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Vorlage-Sammeldokument

                                    
                                        Der Oberbürgermeister

Vorlage
Federführende Dienststelle:
Fachbereich Wirtschaftsförderung / Europäische
Angelegenheiten
Beteiligte Dienststelle/n: Dez. III

Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:

FB 02/0024/WP17
öffentlich
26.08.2015
FB 02

Ganzheitliche Flächenvorsorge sichert Wirtschaftsentwicklung
Beratungsfolge:

TOP:__

Datum

Gremium

Kompetenz

09.09.2015

AAWW

Entscheidung

Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Wissenschaft nimmt die Ausführungen zustimmend zur
Kenntnis und beauftragt die Verwaltung im Sinne einer ganzheitlichen Flächenvorsorge
1)

im Rahmen des Entwurfs des Flächennutzungsplans 2030 in Abstimmung mit den
Fachbereichen Immobilienmanagement, Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, sowie
Umwelt nach Möglichkeiten der Ausweisung von zusätzlichen Gewerbestandorten zu suchen
bzw. die bisher vorgesehenen Standorte auf Ihre Umsetzbarkeit und Akzeptanz zu prüfen,

2)

mit der umfassenden Erfassung von Brachflächen, entsprechend der Richtlinie bzw.
Förderkulisse des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW),

3)

mit der modellhaften Initiierung von Brachflächenrevitalisierungen, insbesondere im Hinblick
auf urbane Produktion im Zuge der beauftragten Standort- und Marktanalyse Aachen Nord,

4)

mit der Strategieentwicklung hinsichtlich interkommunaler Gewerbeflächenstandorte sowie
Kontaktaufnahme zu Nachbarkommunen bzw. potenziellen Partnern und

5)

mit der Etablierung einer gemeinsamen datenbankgestützten Flächeninformationsstruktur für
die Fachbereiche Immobilienmanagement, Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, Umwelt
sowie Wirtschaftsförderung.

Vorlage FB 02/0024/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.03.2021

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Ganzheitliche Flächenvorsorge sichert Wirtschaftsentwicklung
Eine ausreichende, zeit- und nachfragegerechte Versorgung mit Gewerbeflächen ist Voraussetzung
einer erfolgreichen und nachhaltigen kommunalen Wirtschaftsentwicklung. Angesichts der Endlichkeit
der Ressource Boden und damit verbundenen Nutzungskonkurrenzen zwischen Freiraum und
Siedlungsraum einerseits und innerhalb des Siedlungsraums zwischen Stadtfunktionen wie Wohnen,
Gewerbe, Verkehr und Erholung etc. andererseits, kommt einem ausgewogenen Mix aus
Flächenneuausweisung, Revitalisierung und interkommunaler Zusammenarbeit in der kommunalen
Flächenstrategie eine besondere Bedeutung zu.
Der ökonomische Strukturwandel in Richtung einer stärkeren Dienstleistungs- und Wissensökonomie
bringt andererseits neue digitale Produktions- und vernetzte Logistikkonzepte (Stichwort: Industrie 4.0)
mit sich und hat vielerorts zu betrieblichen Neuinvestitionen geführt. Befördert wird dies durch die
derzeitige Niedrigzinsphase, die einerseits unternehmerische Investitionen in eigene
Gebäudeinfrastrukturen ermöglichen, andererseits aber auch neue Anlagemodelle der
Immobilienwirtschaft beflügeln.
Traditionelle immissionsstarke Industrien, die bislang Gewerbe- und Industriestandorte prägten,
werden dagegen zunehmend aufgegeben und hinterlassen ein großes Angebot an Brach- und
untergenutzten Gewerbeflächen, mit weitreichenden Fragestellungen für die Wirtschaftsförderung, die
Stadtplanung und Standortentwicklung.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Neuaufstellung des städtischen Flächennutzungsplanes,
gemäß Auftrag des Planungsausschusses der Stadt Aachen im Jahre 2008.
Flächennutzungsplan
Im Hinblick auf das Thema Gewerbeflächen weist der Vorentwurf für den neuen FNP vom 03.04.2014
in der Summe 748 ha gewerbliche Baufläche (davon 75 ha Reservefläche) aus, wobei der derzeit
noch geltende FNP von 830 ha (davon 120 ha Reservefläche) ausgeht. In der Summe aus
Reduzierungen, Flächenumwidmungen und Neuausweisungen sind somit insgesamt 82 ha (davon 45
ha Reservefläche) nicht mehr als klassische gewerbliche Baufläche nutzbar. Allerdings sind ein Teil
der Gewerbeflächen (Haaren, Forst, Laurensberg, Prager Ring) in Mischgebietsflächen umgewandelt
und parallel die sog. GE-Ausweisungen um Verkehrsflächen reduziert worden. Reduzierungen
erfolgen insbesondere in Bereichen der bisherig mittelfristig verfügbaren Vorsorgefläche (Brand Nord,
Schleckheim) zugunsten des Freiraums bzw. der Landwirtschaft. Im Bereich des ehemaligen
Güterbahnhofs West erfolgt u.a. eine Ausweisung als Sondergebiet Hochschule zugunsten des
RWTH Aachen Campus. Weitere Umwidmungen erfolgen zugunsten von Wohnbauflächen (Brand).
Ein bereits geänderter Vorentwurf vom 26.05.2014 sieht im Ergebnis die weitere Reduzierung
zusätzlicher Gewerbeflächen, insbesondere die Rücknahme von Neuausweisungen in Eilendorf und
Haaren vor. Dies könnte tendenziell in Summe zum zusätzlichen Wegfall von Flächen in der
Größenordnung von 44 ha führen.
Angesichts der Flächenknappheit für Neuansiedlungen und Erweiterungen, hat der Fachbereich
Wirtschaftsförderung/Europäische Angelegenheiten im April 2015, nach Rücksprache mit den
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Ausdruck vom: 16.03.2021

