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Vorlage-Sammeldokument

                                    
                                        Der Oberbürgermeister

Vorlage
Federführende Dienststelle:
Fachbereich Soziales und Integration
Beteiligte Dienststelle/n:

Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:

FB 50/0061/WP17
öffentlich
15.04.2015

Gesundheitsprogramm für Flüchtlinge
- Ratsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP und
Piraten des Rates vom 04. März 2015Beratungsfolge:

TOP: 6 -

Datum

Gremium

Kompetenz

30.04.2015

SGA

Entscheidung

Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie stimmt der vorgeschlagenen
Vorgehensweise der Verwaltung zu.

Vorlage FB 50/0061/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 06.07.2015

Seite: 1/6

Erläuterungen:
Die Fraktionen von CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP und Piraten des Rates Stadt Aachen beantragen
mit Ratsantrag vom 04.03.2015 die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in Aachen zu
verbessern (Anlage 1).
1. Optionen
Der Krankenschutz für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgt nach den
Regelungen der § 4 Asylbewerberleistungsgesetz und § 6 Asylbewerberleistungsgesetz.
Zur Sicherstellung des Krankenschutzes für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG stehen drei
Alternativen zur Auswahl:
1.1 Derzeitiges Verfahren in der Stadt Aachen
Die Hilfeempfänger erhalten Krankenscheine, die mit dem Hinweis versehen sind, dass nur die Kosten
für die Behandlung akuter Erkrankungen und bei Schmerzzuständen übernommen werden. Dies
entspricht den gesetzlichen Regelungen. Heilmittel, Hilfsmittel, Zahnersatz und die Überweisung zu
Fachärzten bedürfen der Zustimmung durch FB 50. Diese Verordnungen oder Überweisungen werden
zur Prüfung an das Gesundheitsamt der Städteregion gesandt. Wird von dort die Notwendigkeit im
Sinne des AsylbLG festgestellt, wird die entsprechende Behandlung genehmigt.
Krankenhauseinweisungen, abgesehen von Notfällen, bedürfen ebenfalls der vorherigen Zustimmung
und werden auch durch das Gesundheitsamt der Städteregion geprüft.
Die Ausgabe der Krankenscheine und das Genehmigungsverfahren werden für alle Hilfeempfänger
durch einen zentralen Sachbearbeiter durchgeführt. Hierdurch konnte das Verfahren beschleunigt
werden.
Auch wurden mit dem Gesundheitsamt generelle Absprachen bezüglich Laboruntersuchungen,
psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen getroffen, so dass in diesen Fällen die
Prüfung durch das Gesundheitsamt in der Regel entfallen kann. Auch notwendige Behandlungen im
Zusammenhang mit einer Schwangerschaft werden ohne ärztliche Überprüfung übernommen. Für
Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen für Kinder gilt dies ebenfalls.
Die Abrechnung der Kosten erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung, die wiederum mit dem FB
50 abrechnet. Die Kassenärztliche Vereinigung erhält hierfür keine Leistungen.
1.2. Bremer Modell
Das Bremer Modell sieht vor, dass jeder Leistungsberechtigte eine elektronische Gesundheitskarte
erhält. Mit dieser Karte wird er bis auf wenige Ausnahmen den GKV-Mitgliedern gleichgestellt.
Lediglich die Übernahme der Kosten für Langzeitpsychotherapien, Vorsorgekuren,
Rehabilitationsmaßnahmen und Zahnersatz bedürfen der vorherigen Zustimmung der Stadt.
Voraussetzung für eine solche Regelung ist ein Vertrag mit einer Krankenkasse, der u.a. den
Leistungskatalog bestimmt.

Vorlage FB 50/0061/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 06.07.2015

Seite: 2/6

Durch die Stadt müssten die Leistungsberechtigten bei der Krankenkasse an- und abgemeldet
werden. Auch wäre es Aufgabe der Stadt die elektronischen Gesundheitskarten wieder einzuziehen,
wenn kein Leistungsanspruch mehr besteht. Die Prüfung der Leistungen, die nicht vom zu
vereinbarenden Leistungskatalog erfasst sind, würde wie bisher durch die Stadt in Zusammenarbeit
mit dem Gesundheitsamt der StädteRegion erfolgen.
Die Abrechnung der entstandenen Krankenhilfekosten mit den Ärzten würde durch die Krankenkasse
erfolgen, die wiederum mit der Stadt abrechnen würde. Hierfür würde die Krankenkasse Gebühren
erheben, die auszuhandeln wären.
Die zusätzlichen Leistungen würden über den Rechtsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hinausgehen und sind damit freiwillig.
1.3. Gleichstellung mit GKV-Mitgliedern
Eine dritte Möglichkeit besteht darin, jedem Leistungsberechtigten eine elektronische
Gesundheitskarte auszustellen, mit der er den GKV-Mitgliedern völlig gleichgestellt ist. Die ärztliche
Abrechnung der entstandenen Krankenhilfekosten würde durch die Krankenkasse erfolgen, die
summarisch mit der Stadt abrechnet. Hierfür würde die Krankenkasse Gebühren berechnen.
Dieses Verfahren wird derzeit bereits auf Leistungsberechtigte angewandt, die gemäß § 2 AsylbLG
Leistungen entsprechend dem SGB XII erhalten. Diese werden gemäß § 264 SGB V bei einer
Krankenkasse angemeldet. Bisher mussten die Leistungsberechtigten 48 Monate im Leistungsbezug
des AsylbLG gestanden haben, um diese analogen Leistungen beziehen zu können. Seit dem
01.03.2015 können Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG bereits nach 15 Monaten Aufenthalt im
Bundesgebiet diese analogen Leistungen in Anspruch nehmen.
Die zusätzlichen Leistungen würden über den Rechtsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hinausgehen und sind damit freiwillig.
Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge erhalten ohnehin im Rahmen der Jugendhilfe einen
umfassenden Krankenversicherungsschutz entsprechend den Regelungen der gesetzlichen
Krankenversicherung.

2. Finanzielle Auswirkungen
2.1. Bisheriges Verfahren
Für Leistungsberechtigte nach § 4 AsylbLG wurden im Jahr 2014 insgesamt 1.694.828,61 Euro
aufgewendet. Dies ergibt pro Monat pro Kopf einen Betrag von 168,52 Euro. Die Abrechnung der
ambulanten Krankenhilfekosten erfolgt durch die Kassenärztliche Vereinigung, hierfür entstehen keine
Kosten.
2.2. Bremer Modell
Die finanziellen Auswirkungen dieses Verfahrens können nur geschätzt werden. Es ist derzeit nicht
klar, wie sich die pro Kopf Ausgaben für die Krankenhilfe bei Einführung dieses Modells entwickeln

Vorlage FB 50/0061/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 06.07.2015

Seite: 3/6

würden. Auch ist zu verhandeln, welche Kosten bei der Krankenkasse für die Abrechnung der
Leistungen entstehen und abgerechnet werden dürfen.
In Hamburg wird das Bremer Modell praktiziert. Dort fallen derzeit pro Person pro Monat 10 Euro
Bearbeitungsgebühr an. Hinzu kommen noch 8 Euro pro ausgestellte Karte.
In Aachen hätte dies in 2014 Mehrkosten von ca. 112.560 Euro für den Verwaltungsaufwand bei der
Krankenkasse bedeutet.
Es werden im Monatsdurchschnitt 838 Personen betreut. Daraus errechnen sich jährliche
Verwaltungskosten in Höhe von 838 x 10 € x 12 Monate =
Zuzüglich ca. 1.500 Karten je 8 Euro =

100.560€
12.000€

Die Auswirkung auf die tatsächlichen Krankenhilfekosten kann nicht eingeschätzt werden.
Eine Steigerung um 10 % würde Mehrkosten von jährlich 169.482 Euro zur Folge haben.
Insgesamt betragen die Mehrkosten für diese Regelung nach überschlägiger Schätzung ca.282.000 €.
2.3. Gleichstellung mit GKV-Mitgliedern
Hier können als Anhaltspunkt für die Kostenentwicklung die Kosten herangezogen werden, die im
Jahr 2014 für den Personenkreis nach dem AsylbLG, der bereits im Jahr 2014 nach § 264 SGB V bei
der Krankenkasse angemeldet war, entstanden sind. Für diesen Personenkreis muss pro Quartal für
jede angemeldete Person bei der Krankenkasse eine Kopfpauschale gezahlt werden. Diese Zahlung
ist unabhängig davon, ob Leistungen im Rahmen der Krankenhilfe erbracht wurden. Die
Kopfpauschale beträgt je nach Krankenkasse zwischen 78 und 117 Euro pro Quartal. Die
Krankenkassen stellen zusätzlich 5 % Verwaltungskosten in Rechnung. Überträgt man dies auf den
Personenkreis, der im Jahr 2014 Krankenhilfe nach dem bisherigen Verfahren erhalten hat, so wären
im Jahr 2014 zusätzliche Kosten in Höhe von 446.165 Euro entstanden.
Berechnung:
5 % Verwaltungskosten von 1.864.311 Euro (110% der Kosten 2014)
nach Gesamtkosten

=

93.215€

Kopfpauschalen durchschnittlich 97,50 Euro pro Quartal für 905 Personen
nach ausgestellten Krankenscheinen ergibt jährlich

= 352.950€.

