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Vorlage-Sammeldokument

                                    
                                        Der Oberbürgermeister

Vorlage
Federführende Dienststelle:
Kulturservice
Beteiligte Dienststelle/n:

Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:

E 49.5/0022/WP17
öffentlich
27.02.2015
I. Tirtey. Dr. Th. Müller

Sachstand Neukonzeption Zollmuseum Friedrichs
Beschluss des Betriebsausschuss Kultur vom 30.01.2014
Beratungsfolge:

TOP:__

Datum

Gremium

Kompetenz

26.03.2015

BaKu

Kenntnisnahme

Beschlussvorschlag:
Der Betriebsausschuss Kultur nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und beauftragt
die Verwaltung die Finanzierung beider möglichen Standorte zu prüfen.

Vorlage E 49.5/0022/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 09.03.2015

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Erläuterungen:
Neukonzeption des Zollmuseums Friedrichs
Der Kulturbetrieb der Stadt Aachen beschäftigt sich seit August 2014 auf Grund des Beschluss vom
Betriebsausschuss Kultur am 19.02.2014 mit Vorarbeiten für eine Neukonzeption des Zollmuseums
Friedrichs. Konkret wurden das Museumsgebäude und der Museumsstandort, das bestehende
Vermittlungskonzept und die Sammlung untersucht. Aus diesen noch laufenden Untersuchungen
ergeben sich Ansätze für ein neues Museumskonzept. Dessen Konkretisierung ist allerdings von einer
baldigen Klärung des künftigen Museumsstandortes abhängig.
Das heutige Zollmuseum
Das Museum befindet sich im Gebäude des ehemaligen Zollamts Horbach unweit der deutschniederländischen Grenze. Das Umfeld ist auf deutscher Seite landwirtschaftlich geprägt, während auf
niederländischer Seite Wohn- und Gewerbesiedlungen dominieren. Das seit 1997 denkmalgeschützte
Gebäude stammt aus dem Jahre 1933. Es bestand aus einem zweigeschossigem Haupthaus für
Büro- und Wohnräume und einem eingeschossigen Abfertigungstrakt mit vorgelagerter Rampe, hinzu
kommt ein Gartengrundstück mit Nebengebäude. Nach der Schaffung eines Gemeinschaftszollamtes,
das im niederländischen Zollhaus untergebracht war, blieben die Amtsräume seit den 1970er Jahren
ungenutzt. Das niederländische Zollhaus wurde im Oktober 2014 abgebrochen, sodass von den
ursprünglichen Grenzanlagen heute nur noch das Zollmuseum sichtbar ist. Darüber sind in Horbach
das 1818 errichtete Vorgängergebäude (heute Wohnhaus) und ein Abschnitt des Westwalls erhalten
(Distanz zum Museum ca. 2-3 km).
Das Zollmuseum entstand auf Initiative des damaligen Leiters des Hauptzollamtes Aachen, Christian
Friedrichs, in zwei Etappen. Unter der Bezeichnung „Zollgeschichtliche Sammlung Aachen“ wurde
1987 zunächst eine Ausstellung in den Abfertigungs- und Diensträumen eröffnet, die später
großflächig auf das gesamte Gebäude mit Ausnahme der Hausmeisterwohnung erweitert wurde.
Nach dem Tod Friedrichs (1996) kritisierte der Bundesrechnungshof unter Verweis auf das inzwischen
vom Bund etablierte Hamburger Zollmuseum die Weiterfinanzierung der Aachener Sammlung aus
Bundesmitteln. Um eine Auflösung der Sammlung zu verhindern, entstand 1998 das bis heute
geltende Betreibermodell: Die Stadt Aachen erwarb das Gebäude, der Bund stellte im Gegenzug die
in seinem Besitz befindlichen Objekte als Dauerleihgaben zur Verfügung und die Sammlung erhielt
den Namen „Zollmuseum Friedrichs“. Das Haus gehört seitdem zu den städtischen Museen und wird
von den Heimatfreunden des Heidener Ländchens in Kooperation mit dem Kulturbetrieb ehrenamtlich
betrieben.
Das Museum verfügt über eine bespielbare Ausstellungsfläche von rund 600 qm, worin allerdings 4
Räume (mit 233 qm) enthalten sind, die zugleich für Vorträge und Versammlungen genutzt werden.
