallbetriebes
durchgeführt werden, könnte die Stadt Aachen im Rahmen des Beteiligungsverfahrens durch die
Bezirksregierung Köln die Aufstellung eines Gutachtens zur Ermittlung des angemessenen Abstands
fordern.
In den beiden zuvor geschilderten Fällen innerhalb des Achtungsabstandes des Störfallbetriebs am
Grünen Weg handelte es sich um Nutzungen, die innerhalb des dortigen Gewerbegebietes ohnehin
nur ausnahmsweise zulässig sind (§ 8 Baunutzungsverordnung). Unter Berücksichtigung des Gebots
der Rücksichtnahme war die planungsrechtliche Zulässigkeit nicht gegeben, da die geplanten
Nutzungsänderungen nach der Eigenart des Baugebietes unzumutbaren Belästigungen und
Störungen ausgesetzt worden wären. Dies galt umso mehr, weil die geplanten Vorhaben sich
innerhalb des Achtungsabstandes eines Störfallbetriebs befanden.
Das im Antrag der Fraktion Die Linke thematisierte Erfordernis zur Verlagerung von Bushaltestellen ist
nicht gegeben, da lediglich „Hauptverkehrswege“ (vormals „wichtige Verkehrswege“) von der
Definition der schutzwürdigen Nutzungen erfasst werden. Eine Konkretisierung, ab wann ein
Verkehrsweg als Hauptverkehrsweg einzustufen ist, enthält weder das Störfallrecht, noch gibt es
hierzu bislang eine Rechtsprechung. Bushaltestellen sind jedoch weder als wichtiger Verkehrsweg,
noch als Hauptverkehrsweg zu bewerten.
Zuletzt wird die Frage nach Hilfen für Bürger in der Nähe von Störfallbetrieben gestellt. Diesbezüglich
hat der Gesetzgeber die Betreiber von Störfallbetrieben – wie im ersten Absatz erläutert - zu einer
Vielzahl von Vorkehrungen verpflichtet, die Unfälle nach Möglichkeit verhindern sollen sowie die
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Folgen von dennoch eintretenden Unfällen weitest möglich zu begrenzen. Die Einhaltung dieser
Vorgaben unterliegt der ständigen Überprüfung durch die Genehmigungsbehörde (BR Köln). Ein
Restrisiko für Unfälle, bei denen ggfls. auch Personen zu Schaden kommen können, ist nicht zu
verhindern.
Eigentümer von Grundstücken im Nahbereich von Störfallbetrieben können sich mit Fragen zur
Nutzbarkeit ihrer Immobilie an den Bauservice der Stadt Aachen wenden. Grundsätzlich gilt, dass
innerhalb der Achtungsabstände alle Nutzungen zulässig sind, die nicht als schützenswerte Nutzung
eingestuft werden (siehe oben: ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete,
öffentlich genutzte Gebiete sowie Gebäude, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete) und die keinen
erheblichen Besucherverkehr anziehen so wie im Fall des Gartencenters, das Gegenstand der
Rechtsprechung war (siehe oben).

Anlage/n:
Tagesordnungsantrag der Fraktion Die Linke

Vorlage FB 61/0269/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 29.02.2016

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Fraktion DIE LINKE. · Verwaltungsgebäude Katschhof · 52058 Aachen

Herrn
Harald Baal
Abteistraße 2a
52066 Aachen
Zugestellt an: harald.baal@mail.aachen.de
Aachen, 10. September 2015

Antrag zur Tagesordnung des Planungsausschusses am 22. Oktober 2015:
„Handlungsempfehlung der Bezirksregierung zu Störfallbetrieben“
Sehr geehrter Herr Baal,
aus aktuellem Anlass bitten wir, zur Sitzung des Planungsausschusses am 22.10.2015, den
Tagesordnungspunkt „Handlungsempfehlung der Bezirksregierung zu Störfallbetrieben“ zu
berücksichtigen.
Wir bitten die Verwaltung um eine detaillierte Darstellung der aktuellen Situation, u.a. unter
Berücksichtigung nachfolgender Fragen:
1. Welche Auswirkungen auf bestehende und zukünftige Nutzungen von Grundstücken
ergeben sich aufgrund der Nähe zu einem Störfallbetrieb, welche Gebiete sind in Aachen
betroffen und wie viele Nutzungsuntersagungen gab es bislang?
2. Welche Hilfe bietet die Verwaltung Bürger*innen an, die Immobilien in relevanter Nähe zu
Störfallbetrieben besitzen und diese weiter wirtschaftlich nutzen möchten?
3. Gibt es eine Positivliste von genehmigungsfähigen Nutzungen im Umkreis von
Störfallbetrieben?
4. Ist eine Verlagerung von Bushaltestellen zur Gefahrenabwendung notwendig?
5. Welche Maßnahmen hält die Verwaltung für sinnvoll, um die Störfallbetriebe zu
Maßnahmen zu bewegen, die den Schutzradius von 350 Metern verkleinern würden oder
eine Umsiedelung dieser Betriebe zu veranlassen und gibt es dazu eine Rechtsgrundlage?
Mit freundlichen Grüßen
Leo Deumens

Marc Beus

Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt Aachen · Verwaltungsgebäude Katschhof · 52058 Aachen
Tel. 0241/432-7244 · 0241/432-7246
fraktion.dielinke@mail.aachen.de