Die Auswirkung auf die tatsächlichen Krankenhilfekosten kann nicht eingeschätzt werden.
Eine Steigerung um 10 % (möglicherweise mehr wegen des höheren Leistungsanspruches) würde
Mehrkosten von jährlich 169.482€ zur Folge haben.
Insgesamt würden überschlägig Mehrkosten in Höhe von 615.000€ entstehen.
In wieweit es durch eine Änderung im Verfahren zu Einsparungen bei den Personalkosten bei FB 50
kommt, ist nur schwer abzusehen. Abhängig vom neuen Verfahren fallen auch weiterhin Tätigkeiten
beim FB 50 an. Bei der Einführung des neuen Verfahrens bei der Stadt Hamburg wurden erhebliche
Personalkosten eingespart. Diese Einsparungen resultierten jedoch aus dem Wegfall von Aufgaben,
die derzeit nicht vom FB 50, sondern von der Kassenärztlichen Vereinigung (Verträge mit
Leistungserbringern, Direktabrechnung mit Leistungserbringern) oder vom Gesundheitsamt der

Vorlage FB 50/0061/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 06.07.2015

Seite: 4/6

Städteregion (Prüfung von Anträgen nach den Grundsätzen der § 4 und 6 AsylbLG) übernommen
werden.
3. Weitere relevante Parameter
3.1 Neue Rechtslage
Zum 01.03.2015 wurde das Asylbewerberleistungsgesetz geändert. Leistungsberechtigte wechseln
bereits nach 15 Monaten Aufenthalt im Bundesgebiet in die analogen Leistungen nach dem SGB XII,
erhalten also nach 15 Monaten den Krankenversicherungsschutz entsprechend den Mitgliedern der
GKV. Bisher lag diese Frist bei 48 Monaten.
3.2 Verkürzte Asylantragsverfahren
Es wird von Bund und Ländern angestrebt, die Verfahrensdauer der Asylantragsverfahren zu
reduzieren, so dass nach erfolgter Anerkennung ein früherer Wechsel in die Leistungen der GKV
möglich ist.
3.3 Rahmenbedingungen in Bund und Land
Dass die Regelungen der §§ 4 und 6 AsylbLG einer Überprüfung bedürfen ist allgemein anerkannt.
So hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärt, dass eine Reform der
Gesundheitsleistungen im AsylbLG der Überprüfung bedarf. Eine Reform der Gesundheitsleistungen
im AsylbLG wird daher noch im Verlauf dieser Legislaturperiode unter Beachtung der AufnahmeRichtlinie der EU angegangen (BT-Drs. 18/2184 vom 22.07.2014, Anlage 2).
Die Landesgesundheitskonferenz NRW hat am 20.11.2014 beschlossen, die Möglichkeiten eines
Rahmenvertrages nach § 264 SGB V auf Landesebene mit Beitrittsmöglichkeit für interessierte
Kommunen zu prüfen.
Die Landesregierung NRW sieht die zwingende Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung,
die Krankenkassen verpflichtet, den Zugang zur Krankenbehandlung für Asylsuchende vor Ablauf der
15-Monatsfrist auf der Grundlage des § 264 SGB V zu ermöglichen, wenn die jeweilige Gemeinde es
wünscht. Damit eine möglichst einheitliche Umsetzung realisierbar ist, hält die Landesregierung
darüber hinaus eine Rahmenvereinbarung des Landes für notwendig. Die Landesregierung wird sich
in den weiteren Gesprächen für eine gesetzliche Regelung einsetzen, die diese Voraussetzungen
erfüllt. (LT-Vorlage 16/2596 vom 15.01.2015, Anlage 3).
„Der Tagesspiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 01.03.2015, dass der Bund und die Länder
bereits seit Wochen über eine gesetzliche Regelung verhandeln, die eine bundesweite Einführung
einer Gesundheitskarte ermöglichen würde. Mit einem Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens
wird bis zum Sommer gerechnet.
3.4 Beispiel Münster
Die Stadt Münster hat bereits im November beschlossen das Bremer-Modell einzuführen.
Entsprechende Gespräche mit der AOK Bremen/Bremerhaven wurden begonnen. Laut Auskunft der
Stadt Münster hat die AOK jedoch diese Gespräche zurückgestellt, bis über eine landesweite
einheitliche Regelung für NRW entschieden wurde.
Vorlage FB 50/0061/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 06.07.2015

Seite: 5/6

4. Bewertung der Verwaltung
Die Option 1.1 (bisheriges Verfahren) ist in Aachen für die Leistungsberechtigten soweit möglich
entbürokratisiert. Anträge auf Kostenübernahme werden zeitnah und bei dringendem Bedarf
umgehend getroffen. Ermessensspielräume des Gesetzgebers werden genutzt, um eine sachgerechte
und praxisnahe Entscheidung im Sinne der Betroffenen zu treffen.
Die Option 1.2 (Bremer Modell) hat den Vorteil, dass die Leistungsberechtigten fast alle Leistungen
der GKV erhalten können und nur im Ausnahmefall die Genehmigung des FB 50 benötigen. Es
entstehen jedoch Mehrkosten von mindestens 112.560 Euro zuzüglich der Steigerung bei den
tatsächlichen Krankenhilfeaufwendungen.
Die Option 1.3 (Gleichstellung mit der GKV) hat den Vorteil, dass die Leistungsberechtigten alle
Leistungen der GKV erhalten können. Es entstehen jedoch Mehrkosten von mindestens 446.165 Euro
zuzüglich der Steigerung bei den tatsächlichen Krankenhilfeaufwendungen, die über den gesetzlichen
Anspruch nach den §§ 4 und 6 AsylbLG hinausgehen.
Die Verwaltung schlägt vor, die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge im Leistungsbezug
nach den §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz in der Stadt Aachen zurückzustellen, bis
abschließend über die Einführung von bundes- oder landesweit einheitlichen Regelungen entschieden
wurde.
Nach dem Konnexitätsprinzip gem. Art. 78Abs. 3 der Landesverfassung NRW wäre dann vom
Gesetzgeber auch eine Kostenregelung zu erwarten.