Der Ausstellungsbereich erstreckt sich über 3 Stockwerke, die lediglich durch 1 Treppe erschlossen
sind. Zwischen dem Erd- und 1. Obergeschoss existiert außerdem eine Wendeltreppe, die sich jedoch
nicht als zweiter Fluchtweg eignet. Aus diesen Gründen ist eine Begehung der Museumsräume des 1.
und 2. Obergeschosses nur in Form geführter Gruppen zulässig.
Aufgrund dieser baulichen Restriktionen war und ist das Zollmuseum nicht für Individualbesucher
geöffnet. Es bietet vielmehr an zwei Sonntagen im Monat feste Führungszeiten sowie weitere
Führungen nach Vereinbarung an. Die Besucherzahlen bewegen sich in den vergangenen 5 Jahren in
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einem Korridor von ca. 500 bis ca. 1500 Besuchern pro Jahr. Die Führungen wurden in diesem
Zeitraum von 1 bis 2 Personen durchgeführt. Die Bespielung des Hauses wird nicht durch
Werbemaßnahmen, museumspädagogische Programme o.ä. flankiert; Mehrsprachigkeit und
Barrierefreiheit sind nicht gegeben.
Die Präsentation der Exponate entstammt der Gründungszeit des Museums. Wesentliche Elemente
der Ausstellung sind noch älter und entstammen zwei Sonderausstellungen aus dem Jahr 1984, die
den Bogen von der Gründung des deutschen Zollvereins 1834 zur damaligen Zollunion der
Europäischen Gemeinschaft spannten. Diese Narration wurde für das Aachener Museum adaptiert
und bildet bis heute dessen Kern. Allerdings wurde sie um zahlreiche Ausstellungsräume ergänzt, die
die Geschichte des Zolls seit der Antike, Aufgaben und Organisation der Zollverwaltung, die
Bekämpfung des Schmuggels, die Entwicklung der „Grünen Grenze“ bei Aachen, Zollverwaltung der
DDR u.v.m. darstellen.
Hierbei trägt die Ausstellung starke Züge eines Erinnerungsortes, im dem sich das Selbstbild der
Zöllner zu einem Zeitpunkt wiederspiegelt, in dem die traditionellen Grenzkontrollen im Zuge der
europäischen Integration weitgehend aufgehoben wurden. Entsprechend bildete das Zollmuseum von
Anfang an auch einen Raum der Identitätsstiftung, was es dem Zollmuseum u.a. ermöglichte, eine
Vielzahl von Objekten und Dokumenten aus dem Kreis ehemaliger Zollbediensteter zu akquirieren.
Diese Funktion als Erinnerungsort spiegelt sich stark in der Gestaltung der Ausstellung wider (z.B.
Wandbilder, „Europa-“ und „Ministerzimmer“).
In der Ausstellung befinden sich zahlreiche Exponate von hohem dokumentarischem und historischem
Wert, worauf weiter unten noch eingegangen wird. Dem gegenüber stehen erhebliche Defizite, die aus
Sicht der Verwaltung eine grundlegende Überarbeitung des Themen- und Raumprogramms, eine
bessere Nutzung der Sammlungsbestände (veränderte Objektauswahl), eine Modernisierung der
Präsentation, die Entwicklung eines tragfähigen Vermittlungskonzepts, verbesserte konservatorische
Bedingungen, eine bessere Integration in die städtische Museumslandschaft und schließlich die
Ableitung angemessener Werbemaßnahmen erfordern.
Diese Defizite sind u.a.:
-

Die Zuordnung der Themen zu den Räumen ist nicht immer eindeutig. Teils taucht der gleiche
Themenkomplex in mehreren Räumen auf, teils sind die Themen und Zeitebenen im gleichen
Raum vermischt. Die entsprechenden Ausstellungsbereiche wirken disparat.

-

Die Trennung von Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen ist nicht klar.

-

Die thematische Gliederung der Ausstellung erschließt sich ohne Erläuterung durch einen
Führer nur schwer. Raumtitel fehlen fast gänzlich; erläuternde Überblickstexte entstammen
zumeist noch den 1980er Jahren, und Objekttexte fehlen bis auf wenige Ausnahmen ganz.
Die Textgestaltung ist uneinheitlich, fremdsprachige Hinweise fehlen trotz des Thema und
Standort des Museums komplett.