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Fachbereichen Immobilienmanagement sowie Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, die AGIT mbH
mit der Ermittlung des zukünftigen Gewerbeflächenbedarfs in der Stadt Aachen beauftragt. Ziel dieser
Expertise war es, auf Basis von zwei nachfrageorientierten Prognosemodellen den zukünftigen
Gewerbeflächenbedarf bis 2030 zu ermitteln und diesen dem verfügbaren Gewerbeflächenreserven
im aktuellen FNP auf Basis des Gewerbeflächen-Monitorings gegenüberzustellen.
Im Ergebnis attestiert die Studie auf Basis der Trendfortschreibung der Gewerbeflächennachfrage der
letzten 12 Jahre einen Bedarf von rd. 73 ha gewerbliche Baufläche bis 2030. In den jeweiligen
Extremszenarien schwankt dieser Wert zwischen 47 ha bei einer andauernden Rezession und 108 ha
bei einem andauernden Boom auf dem Gewerbeflächenmarkt. Zuletzt stieg die Nachfrage deutlich, so
dass 70 % (bzw. 38,15 ha) der erfassten 124 Grundstücke seit dem Jahre 2009 veräußert wurden.
Auf Basis der durch das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU) entwickelte trendbasierten standortspezifischen Gewerbe- und Industrieflächenprognose (TBS-GIFPRO) kommt das Gutachten mit Hilfe
verschiedener Quoten und Kennziffern rechnerisch sogar auf einen Flächenbedarf von 111 ha.
Vergleich „Vorentwurf für den neuen FNP“ mit Gewerbeflächenreserven zum 31.12.2014
Die Gegenüberstellung mit den zukünftigen Gewerbeflächenreserven des Vorentwurf für den neuen
FNP zeigt eine deutlich verschlechterte Situation, insbesondere aufgrund fehlender
Aktivierungsmöglichkeiten. Das bedeutet, 45 ha Gewerbeflächenangebot bis 2030 stehen einem
prognostizierten Bedarf von ca. 110 ha gegenüber.
Die Prognosen des durch die AGIT erstellten Gutachtens (s. o.) greifen ebenfalls das Szenario eines
deutlich verringerten Gewerbeflächenangebotes auf. Die Detailergebnisse werden im Rahmen eines
Vortrags durch die AGIT im Ausschuss vorgestellt.
Neuausweisung
Die o.g. Gegenüberstellung der zukünftige Gewerbeflächenreserven (45 ha) mit dem prognostiziertem
Bedarf von ca. 110 ha ist ein für Kommunen typische Baulandparadoxon und veranschaulicht u.a.
auch den Bedarf neue Gewerbeflächen auszuweisen. Die Realisierung der im Vorentwurf benannten
Flächen (z.B. Verlautenheide) ist daher von zentraler Bedeutung. Parallel stellt sich die Frage, ob der
Verzicht auf bereits ausgewiesene Gewerbeflächen, wie z.B. die Erweiterungsfläche der Schumag
AG, tatsächlich sinnvoll erscheinen und ob es richtig ist, die erst kürzlich als GE erworbene Fläche
(Brand Nord) nun doch nicht zu entwickeln.
Brachflächenentwicklung
Gleichzeitig zeigt das o.g. Prognosemodell aufgrund von Unternehmensschrumpfungen,
Betriebsaufgaben und Verlagerungen 60 ha als wieder nutzbare Brachflächen aus. Diese
Brachflächen sind sehr viel stärker als bisher in den Blick zu nehmen. Erste Schritte in diese Richtung
zeigen das Potenzial, aber auch, dass weitere Untersuchungen z.B. im Rahmen von geförderten
Projekten notwendig sind, um insbesondere durch ein intelligentes Gewerbeflächenmanagement das
Ziel der dauerhaften Sicherstellung von nutzbaren Gewerbeflächen zu gewährleisten.