Anlage/n:
Anlage 1: Ratsantrag
Anlage 2: Antwort Bundesregierung auf Anfrage
Anlage 3: Bericht der Landesregierung zum Bremer Modell

Vorlage FB 50/0061/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 06.07.2015

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Drucksache

18/2184

18. Wahlperiode

22.07.2014

Antwort
der Bundesregierung

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Luise Amtsberg, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/1934 –

Gesundheitliche Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

„Die in Art. 1 Abs. 1 GG [GG: Grundgesetz] garantierte Menschenwürde ist
migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Dies hat das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren mit seinem Urteil vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 und
1 BvL 2/11; Rn. 121) dem deutschen Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben. Damit stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass die durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vorgesehene Ungleichbehandlung z. B.
von Asylsuchenden bei der Gewährung sozialer Leistungen zur Sicherung des
Existenzminimums unzulässig ist.
Ob eine solche Ungleichbehandlung auch beim Zugang zu Gesundheitsleistungen verfassungsrechtlich zulässig ist, bzw. inwieweit die o. g. Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts auf Gesundheitsleistungen übertragbar ist, oder
nicht, darüber liegt derzeit noch keine gerichtliche Entscheidung vor.
Als starkes Indiz aber stellte das Bundesverfassungsgericht in seiner o. g. Entscheidung klar, dass die Menschenwürde auch die „physische Existenz des
Menschen“ umfassen würde.
Mit dieser Frage hat sich die Zentrale Kommission zur Wahrung ethischer
Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (ZEKO) bei der Bundesärztekammer im Jahr 2013 mit einer ausführlichen Stellungnahme beschäftigt
(Deutsches Ärzteblatt 18/2013, S. 899 ff.). Aus Sicht der Bundesärztekammer
müssten hier „wegen der existenziellen Bedeutung von Krankheit noch strengere Maßstäbe [als bei Sozialleistungen] angewandt“ werden. Denn der Katalog des – für die Gewährung von Gesundheitsleistungen einschlägigen Fünften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) – bestünde ohnehin nur aus Leistungen, die
„das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ würden (§ 12 Absatz 1 Satz 1
SGB V). Daher besteht aus Sicht der Bundesärztekammer eine „hohe Begründungslast“, warum eine Leistung zwar generell, aber nicht für solche Patientinnen und Patienten notwendig sein soll, die dem AsylbLG unterworfen sind.

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Einen eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen haben nach dem
AsylbLG nicht nur Asylsuchende, sondern auch Geduldete, Bürgerkriegs-

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Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r

Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18. Juli
2014 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.

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Deutscher Bundestag

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

flüchtlinge, vollziehbar Ausreisepflichtige sowie deren Ehegatten bzw. Lebenspartner und deren minderjährige Kinder. All diese Personengruppen haben
nach § 4 AsylblG nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und
akuter Schmerzzustände. Die Behandlung von chronischen Erkrankungen, Beeinträchtigungen oder Traumata wird nach § 6 AsylbLG nur im Einzelfall und
dann auch nur im Ermessen zur „Sicherung des unabweisbar Unerlässlichen“
gewährt – oder eben nicht. Einen Anspruch auf diese Leistungen haben die Betroffenen nicht.
Ob bzw. in welcher Form den Personen, die dem AsylbLG unterworfen sind,
medizinisch geholfen wird, darüber entscheiden nicht – wie bei sonst allen
anderen Menschen – Ärztinnen und Ärzte, sondern medizinisch nicht fachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sozialämtern. Und dort werden seit vielen Jahren Menschen unter Hinweis auf das AsylblG
● lebensnotwendige Operationen verweigert bzw. über Monate verschleppt,
● Zahnbehandlungen abgelehnt,
● Anträge von Traumatisierten auf eine psychotherapeutische Behandlung
zurückgewiesen sowie
● Rollstühle, Hörgeräte oder Mittel zur Inkontinenzpflege als „nicht lebensnotwendig“ – vorenthalten
(vgl. die Stellungnahme des Flüchtlingsrates Berlin vom 7. Januar 2012 zur
„Novellierung der verfassungswidrigen Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes“, Anhang I, S. 32 ff.).
Die Folge davon ist, dass notwendige Krankenbehandlungen ausfallen, dass
die Zahl der Notarzteinsätze, Rettungsfahrten und Notaufnahmen steigt und
dass sich Krankheiten unnötig verschlimmern. Die Betroffenen müssen vermeidbare Schmerzen erleiden, die Verschlechterung bestehender Erkrankungen und dauerhafte Gesundheitsschäden in Kauf nehmen. Einige sterben an
den Folgen.
So gab es allein innerhalb der letzten zwölf Monate unter Asylsuchenden viele
Todesfälle bzw. Fälle schwerer körperlicher Beeinträchtigungen (vgl. Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL 22/2014):
● Im bayerischen Neuburg an der Donau nahm sich letztes Jahr ein Asylbewerber aus Uganda das Leben, nachdem das zuständige Landratsamt dem
schwer traumatisierten ehemaligen Kindersoldaten die ärztlich empfohlene
Psychotherapie vorenthalten hatte.
● Im Februar 2014 starb in Plauen (Sachsen) der tunesische Asylbewerber
A. J. in einem mehrstündigen Todeskampf, nachdem sich das Wachpersonal
seiner Gemeinschaftsunterkunft geweigert hatte, einen Krankenwagen anzufordern.
● Im April 2014 starb in Hannover das Baby einer Frau aus Ghana. Die Klinik
hatte nach Aussage der Asylbewerberin das Kind abgewiesen, da sie keinen
Krankenschein vorlegen konnte, was die Krankenhausleitung allerdings bestreitet.
● Ebenfalls im April 2014 wurden drei Mitarbeiter des Flüchtlingsaufnahmelagers in Zirndorf (Bayern) zu Geldstrafen verurteilt, weil sie sich geweigert
hatten, einem Flüchtlingskind zu helfen, obwohl es an einer Hirnhautentzündung litt. Der Junge überlebte knapp, verlor aber einen Finger und einen
Zeh.

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„Die medizinische Hilfe für Flüchtlinge in Deutschland ist schlecht – die Probleme eklatant“, so lautet das Fazit der ARD-Sendung „report München“ (vom
1. April 2014). Eine völlig gegensätzliche Ansicht vertrat in dieser Sendung
hingegen die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles (SPD).
Ihrer Ansicht nach gewähre das AsylbLG „eine vollständige [medizinische]
Grundversorgung“ – wenngleich „nur zur Behandlung akuter Erkrankungen
und Schmerzzustände“. Die auch in jener Sendung aufgegriffenen Fälle aus

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K:\Publishing\Produktion\BT\Produktion\07_Fahne\1802184\1802184.fm, 30. Juli 2014, Seite 2

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Drucksache 18/2184

Fürth und Plauen seien – so Andrea Nahles – auf „individuelles Fehlverhalten“
zurückzuführen.
Damit macht sich die Bundesministerin für Arbeit und Soziales „einen schlanken Fuß“ – und das auf dem Rücken nicht nur der Betroffenen, sondern auch
der häufig überforderten Beschäftigten. Die Mängel in der gesundheitlichen
Versorgung von Leistungsempfängern nach dem AsylbLG sind gewollt, haben
System und haben auch eine gesetzliche Grundlage: das Asylbewerberleistungsgesetz.
Erst jüngst hat der Deutsche Ärztetag 2014 Beschlüsse gefasst, um die medizinische Behandlung für Leistungsempfängerinnen und -empfänger nach
AsylbLG in Deutschland zu verbessern:
● Der weitestgehende Beschluss besteht in der Aufforderung an den Bundesgesetzgeber, den Personen, die dem AsylbLG unterworfen sind, die
gleichen Rechte bei der Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen, wie
regulär Krankenversicherten (Beschluss VII – 66).
● Zweitens wurden die Bundesländer aufgefordert, dafür Sorge zu tragen,
dass nach dem Vorbild Bremens bundesweit Verträge gemäß § 264 Absatz 1
SGB V mit den Krankenkassen geschlossen werden, die Leistungsberechtigten des AsylbLG einen unkomplizierten Zugang mittels Krankenversichertenkarte zu einer Krankenbehandlung ermöglichen (Beschluss VII –
89).
Die Bundesregierung hat im Juni 2014 – mit Blick auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 18. Juli 2012 – einen Referentenentwurf zur Überarbeitung
des AsylbLG vorgelegt. Darin macht sie jedoch keinen einzigen Vorschlag zur
Beendigung des ungleichen Zugangs zu Gesundheitsleistungen.

Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g
Der Anspruch nach § 4 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG)
umfasst die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und
Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder Linderung
von Krankheiten und Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen. Chronische
Erkrankungen, deren Behandlungen längerfristig angelegt sind, und daher regelmäßig nicht in Deutschland abgeschlossen werden können, lösen nach der
gesetzlichen Begründung zu § 4 Absatz 1 AsylbLG hingegen regelmäßig keine
Leistungspflicht nach dieser Norm aus (vgl. Bundestagsdrucksache 12/4451,
S. 9).
Der Anspruch nach § 4 Absatz 1 AsylbLG wird allerdings ergänzt durch § 6 Absatz 1 AsylbLG. Nach dieser Vorschrift können „sonstige Leistungen“ insbesondere gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder
zur Deckung der besonderen Bedürfnisse von Kindern geboten ist. § 6 Absatz 1
AsylbLG eröffnet damit den Zugang zu einer über den Leistungsumfang nach
§ 4 Absatz 1 AsylbLG hinausgehenden Gesundheitsversorgung, insbesondere
zur Behandlung chronischer oder psychischer Erkrankungen. Die Regelung gibt
der Leistungsbehörde die Möglichkeit, besonderen Bedarfen im Einzelfall gerecht zu werden. Dabei hat sie auch die grundrechtlichen Belange der Betroffenen angemessen zu berücksichtigen. Soweit verfassungsrechtlich geboten,
vermittelt diese Norm – im Wege der Ermessensreduzierung – somit auch einen
Anspruch auf Gewährung einer „sonstigen“ Gesundheitsleistung.

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Die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes liegt in der Zuständigkeit
der Länder. Über die Gewährung von Leistungen nach den §§ 4 und 6 AsylbLG
entscheiden daher die für die Durchführung des AsylbLG nach dem jeweiligen
Landesrecht zuständigen Stellen. Den Ländern obliegt es dabei auch – durch das
von ihnen gewählte System – eine sachverständige Beurteilung des medizinischen Bedarfs und eine rechtzeitige Behandlung vor Ort sicherzustellen.

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Ausgestaltung in den einzelnen Bundesländern ist unterschiedlich. In einigen Ländern werden den Leistungsberechtigten quartalsweise Behandlungsscheine ausgestellt, in anderen Bundesländern anlassbezogene Behandlungsscheine. Letztere können teilweise auch von Ärzten unmittelbar bei den Leistungsbehörden angefordert werden. Bei schweren chronischen Krankheitsfällen
und kostenintensiven Maßnahmen sehen die Behandlungsscheine teilweise Zustimmungsvorbehalte und eine Vorabprüfung durch Amtsärzte vor. Zudem gibt
es einzelne Bundesländer (die Stadtstaaten Hamburg und Bremen), die Sondervereinbarungen mit den Krankenkassen abgeschlossen haben. Hier erhalten
die Leistungsberechtigten eine Gesundheitskarte und die Krankenkassen übernehmen die Krankenbehandlung auch für die Leistungsberechtigten nach § 3
AsylbLG gegen eine mit den Ländern vertraglich vereinbarte Vergütung.
Die Auffassung, dass die Bedarfsprüfung nach den §§ 4 und 6 AsylbLG von
nicht medizinisch fachkundigen Behördenmitarbeitern – ohne Hinzuziehung externen Sachverstands – vorgenommen werde, wird nicht geteilt. Vielmehr ist der
Bundesregierung bekannt, dass die Leistungsbehörden regelmäßig externen
Sachverstand (über die behandelnden Ärzte und in komplizierten Fällen über externe Gutachter) heranziehen aber auch internen Sachverstand (Amtsarzt beim
Gesundheitsamt), insbesondere um die Notwendigkeit der Behandlung bei
schweren Krankheitsfällen, die eine längerfristige und kostenintensive Behandlung erforderlich machen, festzustellen.
Hinzu kommt, dass das Asylbewerberleistungsgesetz in medizinischen Eilfällen, deren Behandlung keinen Aufschub duldet, nicht verlangt, dass sich der
oder die Betroffene zuerst an die Leistungsbehörde wendet. Vielmehr können
die Betroffenen in diesen Fällen unmittelbar einen Arzt oder ein Krankenhaus
aufsuchen, die in diesen Fällen gesetzlich zur Behandlung der Leistungsberechtigten verpflichtet sind.
Soweit es in der Praxis dennoch zu Versorgungsausfällen kommt, sind diese
nach Auffassung der Bundesregierung nicht auf einen unzureichenden materiellen Umfang der Ansprüche nach §§ 4 und 6 AsylbLG zurückzuführen. Vielmehr
sehen diese Normen bei verfassungskonformer Auslegung ein Leistungsniveau
vor, das das medizinische Existenzminimum von Leistungsberechtigten nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährleistet.
Richtig ist aber, dass das System der Gesundheitsleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz der Überprüfung bedarf, da die – bis Mitte Juli 2015 umzusetzende – Neufassung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen
Schutz beantragen (Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 – ABl. EU L 180
vom 29. Juni 2013, S. 96 –, im Folgenden „Aufnahme-Richtlinie“) insbesondere
Regelungen in diesem Bereich fordert. Eine Reform der Gesundheitsleistungen
im AsylbLG wird daher noch im Verlauf dieser Legislaturperiode – in Umsetzung der Aufnahme-Richtlinie – angegangen werden.
Todesfälle in deutschen Asylunterkünften
1. Sind der Bundesregierung aus den Jahren 2009 bis 2014 weitere Fälle bekannt, in denen das Vorenthalten bzw. Verzögern einer medizinischen bzw.
psychotherapeutischen Behandlung bei Personen, die dem AsylbLG unterworfen sind, zu körperlichen Schäden bzw. zu Todesfällen geführt haben
(bitte nach Datum, Bundesland und Ort des jeweiligen Einzelfalls aufschlüsseln)?

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Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt.

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2. Welche Probleme bei der medizinischen Versorgung nach dem AsylbLG
sind der Bundesregierung durch Beschwerden von Betroffenen, Flüchtlingsorganisationen und Leistungserbringern bekannt?

Leistungserbringer und deren Verbände thematisierten gegenüber der Bundesregierung insbesondere das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Oktober 2013 (B 7 AY 2/12 R). In dieser Entscheidung hat das BSG die – in der
instanzgerichtlichen Rechtsprechung zuvor einhellig anerkannte – Anwendung
des Nothelferanspruchs nach § 25 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB XII) im AsylbLG abgelehnt. Die Leistungserbringer kritisierten, dass
diese Rechtsprechung des BSG das Risiko von Entgeltausfällen begründe; denn
(Zahn-)Ärzte und Krankenhäuser könnten zukünftig gegenüber den Leistungsträgern nach dem AsylbLG keine unmittelbare Erstattung der Behandlungskosten mehr geltend machen, die ihnen durch die in Eilfällen an Asylbewerber
geleistete medizinische Nothilfe entstanden sind. Es bestehe gesetzgeberischer
Handlungsbedarf, um die adäquate Finanzierung der Krankenbehandlung des
betroffenen Personenkreises auch in Notfällen sicherzustellen.
Das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat dieses Anliegen der Leistungserbringer aufgegriffen. Der aktuelle Referentenentwurf zur
Änderung des AsylbLG sieht deshalb die Schaffung eines Nothelferanspruchs
nach dem Vorbild von § 25 SGB XII vor. Hiermit soll den berechtigten Interessen von Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern Rechnung getragen und zugleich die angemessene medizinische Versorgung von Leistungsberechtigten
nach dem AsylbLG sichergestellt werden.
Weiterhin liegen der Bundesregierung Schreiben von Flüchtlingsorganisationen
und Sozialverbänden vor, die Änderungsbedarf bei den Gesundheitsleistungen
nach dem AsylbLG geltend machen. Die Kritik der Verbände zielt insbesondere
auf das gegenüber dem SGB XII abweichende Leistungsniveau der §§ 4, 6
AsylbLG sowie auf die in einigen Bundesländern geltende Verwaltungspraxis
der Behandlungsscheine, die Leistungsberechtigte – anders als Krankenversicherte – im Regelfall vor einer medizinischen Behandlung – einholen müssen.
Weitere Themen sind die Gesundheitsversorgung von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, die bei den Behörden nicht gemeldet sind, sowie die Anpassung der Gesundheitsleistungen entsprechend den Vorgaben der AufnahmeRichtlinie. Einige dieser Punkte wurden auch im Rahmen der Verbändeanhörung zum aktuellen Gesetzentwurf zur Änderung des AsylbLG vorgebracht.
3. Erkennt die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen den Regelungen zur medizinischen Versorgung und deren Kostenübernahme im
AsylbLG und dem berichtetem Verzögern und Verweigern von medizinischen bzw. psychotherapeutischen Behandlungen bei Personen, die dem
AsylbLG unterliegen (bitte begründen)?