-

In vielen Ausstellungsräumen dominieren Exponate von geringem musealem Wert. Teils
handelt es sich um schadhafte (i.d.R. stark ausgeblichene) Reproduktionen, teils wurden
dekorative Gegenstände oder moderne Sekundarliteratur anstelle aussagekräftiger Exponate
in die Sammlung aufgenommen. Auf diese Weise sollten offenbar Lücken im
Sammlungsbestand überbrückt und die fehlenden Texterläuterungen kompensiert werden.
Dem gegenüber stehen Ausstellungsbereiche, die so dicht mit aussagekräftigen Objekten
bestückt sind, das diese kaum mehr zur Geltung kommen.

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-

Die bestehende Eingangssituation ist unbefriedigend. Der Außenbereich wirkt wenig
einladend. Ein gastronomisches Angebot (z.B. Café) ist auch im Umfeld des Museums nicht
vorhanden.

-

Insgesamt wirken die Räumlichkeiten konservativ und altmodisch.

-

Die konservatorischen Bedingungen sind verbesserungswürdig (z.B. hoher Lichteinfall) und
die Objekte sind zum Teil nicht ausreichend geschützt. Die Lagerbedingungen für die
Sammlung sind unbefriedigend, eine Infrastruktur für museale Arbeiten existiert kaum.
Die genannten Defizite sind charakteristisch für Museen, die ohne professionelle
Unterstützung von Laien aufgebaut und betrieben werden. Sie können den ehrenamtlichen
Betreuern daher auch nicht angelastet werden. Vielmehr haben diese immer wieder
Ergänzungen der Ausstellung vorgenommen, für eine gute Verankerung in der örtlichen
Bevölkerung gesorgt, Veranstaltungen durchgeführt, Objekte übernommen, das
Führungsprogramm gewährleistet und manches mehr.

Die Sammlung
Im Zuge des Denkmalgutachtens hat der LVR im Jahr 1997 auch die Ausstellung des Zollmuseums
untersucht. Er kam zum Ergebnis, dass die Sammlung Denkmalwert besitze. Die Sammlung sei
bedeutend für die lokale und die rheinische Geschichte, da sie die Entwicklung des Zolls und der
Grenze in einer Region abbilde, die „gleich mehrere [der…] historisch interessantesten Grenzen“ des
Rheinlandes umfasse. Durch den Wegfall der Grenzkontrollen sei sie zugleich von zeitgeschichtlicher
Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland, und nicht zuletzt veranschauliche „tief eingeprägtes
Geschehen im Kontakt zu den Nachbarländern“. Der LVR stützte diese Einschätzung allein auf die in
der Ausstellung sichtbaren Teile der Sammlung und in Kenntnis ihrer oftmals laienhaften Gestaltung.
Momentan wird eine Sichtung der gesamten Sammlungsbestände durchgeführt, in die erstmals auch
die umfangreichen Lager- und Depotbestände bzw. die nach 1997 erfolgten Übernahmen einbezogen
werden. Auf dieser Grundlage ist zu konstatieren, dass das Zollmuseum über eine regional und
überregional bedeutende Sammlung, deren Potenzial es in seiner jetzigen Form nicht ausschöpft. Die
Bestände sind bislang kaum dokumentiert und inventarisiert. Ihre Sichtung und Erfassung in Form
einer standortabhängigen Systematik bildet momentan daher einen Arbeitsschwerpunkt. Der
quantitative Umfang kann zurzeit nur grob geschätzt werden. So umfasst die Sammlung rund 2000
relevante gegenständliche Objekte, 12.000 Bücher, 30 Regalmeter Ordner, 40.000 Fotografien sowie
eine 6.500 Einträge umfassende Personenkartei.
Die Sammlung entstammt unterschiedlichen Quellen:
-

Der größte und bedeutendste Bestand wurde von Zollbehörden übernommen. Er umfasst
Gegenstände, Druckwerke und Schriftstücke aus der konkreten Zollpraxis und Grenzkontrolle.
Der größte Teil dieser Bestände wurde der Stadt Aachen bereits in den 1990er Jahren als
Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Der Bestand wurde seitdem sukzessive durch
Übernahmen vergrößert.