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Ausdruck vom: 16.03.2021

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Hilfreich bei der angestrebten Revitalisierung ist, dass sich derzeit Standortfaktoren und
Standortangebote sehr viel stärker ausdifferenzieren. Nach Jahrzehnten der (inter-)nationalen
Auslagerung von Produktionsstandorten, die überwiegend die suburbanen Räume adressierte,
erscheint aufgrund der Megatrends Digitalisierung, Individualisierung, Urbanisierung und
demographischen Wandel, eine zunehmende Reintegration der Produktion in die Städte möglich. Die
Entwicklung bringt weitreichende Implikationen für Innovationssysteme, Arbeitsmärkte und
insbesondere Flächennutzungen für urbane Regionen mit sich, die mit Fläche 4.0 (analog zu Industrie
4.0) oder urbane Produktion umschrieben werden. Indem neue Produktionsverfahren wie z.B. 3DDruck, die kundennahe, individuelle Fertigung vor Ort ermöglichen, können gleichzeitig Wünsche der
städtischen Bevölkerung nach mehr wohnortnahen Arbeitsplätzen bedient, Zielvorgaben beim
Flächensparen erfüllt, aber auch eine ausreichende, zeit- und nachfragegerechte Versorgung mit
Gewerbeflächen für Unternehmen sichergestellt werden. Die Veränderung der Arbeitswelten bieten
folglich nicht nur Anlass für Entflechtung und Trennung zwischen Gewerbe und empfindlicher Wohn‐
und Freiraumnutzungen sondern auch Chancen für neue städtische Mischungen.
Eine wesentliche Basis für die nachhaltige Gewerbeflächenentwicklung liegt folglich u.a. auch in der
Analyse der Gewerbeflächen und der damit verbundenen Identifizierung von unternutzten und
brachliegenden Flächen. Ein im Dezernat Wirtschaftsförderung, Soziales und Wohnen durch den
Fachbereich Wirtschaftsförderung/ Europäische Angelegenheiten erstellter Revitalisierungskatalog
gewerblicher Bauflächen für die Stadt Aachen, hat 19 Flächen mit insgesamt 68,7 ha potenziell
nutzbarer Flächen identifiziert. Es zeigt sich, dass insbesondere eine fachliche Bewertung der im
Detail zu erfassenden natur- und umweltschutzrechtlichen Belange sowie planungsrechtlichen
Restriktionen notwendig ist, um eine ausreichende Grundlage zu schaffen, die eine KostenNutzenanalyse der Revitalisierung zulässt. Hierzu bietet das Landesamt für Natur, Umwelt und
Verbraucherschutz NRW eine entsprechende Förderkulisse mit einer 80 % Förderquote für Städte
und Gemeinden an.
Besonders die Mobilisierung dieser im Revitalisierungskatalog festgestellten bzw. neuen
Potenzialflächen muss einzelfallbezogen nach gesamtstädtischen Interessen und lokalen
Rahmenbedingungen vorangetrieben werden. Darüber hinaus sollte mit aktiver und strategischer
Flächenpolitik agiert werden. Hierzu zählt das gesamtstädtische Flächenmanagement, welches
wichtige Entwicklungsflächen erfasst sowie priorisiert, ggf. ankauft, nutzungsoptimiert entwickelt und
vermarktet, um das benannte Flächenportfolio an verfügbaren Gewerbefläche nachhaltig zu
gewährleisten. Hierzu ist eine fachbereichsübergreifende Datenbank notwendig, in der private und
städtische Flächen gelistet sind, die sofort oder in den nächsten Jahren für eine Aktivierung zur
Verfügung stehen und Steckbriefe der einzelnen Entwicklungsflächen anhand verschiedener
Planungsparameter (Rahmendaten, Planungs- und Umweltrecht, Charakterisierung,
Entwicklungsperspektiven, Ziele und Handlungsschritte) untersucht bzw. beschreibt.
Das Vorgehen einer Revitalisierung zur Identifizierung gewerblicher Bauflächen soll im Rahmen der
Standort- und Marktanalyse zu Gewerbeflächen in Aachen Nord erprobt werden. Anknüpfungspunkt
für zukünftige Revitalisierungen bilden hierbei die innovativen Produktionsmethoden, die derzeit für
den Streetscooter entwickelt werden. Die detaillierte Darstellung der geplanten Studie zum