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Die alternativen Anwendungsvarianten der §§ 4 und 6 AsylbLG erlauben nach
Auffassung der Bundesregierung bereits heute eine angemessene gesundheitliche Versorgung der Leistungsberechtigten. Ergänzend wird auf die Ausführungen zu diesen Regelungen in der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.

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4. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um zu verhindern, dass
ärztliches Personal, Betreiber von Asylunterkünften sowie Angehörige von
Wachschutzdiensten wegen rechtlicher oder ökonomischer Unsicherheiten
notwendige Behandlungen hinauszögern oder unterlassen, damit, wie in der
Vorbemerkung der Fragesteller genannten Todesfälle und Körperschädigungen in Zukunft nicht mehr vorkommen?

Die angesprochenen Maßnahmen betreffen die Ebene des Verwaltungsvollzugs.
Die Ausführung des AsylbLG, einschließlich des Betriebs von AsylbewerberUnterkünften sowie der Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem
AsylbLG mit Gesundheitsleistungen, liegt gemäß Artikel 83 des Grundgesetzes
(GG) in der Verantwortung der Länder und Kommunen. Diese sind auch dafür
zuständig, eine ordnungsgemäße Leistungsverwaltung sicherzustellen. Zu den
hierzu von den Ländern und Kommunen ergriffenen oder geplanten Maßnahmen kann die Bundesregierung keine Aussage treffen.
Umfang des Verbots einer „migrationspolitischen Relativierung“ der Menschenwürde
5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die im AsylbLG vorgesehene
Ungleichbehandlung beim Zugang zu Gesundheitsleistungen einen ungleichen Schutz des Lebens bzw. der körperlichen Unversehrtheit der Betroffenen nach sich zieht und damit ebenfalls eine unzulässige „migrationspolitische Relativierung“ der Menschenwürde darstellt?
a) Wenn ja, warum schlägt die Bundesregierung in ihrem Referentenentwurf zur Änderung des AsylbLG nicht auch eine Beendigung des ungleichen Zugangs zu Gesundheitsleistungen vor?
b) Wenn nein, warum nicht?

Die in der Frage 5 dargelegte Position wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass die alternativen Anwendungsvarianten der §§ 4 und 6 AsylbLG eine angemessene gesundheitliche Versorgung der
Leistungsberechtigten ermöglichen.
Nach diesen Normen haben Personen, die in den personalen Anwendungsbereich des AsylbLG fallen, während der Zeit des ersten Aufenthalts (§ 2 Absatz 1
AsylbLG) Anspruch auf eine gesundheitliche Grundversorgung. Besondere Bedeutung kommt dabei der Öffnungsklausel des § 6 Absatz 1 AsylbLG zu. Diese
Regelung ermöglicht den zuständigen Leistungsbehörden, im Einzelfall eine
über den Leistungsumfang nach § 4 Absatz 1 AsylbLG hinausgehende medizinische Versorgung, etwa zur Behandlung chronischer oder psychischer Erkrankungen, zu gewähren. Bei der Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen des § 6
Absatz 1 AsylbLG sowie bei der pflichtgemäßen Ausübung des darin eröffneten
Ermessens sind von der zuständigen Leistungsbehörde auch die grundrechtlichen Belange der Leistungsberechtigten – einschließlich des Grundrechts auf
Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG) – zu beachten. Die §§ 4, 6 AsylbLG gewährleisten damit eine differenzierte Gesundheitsversorgung, die – unter Berücksichtigung (u. a.) der voraussichtlichen weiteren Aufenthaltsdauer der Leistungsberechtigten – eine Versorgung mit dem
medizinischen Existenzminimum sicherstellt.

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Eine Änderung dieser Normen ist daher im aktuellen Referentenentwurf zur Reform des AsylbLG nicht vorgesehen. Dieser beschränkt sich weitgehend auf
eine enge Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner
Entscheidung vom 18. Juli 2012. Darin hat das Gericht diese Normen nicht beanstandet.

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Drucksache 18/2184

Einen Reformbedarf im Bereich der Gesundheitsleistungen für Grundleistungsbezieher nach dem AsylbLG (§§ 4, 6 AsylbLG) erkennt die Bundesregierung
jedoch aufgrund der Vorgaben der Aufnahme-Richtlinie zur Gesundheitsversorgung an. Über die Ausgestaltung dieser Reform soll jedoch erst im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Richtlinie im weiteren Verlauf dieser Legislaturperiode entschieden werden. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 9
verwiesen.
6. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bei dem eingeschränkten
Zugang zu Gesundheitsleistungen nach dem AsylbLG strengere Maßstäbe
gelten müssten, als bei der vom Bundesverfassungsgericht monierten Ungleichheit beim Zugang zu Sozialleistungen, zumal nach § 12 Absatz 1
SGB V nur solche Gesundheitsleistungen gewährt werden, die „das Maß
des Notwendigen nicht überschreiten dürfen“ (vgl. Stellungnahme der
ZEKO von 2013)?
Wenn nein, warum nicht?

Die §§ 4 und 6 AsylbLG sind nach Auffassung der Bundesregierung geeignet,
die Versorgung der Leistungsberechtigten nach den §§ 3 ff. AsylbLG mit existenznotwendigen Gesundheitsleistungen sicherzustellen. Im Übrigen wird auf
die Antwort zu Frage 5 sowie auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen.
Die medizinische Versorgung nach dem AsylbLG
7. Wie ist es – mit Blick auf den eigenen Anspruch der Bundesregierung („das
Asylbewerberleistungsgesetz gewährleistet eine vollständige medizinische
Grundversorgung zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen“) – zu rechtfertigen, wenn Personen gegebenenfalls lebensnotwendige Operationen verweigert, Traumatisierten eine psychotherapeutische
Behandlung vorenthalten bzw. Rollstühle, Hörgeräte oder gar Mittel zur Inkontinenzpflege abgelehnt werden, auch wenn dies ärztlicherseits angeordnet worden ist?

Die Prüfung und Beurteilung der im Einzelfall zu gewährenden Gesundheitsleistungen nach den §§ 4, 6 AsylbLG erfolgt durch die zuständigen Leistungsbehörden der Länder. Zu einzelnen Leistungsfällen kann die Bundesregierung
daher keine Aussage treffen. Die Länder führen das AsylbLG als eigene Angelegenheit aus. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen.
8. Wie verhalten sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Folgekosten, die
sich aus dem berichteten Vorenthalten bzw. dem Verzögern einer objektiv
notwendigen medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlung ergeben (Verschlimmerung des Krankheitsbildes, aber auch die darauf zurückzuführende Zahl von Notarzteinsätzen, Rettungsfahrten und Notaufnahmen) zu den Kosten, die entstünden, wenn diese Menschen die ärztlich angeordnete Hilfe unmittelbar erhielten?

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Da die Länder das AsylbLG als eigene Angelegenheit ausführen (vgl. Antwort
zu den Fragen 4 und 7), haben sie auch die Kosten dieses Gesetzes zu tragen (Artikel 104a Absatz 1 GG). Dies gilt auch für die Kosten der Krankenhilfeleistungen nach den §§ 4, 6 AsylbLG bzw. nach den § 2 Absatz 1 AsylbLG i.V. m.
§§ 47 ff. SGB XII. Zu eventuellen Folgekosten, die sich aufgrund der jeweiligen
Gewährungspraxis eines Landes bei den Gesundheitsleistungen nach dem
AsylbLG ergeben könnten, liegen der Bundesregierung daher keine Erkennt-

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nisse vor. Gleiches gilt für die Frage, wie es sich auf die Gesundheitsausgaben
eines Landes im Bereich des AsylbLG auswirken würde, wenn ein Land seine
Gewährungspraxis ändern würde; auch hierzu kann die Bundesregierung keine
Aussage treffen.
9. Warum haben z. B. unbegleitete Minderjährige oder Traumatisierte gemäß
§ 6 Absatz 2 AsylbLG nur dann einen Anspruch auf eine uneingeschränkte medizinische Versorgung, wenn sie als sog. vorübergehend
Schutzbedürftige eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Absatz 1 des
Aufenthaltsgesetzes erhalten haben?