-

Dieser Bestand wird durch die frühere Privatsammlung des Museumsgründers Friedrichs
ergänzt, die der Stadt Aachen ebenfalls als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Der
Bestand umfasst teils wichtige zollhistorische Objekte, teils themenfremde oder unbedeutende
Stücke. Um diesen (und nur diesen) Bestand ist ein Erbstreit entstanden. Um die geltend

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gemachten Ansprüche zu befriedigen, wirbt der Betreiberverein um Spenden und hat einen
Teil der betroffenen Exponate bereits angekauft.
-

Eine weitere Ergänzung bildet die Sammlung Meier (sog. Zollarchiv). Sie umfasst vor allem
Fotografien und Dokumente, darunter beispielsweise eine vollständige Dokumentationen der
gesamten bundesdeutschen Außengrenzen (incl. der Aachener Grenzregion) sowie des
„Eisernen Vorhangs“ einschließlich der Grenzanlagen vor und nach der „Wende“. Auch die
genannte Personendatei über 6.500 Zollbedienstete ist Teil der Sammlung Meier.

-

Darüber hinaus sind schätzungsweise 100 kleinere Bestände übernommen worden. Sie
stammen größtenteils von früheren Zollbediensteten und aus der Bevölkerung.

-

Hinzu kommt umfangreiches Sammlungsgut, das bislang noch nicht gesichtet wurde oder
dessen Provenienz aufgrund der fehlenden Inventarisierung unklar ist.

Der in der Öffentlichkeit häufig thematisierte Erbstreit betrifft mithin nur einen relativ kleinen Teil der
Gesamtsammlung und gefährdet diese in ihrem thematischen Kern nicht.
Den Kern der Sammlung bilden Objekte, die der Zollpraxis und die Grenzkontrolle der Bundesrepublik
bis zur Einstellung der innereuropäischen Grenzkontrollen dokumentieren. Ausgesprochen dicht sind
die Bestände für die späten 1940er bis 1960er Jahre. Das Objektspektrum (Originale) ist sehr
authentisch und vollständig; es reicht von der dienstlichen Literatur, internen Anweisungen und
Lehrmaterialien der Zöllner über ihre Kleidung und ihre Ausrüstung bis hin zu beschlagnahmtem
Schmuggelgut und Schmugglerverstecken. Die bei der Kontrolle der Grenzen eingesetzten
Gerätschaften sind vollständig enthalten. Grenzanlagen, Grenzmarkierungen und Grenzverträge,
Kontrollprozeduren und Einzelereignisse sind umfassend dokumentiert, und auch persönlichbiographische Objekte fehlen nicht. Die Sammlung ist überregional angelegt, doch entstammt ein
Großteil der Bestände der Region um Aachen (etwa Eifel bis Selfkant). Sie deckt damit u.a. die Zeit
des eskalierten Gewalt zwischen Zöllnern und Schmugglern ab, der nach dem Zweiten Weltkrieg
mehr als 30 Menschen im Aachener Grenzabschnitt zum Opfer fielen.
Die vorausgegangenen Phasen sind ab dem frühen 19. Jahrhundert im Objektbestand abgebildet,
wobei sich der Bestand ab der Weimarer Republik deutlich verdichtet. Er deckt damit die wesentlichen
Zäsuren dieser Zeit, etwa den Beginn und das Ende des NS-Regimes, die Entnazifizierung und die
Entstehung der Bundesrepublik, ab. Die Parallelentwicklung des DDR-Zolls ist durch einen
Teilbestand repräsentiert. Für die Phase nach 1992 und für die Gegenwart nimmt die Objektdichte
schließlich wieder ab.
In den zoll- und grenzbezogenen Sammlungsstücken spiegeln sich immer auch die Veränderung der
Grenze und die Erfahrung der mit ihr konfrontierten Gesellschaft. Die Entwicklung von den
aufgerüsteten Grenzen der 1950er Jahre zu den unsichtbar werdenden Grenzen der 1990er Jahre ist
eindrucksvoll dokumentierbar. Wie in einem Spiegel zeigt sich hierin die Geschichte der europäischen
Integration – und zwar in ihrem innersten Kern: der Friedenssicherung durch Überwindung der
nationalen Grenzen. Insofern lassen sich aus der Erfassung der Sammlung bereits wichtige
Ansatzpunkte für eine inhaltliche Neukonzeption des Museums ableiten:
-

Das Zollmuseum besitzt ein Alleinstellungsmerkmal (neben dem bundeseigenen Zollmuseum
Hamburg) im Bereich der Geschichte von Grenzen. Diese werden in kleineren Zoll- oder
Grenzmuseen in der Regel nur als Lokalgeschichte behandelt und beziehen sich häufig auf
den Eisernen Vorhang.