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Revitalisierungspotential erfolgt ebenfalls im Rahmen eines Vortrags durch die beauftragte
Arbeitsgemeinschaft KadaWittfeld Architekten / WZL in der Ausschuss-Sitzung.
Interkommunale Gewerbegebiete
Neben der eigenen Flächenknappheit zwingt auch die zunehmende Konkurrenzsituation in der
Städteregion zur Beschäftigung mit interkommunalem Gewerbeflächenmanagement. In nur 10 – 15
km Entfernung zur Innenstadt werden in den Nachbarkommunen deutlich mehr Gewerbeflächen zu
deutlich niedrigeren Preisen angeboten. Die Preisspanne reicht in der Städteregion von 18 €/qm in
Baesweiler zu 130 € in Würselen. Beispiele in der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass zunehmend
eine Randwanderung aus der Stadt ins Umland zu beobachten ist, die sich nur teilweise mit einer
funktionalen Differenzierung und damit den Standortkosten erklären lassen. Im Ergebnis führt dies zu
erhöhten Aufwänden für Unternehmen deren Mitarbeiter und den konkurrierenden
Standortkommunen.
Dem setzt das sog. Interkommunale Gewerbeflächenmanagement bzw. der Standortpool ein
intelligentes und faires Management von Standortansprüchen, -potenzialen und -interessen entgegen.
Ziel sollte dabei sein, bedarfsorientierte, funktional differenzierte Gewerbestandorte gemeinsam zu
entwickeln, zu vermarkten und nachhaltig zu betreiben. Notwendig ist hierfür neben der durch das
Gewerbeflächen-Monitoring erreichten Transparenz, Vertrauen und gemeinsame Regeln zu
Verteilung der Kosten und Gewinne (z.B. gemeinsamer Gewerbesteuerpool).
Im bundesweiten Vergleich existieren mit rd. 75 interkommunalen Gewerbestandorten in NRW die
meisten Kooperationen, bei denen zwei und mehr Kommunen gemeinsam Flächen entwickeln. In der
Region Aachen gibt es bereits einige Beispiele interkommunaler Gewerbestandorte
(Eschweiler/Inden, Düren/Niederzier, Baesweiler/Aldenhoven), die allerdings nur einen geringen
Integrationsgrad aufweisen (d.h. eher als angrenzende kommunale Einzelgebiete verstanden
werden). Die eigenen Erfahrungen mit dem interkommunalen UND grenzüberschreitenden
Gewerbegebiet Avantis zeigen jedoch, neben vermeintlichen Synergien auch Doppelaufwände bei der
Abstimmung. Beispiele aus anderen Teilen NRWs zeigen allerdings auch, dass dies bei einer
langfristigen Strategieentwicklung und den richtigen Partnern möglich ist.
Fazit:
Die dargestellten politischen Vorgaben auf allen Ebenen lassen bei den gleichzeitig erfassten
Gewerbeflächenbedarfen und zukünftigen Reserven nur den Schluss zu, im Sinne einer
ganzheitlichen Flächenvorsorge die o. g. Maßnahmen einzuleiten bzw. durchzuführen.

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