Mit der Vorschrift des § 6 Absatz 2 AsylbLG wurde Artikel 13 Absatz 4 der
Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die
Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der
Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. Nr. L 212 vom 7.8.2001,
S. 12, im Folgenden: „Massenzustrom-Richtlinie“) umgesetzt. Diese Richtlinienbestimmung sieht aus humanitären Erwägungen im Bereich der medizinischen Versorgung eine Privilegierung für vorübergehend geschützte Personen
mit besonderen Bedürfnissen vor, zu denen nach der Richtlinie unter anderem
unbegleitete Minderjährige oder Opfer schwerer Gewalt gehören (Bundestagsdrucksache 15/4173, S. 28).
Dementsprechend erfasst § 6 Absatz 2 AsylbLG allein Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 AsylbLG, die nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sind, also „wegen des Krieges in ihrem Heimatland“ (§ 1 Absatz 1
Nummer 3 AsylbLG) aufgrund eines Ratsbeschlusses der EU im Sinne des
Artikels 5 der Massenzustrom-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz in
Deutschland aufgenommen worden sind. Nur für diesen Personenkreis, sofern
es sich um Personen mit besonderen Bedürfnissen im Sinne der Richtlinie handelt, sieht § 6 Absatz 2 AsylbLG einen Anspruch auf diese medizinische oder
sonstige Hilfe vor.
Ein vergleichbarer Reformbedarf ergibt sich jedenfalls nunmehr aufgrund der
Neufassung der Aufnahme-Richtlinie, die bis Mitte Juli 2015 in deutsches Recht
umzusetzen ist. Diese sieht für Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen eine
Gesundheitsversorgung vor, die im Bedarfsfall insbesondere auch eine geeignete psychologische Betreuung umfasst (Artikel 19 Absatz 2 RL). Die Bundesregierung wird die Umsetzung dieser Richtlinienvorgaben alsbald in Angriff
nehmen. In einem ersten Reformschritt sollen jedoch zunächst die Vorgaben aus
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012 umgesetzt werden.
Hierzu dient der aktuell vorliegende Referentenentwurf zur Änderung des
AsylbLG, der derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird.
10. Wie viele Personen haben seit dem Jahr 2005 jährlich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes erhalten – waren
also leistungsberechtigt nach § 6 Absatz 2 AsylbLG?

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Bisher ist kein Beschluss des Rates der Europäischen Union nach Artikel 5 der
Richtlinie 2001/55/EG gefasst worden. Daher wurden derartige Aufenthaltserlaubnisse nicht erteilt.

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11. Warum erhalten nicht auch die übrigen Personen, die dem AsylbLG unterworfen sind, einen gleichwertigen Schutz ihrer Grundrechte auf Leben,
körperliche Unversehrtheit und auf den Schutz ihrer Menschenwürde?

Es wird auf die Antwort zu den Fragen 5, 6 und 9 verwiesen.
Die Rolle von Sozialämtern bei der medizinischen Versorgung nach dem
AsylbLG
12. Ist es zutreffend, dass über die Ausstellung eines Krankenscheins für Leistungsberechtigte des AsylbLG (und damit über den Zugang dieser Menschen zu einer medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlung)
medizinisch nicht fachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den
Sozialämtern entscheiden?
Wenn ja, hält die Bundesregierung dies medizinethisch für vertretbar (bitte
begründen)?
13. Nach welchen objektiven bzw. für alle Beteiligten transparenten und verständlichen Vorgaben entscheiden nach Kenntnis der Bundesregierung die
Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Sozialämter über die Behandlungsbedürftigkeit?
14. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass die hier
in Rede stehenden Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter fachlich in der
Lage sind, über die Behandlungsbedürftigkeit sachgerecht zu entscheiden?
15. Sind die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter nach Kenntnis der
Bundesregierung insbesondere darin geschult, psychische Störungen zu
erkennen?

Die Fragen 12 bis 15 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Fragen, die die Verfahrensgestaltung, die Qualifikation bzw. Fortbildung
von Mitarbeitern und die Verwaltungspraxis betreffen, liegen in der Zuständigkeit der Länder. Der Bundesregierung liegen dazu und zu den Kriterien, die
über die gesetzlichen Vorgaben nach den §§ 4, 6 AsylbLG hinaus die Entscheidungsgrundlage für die behördlichen Mitarbeiter darstellen, keine Erkenntnisse
vor. Richtig ist aber, dass einzelne Leistungserbringer und Verbände gegenüber
der Bundesregierung den Umstand, dass die Entscheidung über den Zugang zu
medizinischen Leistungen und damit über die Behandlungsbedürftigkeit von
Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG von medizinisch nicht fachkundigem Personal getroffen wird, kritisiert haben (vgl. Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 2013,
S. 900).
16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Probleme bei der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit aufgrund von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern der Sozialämter und den erkrankten Personen?
17. Nach welchen Vorgaben werden in den Ländern nach Kenntnis der Bundesregierung qualifizierte Dolmetscherinnen und Dolmetscher bei der Beantragung von medizinischen Leistungen hinzugezogen?

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Die Fragen 16 und 17 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

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Fragen, die die Verwaltungspraxis im Umgang mit Sprachproblemen und den
Einsatz von Dolmetschern betreffen, liegen in der Zuständigkeit der Länder.
Der Bundesregierung ist bekannt, dass Sprachprobleme beim Vollzug des
AsylbLG eine Rolle spielen können. Leistungsberechtigten kann daher nach § 6
Absatz 1 AsylbLG ein Anspruch auf Dolmetscherkosten eröffnet sein, wenn die
Hinzuziehung eines Dolmetschers im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit
unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten
oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich ist. Im Übrigen liegen der Bundesregierung zu den angesprochenen Punkten
keine Erkenntnisse vor.
18. Sind der Bundesregierung Beschwerden aus der Praxis darüber bekannt,
dass die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Sozialämtern
überhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Erkrankungen
stellen?

Es wird auf die Antwort zu den Fragen 12 bis 15 verwiesen.
19. Welche Kosten entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung Bund, Ländern und Kommunen durch den Personalaufwand zur Bearbeitung entsprechender Anträge auf medizinische Behandlung?

Fragen, die die Kosten des Personalaufwands für das Sonderleistungssystem
nach den §§ 4, 6 AsylbLG betreffen, liegen in der Zuständigkeit der Länder.
Dem Bund entstehen in diesem Zusammenhang keine Kosten, da die Ausgaben,
die sich aus der Ausführung des AsylbLG ergeben, von den Ländern zu tragen
sind. Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen.
Bremer Modell
20. Welche Bundesländer bzw. welche Kommunen wenden im Hinblick auf
die medizinische Versorgung von Personen, die dem AsylbLG unterworfen sind, das sog. Bremer Modell an (haben also Verträge mit den Krankenkassen gemäß § 264 Absatz 1 SGB V geschlossen, um diesen Menschen einen unkomplizierten Zugang mittels einer Krankenversichertenkarte zu einer Krankenbehandlung zu ermöglichen)?

Das Bremer Modell wird in den Bundesländern Hamburg und Bremen praktiziert. Die Leistungsberechtigten nach § 3 AsylbLG werden hier im Rahmen einer
Vereinbarung nach § 264 Absatz 1 SGB V durch die AOK Bremen/Bremerhaven
betreut. Die Leistungsberechtigten erhalten von der AOK eine Krankenversicherungskarte. Die Einhaltung der §§ 4, 6 AsylbLG wird durch die AOK und die
Leistungsbehörden sichergestellt.
In Berlin wird nicht das Bremer Modell praktiziert, sondern eine bereits zu Zeiten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) abgeschlossene Vereinbarung mit
der AOK Nordost nach § 264 Absatz 1 SGB V fortgeführt. Die Leistungsberechtigten erhalten hier keine Gesundheitskarte, sondern Behandlungsscheine.

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Ob einzelne Leistungsbehörden in den anderen Bundesländern Sondervereinbarungen nach § 264 Absatz 1 SGB V mit einer Krankenkasse abgeschlossen
haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt.

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21. Erkennt die Bundesregierung bei diesem „Bremer Modell“ positive Aspekte zum einen aus Sicht der Betroffenen (z. B. Asylsuchenden), aber
auch in der öffentlichen Verwaltung bzw. der Verwaltung der Krankenkassen, und wenn ja, welche (z. B. Verringerung von Personalkosten)?
22. Hat die Bundesregierung vor – z. B. im Rahmen der sog. Gesundheitsministerkonferenz – für die Anwendung dieses „Bremer Modells“ zu werben, und wenn nein, warum nicht?