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Das Zollmuseum dokumentiert mit seinem Sammlungsschwerpunkt in der frühen
Bundesrepublik eine zeitgeschichtliche Phase, die verstärktes Interesse genießt, was sich
bundesweit in einer Häufung von Ausstellungen, TV-Filmen und Dokumentationen sowie einer
Intensivierung der wissenschaftlichen Forschung zeigt.

-

In der Entwicklung und der Praxis des Zolls spiegelt sich die Entwicklung der Grenzen, und in
dieser wiederum spiegelt sich die Geschichte Europas. Die bisher eng geführte Erzählung des
Museums kann zu einer spannungsreichen Narration erweitert und durch kritische
Gegenwartsbezügen aktualisiert werden. Hierbei sind „große“ (europäische) und „kleine“
(lokale, persönliche) Geschichte eng verwoben. Hierin liegt gleichzeitig eine nachvollziehbare
Abgrenzung des Aachener Zollmuseums vom Zollmuseum Hamburg.

-

Die Erfahrung innereuropäischer Grenzkontrollen ist historisch geworden. Der Generation
unter 30 ist sie aus eigener Erfahrung nicht mehr präsent, sondern bedarf der historischen
Vermittlung. Diese wiederum kann hier besonders anschaulich geschehen. Dieser Aspekt
sollte – attraktiv umgesetzt – unbedingt zum Kern eines künftigen Museumskonzepts gehören.

-

Bezüge zu aktuellen Themen, Konflikten und Kontroversen lassen sich leicht herstellen (z.B.
Symbolische Aufladung von Grenzen; Konflikte um Grenzen; Deeskalation von
Grenzkonflikten; Flucht und Flüchtlinge).

Neukonzeption
Der LVR hat bereits 2014 zugesichert, die Erstellung eines neuen Ausstellungskonzepts mit einem
Zuschuss von 10.000 € zu fördern. Die Maßnahme ist im Sinne einer Grobkonzeption zu verstehen,
die neben der Dauerausstellung (Objektauswahl, Präsentation, Medienverwendung, Text-BildVerwendung u.v.m.) auch die Erstellung einer Marketing- und Öffentlichkeitsstrategie, die Konzeption
museumspädagogischer Angebote und eine Kostenaufstellung zur Realisierung des Projekts
umfassen soll. Mit der Erarbeitung soll ein erfahrenes Büro beauftragt werden.
Aus Sicht des LVR muss gewährleistet sein, dass die Sammlungsbestände langfristig gesichert sind
(Erbstreit), was nach Einschätzung der Verwaltung aus den oben dargestellten Gründen jedoch der
Fall ist. Darüber hinaus muss vorab geklärt sein, ob das Museum an seinem jetzigen Standort
verbleibt oder an einen alternativen Standort verlegt werden soll.
Standort und Standortalternative
Aus Sicht der Verwaltung gibt es gute Gründe für zwei mögliche Standorte:
a) Beibehaltung des Standortes:
Hierzu gehören u.a. der Erhalt einer für den Stadtbezirk wichtigen kulturellen Einrichtung, die
Authentizität der Museumsgebäude und der als Erinnerungsort angelegten Ausstellung, das
ehrenamtliche Engagement und die von den ehrenamtlich Aktiven hergestellte Bindung an die
örtliche Bevölkerung. Die oben umrissenen Defizite der Präsentation sind im Zuge einer
Neukonzeption im Prinzip lösbar. Aufgrund der baulichen Restriktionen (mangelnde
Fluchtwegsituation im 1./2. OG) wäre über eine Konzentration der Ausstellung nachzudenken,
wenngleich der Fokus sicherlich auf Gruppenangebote und weniger auf Individualbesucher
gerichtet sein muss, die wiederum aktiv beworben werden müssen. Schwierig sind aus Sicht
der Verwaltung gleichwohl die periphere Lage, das Fehlen eines attraktiven Umfeldes, die
geringe Präsenz des Standortes im öffentlichen Bewusstsein.
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b) Grenzübergang Köpfchen (realistische Standortalternative):
Der Übergang Köpfchen liegt in einem Grenzabschnitt, der in besonderem Maße die
Konfliktgeschichte des 20. Jahrhunderts wiedersiegelt (zweimalige deutsche Expansion,
Grenzverlagerung durch den Versailler Vertrag, Existenz zweier neutraler Zonen im 19./20.
Jahrhundert). Auch die Grenzanlagen selbst gingen aus dieser Konfliktgeschichte hervor, da
sie eine unmittelbare Folge des Versailler Vertrags sind. Teile der in den frühen 1920er
Jahren entstandenen Grenzanlagen sind noch vorhanden. Umfangreich und weitgehend
authentisch erhalten sind jedoch vor allem die beiderseitigen Grenzanlagen der 1930er bis
1950er Jahre, darunter das 1938 errichtete und 1953 um eine große Abfertigungsrampe für
den Güterverkehr erweiterte deutsche Zollamt. Dieses Zollamt (Eupener Straße 403) steht
heute mit Ausnahme einer Mietwohnung leer und wäre ein möglicher neuer Standort für das
Zollmuseum.
Das Gebäude gliedert sich wie das Zollmuseum Horbach in ein Haupthaus mit Büro- und
Wohnräumen und eine Abfertigungsgebäude; allerdings ist dieses zur Straßenseite hin offen
und verfügt rückseitig über einige Nebenräume. Unter der Abfertigungsrampe sind einige
Arrestzellen erhalten. Der momentan geltende Bebauungsplan sieht eine kulturelle Nutzung
dieser Räumlichkeiten vor. Das Gebäude wurde 2013 von einem Aachener Architekten
erworben, der einer Nutzung für das Zollmuseum aufgeschlossen gegenüber steht. Allerdings
sind – unabhängig von der künftigen Nutzung – erhebliche Sanierungs- und Umbauarbeiten
erforderlich, zu denen u.a. eine denkmalgerechte Abschließung der bisher offenen
Abfertigungsrampe gehört.
Im Vergleich zum jetzigen Standort bietet Köpfchen einige Vorteile. Wie bereits gesagt, ist das
Gebäude von ähnlicher historischer Bedeutung, allerdings ist die Gesamtanlage eines großen
Grenzübergangs hier anders als in Horbach noch vorhanden. Gleichzeitig verlaufen der
historische Aachener Landgraben und der Westwall in unmittelbarer Nähe, und die im
Rahmen der Euregionale 2008 angelegten Grenzrouten (mit rekonstruiertem Teil des
Landgrabens) haben hier einen wichtigen Ausgangspunkt. Der Standort bietet damit
hervorragende Möglichkeiten, Museum und Freiraum miteinander zu verknüpfen. Neben den
Grenzrouten thematisieren heute bereits mehrere künstlerische Installationen die
Grenzgeschichte. Ein wesentlicher Vorteil ist nicht zuletzt die Nachbarschaft des
Kulturzentrums „KuKuK - Kunst und Kultur im Köpfchen“ im früheren deutschen Inselzollamt,
das 1953/54 zur Abfertigung des Pkw-Verkehrs gegenüber dem deutschen Zollamt errichtet
wurde. Es verfügt über einen Raum für Sonderausstellungen und ein Café. Das Umfeld des
Grenzübergangs ist von Wald- und Weideflächen mit zahlreichen Rad- und Wanderwegen
geprägt, das Naturdenkmal Zyklopensteine liegt in direkter Nähe. All dies hat zur Folge, dass
der Ort trotz seiner peripheren Lage an der Stadtgrenze insbesondere an Wochenenden stark
frequentiert ist.
Sollte das Zollmuseum nach Köpfchen verlagert werden, stünde nach ersten Sondierungsgesprächen
mit dem Eigentümer eine Gesamtfläche von knapp 400 qm im Erdgeschoss für die Ausstellung incl.
Nebenräume sowie außerdem die früheren Arrestzellen und Lagerräume im Keller zur Verfügung.
Eine Verlegung des Zollmuseums wäre also mit einer räumlichen Komprimierung der Ausstellung

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verbunden, was aus Sicht der Verwaltung allerdings sinnvoll ist und durch das historisch interessante
Umfeld mehr als kompensiert würde.

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