Die Fragen 21 und 22 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Das Modell der Sondervereinbarung bedarf noch der Evaluation. Eine Nachfrage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ergab, dass dazu in Hamburg eine interne Bewertung der Umstellung stattfindet.

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Die Bundesregierung vertritt grundsätzlich die Auffassung, dass die Ausführung
des AsylbLG und damit auch der Vollzug der Gesundheitsleistungen gemäß
Artikel 83 GG Ländersachen sind. Die Bundesregierung wird jedoch den Erfahrungsbericht aus Hamburg sorgfältig auswerten. Das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat bereits im Frühjahr 2014 angeregt, dass
dieser Erfahrungsbericht in der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlingsfragen diskutiert werden soll, damit alle Länder über diesen informiert sind.

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Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-8333

Ministerium fOr Gesundheit,
Emanzipation, Pflege und Alter
des landes Nordrhein-Westfalen

Die Ministerin

MGEPA Nordrhein-Westfalen • 40190 Düsseldorf .

An die
Präsidentin des L~ndtags
Nord rhein-Westfalen
Frau Carina Gädecke MdL
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf

1

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Für den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales

As-.

Januar 2015

Sitzung des Ausschusses für Arbeit,Gesundheit und Soziales am
21. Januar 2015
Bericht über die Haltung der Landesregierung zum "Bremer
. Modell - Gesundheitsversorgung Asylsuchender"

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
die Fraktion der CDU hat· um einen schriftlichen Bericht zum o.a.
Thema gebeten. Dieser Bitte entsprechend übersende ich Ihnen den
beigefügten Bericht.
Für die Weiterleitung an die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit,
Gesundheit und Soziales wäre ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Horionplatz 1
40213 Düsseldorf
www.mgepa.nrw.de
.Telefon +49 211 8618-4300

Barbara Steffens

Telefax +49 211 8618-4550
barbara.steffens@mgepa.nrw.de
Öffentliche Verkehrsmittel:
Rheinbahn Linien 704, 709
und 719 bis Haltestelle
Landtag/Kniebrücke

Bericht des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege.
und Alter über die Haltung der Landesregierung zum "Bremer
Modell ~ Gesundheitsversorgung Asylsuchender"
für den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf
Antrag der Fraktion der CDU

Seit 2005 erfolgt in Bremen und seit Juli 2012 in Hamburg die
Krankenbehandlung für Leistungsberechtigte nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in den ersten 4 Jahren
(demnächst 15 Monaten) des Aufenthalts auf der Basis eines
Vertrages nach § 264 Abs. 18GB V zwischen 80zialbehörde und der
AOK Bremen/Bremerhaven. Sie erhalten. dabei von Anfang an eine
Krankenversicherungskarte und haben den direkten Zugang zu den
ambulanten Behandlungen wie gesetzlich Versicherte, d.h. ohne
vorherige Ausstellung. eines Berechtigungsscheines durch die
Kommune.
Der Umfang des Leistungsanspruchs ergibt sich aus §§ 4 und 6
AsylbLG. ,Vertraglich ist jedoch festgelegt,' dass grundsätzlich das
Leistungsspektrum . des 8GB V gilt, soweit nicht ausdrücklich
Ausnahmen vereinbart sind. Leistungen, die nicht oder nur unter
bestimmten
Bedingungen
(z.B.
Prüfvorbehalte
durch
die
Sozialbehörde bei' Psychotherapien, Sehhilfen' und Zahnersatz)
gewährt werden dürfen~ sind· in den Vertragsvereinbarungen
festgelegt.
Die entstandenen Behandlungskosten sowie eine Verwaltungs'. pauschale (ca. 125 € pro Person und Jahr) werden der Krankenkasse
von der Leistungsbehörde erstattet.
Bewertung

Das Modell bringt sowohl für die Leistungsbehörde als auch für die
Leistungsberechtigten Vorteile: Auf Seiten der Sozialbehörde entfällt
nach den Informationen aus Hamburg hoher administrativer Prüf- und
Abrechnungsaufwand mit entsprechendem Einsparpotential. Für die
Leistungsberechtigten entfällt die jeweils notwendige Beantragung
eines Behandlungsscheines und sie erhalten - mit· den oben
skizzierten Einschränkungen - unkomplizierten Zugang zur Regelversorgung (Entstigmatisierung).

Die Landesregierung ist an der Einführung der Gesundheitskarte
aufgrund einer Vereinbarung. nach § 264 Abs. 18GB V interessiert
und möchte es jeder Kommune als Kostenträgerin nach dem AsylbLG
ermöglichen, eine entsprechende Vereinbarung schließen zu können,
wenn sie dies will.
Hierzu hat auch die Landesgesundheitskonferenz mit ihrer aktuellen
Entschließung "Für ein solidarisches Gesundheitswesen in NRW Gesundheitliche Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen .
verbessern" eine entsprechende Empfehlung formuliert.
Grundsätzlich hält die Landesregierung eine Abschaffung .des
AsylbLG bzw. die generelle Überleitung der medizinischen Leistungen
nach dem AsylbLG auf die Krankenkassen (analog der Regelung in
§ 264 Abs. 2 SGB V für Leistungsempfängerinnen und ~ empfänger
. nach SGB XII) und einer Kostentragungspflicht des Bundes im Sinne
der Vorschläge des Bundesrates (Beschluss vom 10.10.2014 Drucksache 392/14) für besser geeignet, die Gesundheitsversorgung
der Asylbewerberinnen und Asylbewerber deutlich zu verbessern und
zugleich
Länder und
Kommunen von den
Kosten der
Gesundheitsversorgung des betroffenen Personenkreises wirksam
und dauerhaft zu entlasten. Dies ist derzeit jedoch nicht
mehrheitsfähig.
Bund und Länder haben sich im Rahmen der Beratungen' zur
Änderung des AsylbLG im Dezember über ein "Gesamtkonzept zur·
Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und
Unterbringung von Asylbewerbern" verständigt. Diese Vereinbarung
enthält unter Ziffer 7 einen Prüfauftrag , "wie es den interessierten
(Flächen)Ländern ermöglicht wird, die Gesundheitskarte für
Asylbewerber einzuführen, mit dem Ziel, dem Deutschen Bundestag
einen entsprechenden Gesetzentwurf zuzuleiten." Diesen Prüfauftrag
gilt es nunmehr konkret umzusetzen .

.Rahmenbedingungen für eine Übertragung des Modells auf
. Nordrhein-Westfalen

Der Vollzug des AsylbLG mit dem Ausführungsgesetzzum AsylbLG ist
in Nordrhein-Westfalen den Gemeinden übertragen worden, die es in
eigener Zuständigkeit als pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit
durchführen. Dies beinhaltet die eigenverantwortliche und nach
pflichtgemäßem
Ermessen
im
Rahmen
der
gesetzlichen
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Bestimmungen
zu
treffende
Entscheidung'
über
die
Leistungsgewährung - auch im Hinblick auf die Krankheitsversorgung
nach §§ 4 und 6 AsylbLG.
Die Gemeinden tragen die Kosten für die Durchführung des AsylbLG.
Das Land beteiligt sich an. den mit der Durchführung des
Asylbewerberleistungsgesetz~s verbundenen Aufwendungen.
Auf Grund dessen können derzeit auch ausschließlich die Gemeinden
bei einem Vertragsabschluss im Hinblick auf § 2648GB V
Vertragspartner der Krankenkassen sein. Bereits zum jetzigen
Zeitpunkt werden Leistungsberechtigte, die Leistungen nach § 2
AsylbLG erhalten, nach §264 Abs. 28GB V von den gesetzliche'n
Krankenkassen betreut; sie sind jedoch dadurch nicht gesetzlich
krankenversichert. Die Gemeinden erstatten der Krankenkasse die
entstehenden Kosten.
Ein Vertragsabschluss für die übrigen Asylbewerberinnen und bewerber setzt nach geltendem Recht aber voraus, dass
Krankenkassen zu einem entsprechenden Vertragsabschluss nach §
264 Abs. 18GB V bereit sind. Nach informellen Gesprächen mit
einigen großen Regionalkassen stehen diese einer freiwilligen
Vereinbarung bisher ablehnend gegenüber. Damit zeigt sich deutlich
eine faktische - nicht rechtliche - Problematik der geltenden Regelung.
Die Landesregierung sieht daher die zwingende Notwendigkeit einer
bundesgesetzlichen Regelung, die Krankenkassen verpflichtet, den
Zugang zur Krankenbehandlung für Asylsuchende vor Ablauf der 15Monatsfrist auf der Grundlage des § 2648GB V zu ermöglichen, wenn
die jeweilige Gemeinde es wünscht. Damit eine möglichst einheitliche
. Umsetzung realisierbar ist, hält die Landesregierung darüber hinaus
eine Rahmenvereinbarung des Landes für notwendig.
Die Landesregierung wird sich in den weiteren Gesprächen für eine
gesetzliche Regelung einsetzen, die diese Voraussetzungen erfüllt.

3

Horionplatz 1

40213 Düsseldorf
www.mgepa.nrw.de

211 861
211 8618-4550

Öffentliche Verkehrsmittel:

704, 709

Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW

Ansprechpartner:

An den
Landtag Nordrhein-Westfalen
Innenausschuss
z. Hd. Herrn Norbert Krause
Postfach 10 11 43
40002 Düsseldorf

16

STELLUNGNAHME

Frau Friederike Scholz/Städtetag
NRW
Tel.-Durchwahl: - 0221/3771-440
Herr Dr. Markus Faber/Lkt NRW
Tel.-Durchwahl: 0211/300 491-210

16/2725

Dr. Matthias Menzel/StGB NRW
Tel.-Durchwahl: - 0211/4587-234

A09, A19

E-Mail:
Matthias.Menzel@kommunen-innrw.de
Aktenzeichen: III/2 501
51.21.06 N
Datum:

15.04.15/Me

Anonyme Krankenkarte einführen - Medizinische Versorgung für Flüchtlinge in
Nordrhein-Westfalen sicherstellen
Antrag der Fraktion der Piraten, Drucksache 16/6675
Ihr Schreiben vom 6. Februar 2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit o. g. Schreiben haben Sie uns die Drucksache 16/6675 der Fraktion der Piraten übersandt und uns darüber informiert, dass der Innenausschuss des Landtags NRW beschlossen
habe, zu diesem Beratungsgegenstand eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Sie haben
uns gebeten, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.
Dieser Bitte kommen wir nachfolgend gerne nach:
1. Der Antrag der Fraktion der Piraten zielt unter Ziffer 3.1. darauf ab, dass für alle Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nach §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz die Einführung einer Krankenversicherungskarte in Kooperation mit der
GKV analog dem Bremer Modell geprüft werden soll.
Nach unserer Kenntnis führen aktuell die Länder - und damit auch das Land NordrheinWestfalen - Gespräche mit dem Bund zu der Frage, ob und inwieweit in den Ländern eine
Gesundheitskarte für Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
eingeführt werden soll. Gegenstand der Diskussion ist auch die Möglichkeit des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung durch die Länder mit einer Krankenkasse, auf deren Grundlage dann die Kommunen auf freiwilliger Basis die Gesundheitskarte von Asylbewerbern
einführen können.
Städtetag NRW
Gereonstraße 18 - 32
50670 Köln
Tel. 0221 / 3771-0
www.staedtetag-nrw.de

Landkreistag Nordrhein-Westfalen
Kavalleriestraße 8
40213 Düsseldorf
Tel. 0211 / 300491-0
www.landkreistag-nrw.de

Städte- und Gemeindebund NRW
Kaiserswerther Str. 199/201
40474 Düsseldorf
Tel. 0211 / 4587-1
www.kommunen-in-nrw.de

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Die kommunalen Spitzenverbände stehen der Einführung einer Gesundheitskarte auf freiwilliger Basis angesichts der damit einhergehenden und integrationspolitisch zu begrüßenden Vorteile für Flüchtlinge grundsätzlich offen gegenüber. Gleichwohl bleiben vor Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit Optionsmöglichkeit für interessierte Kommunen,
die an das Modell in Bremen oder Hamburg angelehnt ist, einige Fragen im Detail zu klären.
Die in Bremen und Hamburg praktizierten Regelungen lassen sich nicht ohne weiteres auf
Nordrhein-Westfalen übertragen. Dies beruht u. a. auf ihrem spezifischen Status als Stadtstaaten. Wir halten es in jedem Fall für unabdingbar, dass die Landesregierung vor Abschluss einer Rahmenvereinbarung Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden
führt. In diesem Zusammenhang müsste zwingend geklärt werden, ob die Gesundheitskarte
in Nordrhein-Westfalen überhaupt wirtschaftlich tragfähig ist. Zu klären ist insbesondere
auch der genaue Leistungsumfang einer entsprechenden Gesundheitskarte für Empfänger
und Empfängerinnen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Unbeschadet von der Frage der Einführung einer Krankenversicherungskarte in Kooperation mit der GKV analog dem Bremer Modell hielten wir jedoch eine echte Versicherbarkeit
von Asylbewerbern und Flüchtlingen in der gesetzlichen Krankenversicherung für den
richtigen Weg, soweit dadurch die kommunale Ebene von dem Problem der Krankheitskosten von Asylbewerbern entlastet würde. Das setzt allerdings voraus, dass ein fester monatlicher Beitrag für eine solche Versicherungslösung festgelegt wird, und die Versicherungsbeiträge dann durch eine Kostenerstattung im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes abgegolten würden.
2. Unter 3.2 und 3.3 des Antrags der Fraktion der Piraten erfolgen im Einzelnen Ausführungen im Hinblick auf Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus. Zunächst müssen
wir darauf hinweisen, dass für uns nicht eindeutig erkennbar ist, welcher Personenkreis
konkret gemeint ist. Nach unserem Verständnis könnten solche Personen angesprochen
sein, die den Behörden nicht bekannt sind, weil sie vermutlich wegen der Sorge um Abschiebung ihren Namen der zuständigen Stelle nicht mitteilen möchten. Zu dieser Einschätzung sind wir deshalb gekommen, weil eine anonyme Gesundheitskarte für behördlich bekannte Personen weniger sinnvoll erscheint.
Nach der Vorstellung der Fraktion der Piraten soll für diesen Personenkreis ein Modellversuch für einen "Anonymen Krankenschein" durchgeführt werden. An dieser Stelle müssen
wir deutlich darauf hinweisen, dass wir uns strikt gegen einen solchen Modellversuch aussprechen. Die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Aufenthaltsrechtes
sehen aus guten Gründen nicht vor, dass Personen in Deutschland leben, ohne sich bei den
zuständigen Behörden zu melden. Daher ist es auch nicht folgerichtig, diesen Personenkreis im Hinblick auf gesundheitliche Leistungen zu privilegieren, indem anonyme Krankenscheine ausgestellt werden. Dies käme einer Duldung oder Teillegalisierung des Verhaltens der betroffenen Personen gleich.
Die Ausgabe von anonymen Krankenscheinen hätte im Übrigen zur Folge, dass diese
Krankenscheine unter dem betroffenen Personenkreis weitergereicht werden könnten.
Auch dies dürfte weder sinnvoll noch zielführend sein.
Eine Privilegierung von Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus dahingehend, dass
die Übermittlungspflichten gemäß § 87 des Aufenthaltsgesetzes auf die öffentliche Seite
beschränkt werden, die der Gefahrenabwehr und der Strafrechtspflege dienen, wird von
den kommunalen Spitzenverbänden ebenfalls abgelehnt. Solche Privilegierungen hätten

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zur Folge, dass immer mehr den Behörden namentlich nicht bekannte Personen aus Staaten
außerhalb der Europäischen Union Zuflucht in Deutschland suchen würden. Dies kann
aber nicht im Interesse eines geordneten Staatswesens sein.
Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung

Verena Göppert
Beigeordnete
des Städtetages Nordrhein-Westfalen

Dr. Marco Kuhn
Erster Beigeordneter
des Landkreistages Nordrhein-Westfalen

Horst-Heinrich Gerbrand
Beigeordneter
des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen