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Vorlage-Sammeldokument

                                    
                                        Der Oberbürgermeister

Vorlage
Federführende Dienststelle:
Fachbereich Immobilienmanagement
Beteiligte Dienststelle/n:
Bauaufsicht
Dezernat VI
Fachbereich Geoinformation und Bodenordnung
Fachbereich Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen
Fachbereich Wohnen

Vorlage-Nr:
Status:
AZ:
Datum:
Verfasser:

FB 23/0069/WP17
öffentlich
23.02.2015
FB 23/01

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und teilräumliche
Ausdifferenzierung
Beratungsfolge:

TOP:__

Datum

Gremium

Kompetenz

10.03.2015
26.03.2015
06.05.2015

WLA
PLA
B6

Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme

Beschlussvorschlag:
Der Wohnungs– und Liegenschaftsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis. Er beauftragt die
Verwaltung, die im Fazit der Vorlage beschriebenen Aufträge zu bearbeiten und hierauf aufbauend das „Neue Aachener
Handlungskonzept Wohnen“ zu entwickeln und zur Beschlussfassung vorzulegen.
Der Planungsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis. Er beauftragt die Verwaltung, die im
Fazit der Vorlage beschriebenen Aufträge zu bearbeiten und hierauf aufbauend das „Neue Aachener Handlungskonzept
Wohnen“ zu entwickeln und zur Beschlussfassung vorzulegen.
Die Bezirksvertretung Aachen-Richterich nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

finanzielle Auswirkungen

Investive

Ansatz

Auswirkungen

20xx

Fortgeschriebener Ansatz

Fortgeschriebe-

Ansatz

ner Ansatz

20xx ff.

20xx

Gesamt-

Gesamtbedarf (alt)

20xx ff.

bedarf
(neu)

Einzahlungen

0

0

0

0

0

0

Auszahlungen

0

0

0

0

0

0

Ergebnis

0

0

0

0

0

0

+ Verbesserung /
Verschlechterun

0

0

Deckung ist gegeben/ keine

Deckung ist gegeben/ keine

g

Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

Seite: 1/19

ausreichende Deckung

ausreichende Deckung

vorhanden

vorhanden

konsumtive

Ansatz

Auswirkungen

20xx

Ertrag

Fortgeschriebener Ansatz

Fortgeschriebe-

Ansatz

ner Ansatz

20xx ff.

20xx

20xx ff.

Folgekos-

Folgekos-

ten (alt)

ten (neu)

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Abschreibungen

0

0

0

0

0

0

Ergebnis

0

0

0

0

0

0

Personal-/
Sachaufwand

+ Verbesserung /
Verschlechterun

0

0

Deckung ist gegeben/ keine

Deckung ist gegeben/ keine

ausreichende Deckung

ausreichende Deckung

vorhanden

vorhanden

g

Finanzielle Auswirkungen ergeben sich keine.

Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

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Erläuterungen:

Der Rat der Stadt Aachen verabschiedete am 08.12.2010 die „Aachen-Strategie-Wohnen“.
Wissenschaftliche Grundlage dieses Handlungspapiers ist das Gutachten „Szenarien zur Entwicklung
des Wohnungsmarktes und wohnungspolitische Folgerungen“ der Institute empirica und Quaestio vom
März 2009.
Ziel der „Aachen-Strategie-Wohnen“ ist, dass
 Menschen in jeder Lebenslage ein angemessenes Wohnungsangebot in Aachen finden
 das Wohnraumangebot an die veränderte Bedarfslage (demografische Entwicklung) angepasst
wird
 Abwanderung verhindert und Zuzug motiviert wird
 Investitionen in Wohnungsneubau und Wohnungsbestand gefördert werden
 und die Eigentumsquote erhöht wird.
Die „Aachen-Strategie-Wohnen“ benennt die strategischen Instrumente der Stadt Aachen zur
Beeinflussung des Wohnungsmarktes und zeigt mögliche Handlungsschwerpunkte.
Das Gutachten der Institute empirica und Quaestio vom März 2009 stellt auf Basis der bisherigen
Stadtentwicklung Aachens Szenarien zur zukünftigen Wohnungsmarktentwicklung in Aachen vor und
leitet daraus wohnungspolitische Handlungsfelder und Empfehlungen für die Stadt ab.
Im Frühjahr 2014 wurde in Abstimmung mit den politischen Gremien das Institut Quaestio mit der
Aktualisierung und teilräumlichen Ausdifferenzierung der „Aachen-Strategie-Wohnen“ beauftragt.
Eine Aktualisierung war aus unterschiedlichen Gründen erforderlich geworden:
 veränderte demografische Entwicklungen (erhöhte Zuwanderung, insb. durch Studierende) und
neue statistische Grundlagen (Zensus),
 die auf der Basis des Gutachtens von 2009 beschlossene Orientierung am Szenario
„Wohnungsmarktoffensive“ konnte nicht vollständig umgesetzt werden, so dass auch die damit
verbundenen baulandpolitischen Aussagen zumindest partiell obsolet geworden waren und neu
gefasst werden sollten,
 die Auswirkungen der Campusentwicklung auf die Wohnungsnachfrage waren im
Ursprungsgutachten unberücksichtigt geblieben,
 die zwischenzeitlich veränderte Wohnungsmarktsituation (starke Anspannung) war Anlass, die
wohnungspolitischen Schlussfolgerungen zu überdenken und die diesbezügliche Beschlusslage
zu überprüfen.
Über diese Aspekte einer Aktualisierung hinaus sollte mit der neuen Studie zusätzlich auch eine
inhaltliche Flankierung verschiedener aktueller Planungs- und Entwicklungsaufgaben vorgenommen
werden. Dies betrifft insbesondere:
 die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes,
 die Vorbereitung des Baugebietes Richtericher Dell,
 die weitere Entwicklung von Aachen-Nord (Soziale Stadt),
 ergänzende Überlegungen zu der parallel laufenden Erarbeitung des Innenstadtkonzeptes.
Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

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Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des nun vorliegenden Gutachtens, das als Anlage dieser
Vorlage beigefügt ist, werden mit dieser Vorlage vorgestellt.

2.

Ergebnisse

des

Gutachtens

„Aachen-Strategie-Wohnen

–

Aktualisierung

und

teilräumliche Ausdifferenzierung“
a.)

Basisanalyse und Szenarien / Campusentwicklung

Aachen hat in den letzten Jahren wie viele andere Städte und insbesondere Universitätsstädte einen
unerwartet kräftigen Bevölkerungszuwachs und zugleich einen knappheitsbedingten Preisanstieg für
das Wohnen erlebt. Insbesondere Familien und Haushalte mit geringen Einkommen bekommen dies zu
spüren, da sie ihre Wohnbudgets häufiger als andere Haushaltstypen schon bis an die Grenzen des
Finanzierbaren ausgereizt haben. Ein Teil dieser jüngeren Entwicklung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit
eher kurzfristig-konjunktureller Natur (z.B. Zuwanderungswelle zusätzlicher Studierender). Darüber
hinaus ist Aachen jedoch bestrebt, die bislang schon zu beobachtende wirtschaftliche Konsolidierung in
einen langfristigen Aufwärtstrend umzuformen (Campusentwicklung).
Das

Ursprungsgutachten

aus

2009

beschreibt

drei

verschiedene

Szenarien

zur

Wohnungsmarktentwicklung. Der Rat beschloss in seiner Sitzung vom 08.12.2010 das Szenario 2
„Wohnungsmarktoffensive“ zu verfolgen, das einen verstärkten, attraktiven Wohnungsbau
beschreibt. In der beschriebenen Ausrichtung hat dieses Szenario einen ausgeprägten politischnormativen Charakter. Die Modellierung orientierte sich an politischen Zielwerten und hat sich damit
bewusst ein Stück weit von den nicht zufriedenstellenden realen Stadtentwicklungstrends gelöst. Im
Nachhinein bleibt festzuhalten, dass die angestrebte Steuerungswirkung dieser politisch-normativen
Szenariobildung nicht vollständig eingetreten ist.
Die nun vorgelegte Studie formuliert Szenarien, die unter Berücksichtigung der geänderten
Rahmenbedingungen und neuen Annahmen einen näher an den realen Trends angelehnten Weg
aufzeigen.
Das Szenario „Wohnungs+“ beschränkt sich zunächst auf die Fortschreibung der bisherigen
langfristigen wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen unter Berücksichtigung der
angesprochenen Marktanpassung. Insofern handelt es sich um ein Trendszenario, dass keine
wesentliche Veränderung der regionalwirtschaftlichen Dynamik unterstellt. Allerdings wird in diesem
Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

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Szenario berücksichtigt, dass aufgrund des demographischen Wandels eine erhöhte Freisetzung von
Bestandsobjekten im Ein- und Zweifamilienhaussegment erfolgt. Diese Gebäude würden dann dem
freien Markt wieder zur Verfügung stehen. Das Gutachten nimmt demzufolge eine Veränderung der
Wanderungsbeziehungen mit dem Aachener Umland an. Der Grundgedanke ist, dass die größere Zahl
von verfügbaren Bestandobjekten die Chance der Haushalte in Aachen zu bleiben, ohne steuerndes
Eingreifen (als reine Marktreaktion) erhöht.
Das Szenario „Wirtschafts+“ geht neben diesen bereits absehbaren Entwicklungen von einem
steigenden Wirtschaftswachstum aus. Insofern unterstellt es im Verhältnis zur bisherigen Entwicklung
eine gewisse Trendänderung. Kern und quantitative Grundlage dieses Szenarios sind die Erwartungen,
die vor allem durch die Campusentwicklung der RWTH geweckt werden. In der Folge ist zu erwarten,
dass insbesondere Hochschulabsolventen und Jungakademiker neue Perspektiven für ein Leben in
Aachen nach dem Studium erhalten und gegebenenfalls länger in der Stadt verbleiben. Die
dementsprechende Abwanderung würde sinken. Partiell würden auch Arbeitskräfte aus anderen Teilen
Deutschlands und darüber hinaus hier ihren Arbeitsplatz erhalten und nach Aachen ziehen. Insofern
modelliert das Szenario „Wirtschafts+“ über die schon in „Wohnungs+“ enthaltenen Effekte hinaus die
zusätzliche Wohnungsnachfrage der unmittelbar mit der Campusentwicklung verbundenen Arbeitskräfte
(und ihrer Haushalte).
Die am Campus entstehenden Arbeitsplätze wurden aus den ersten positiven Erfahrungen und den
noch zur Realisierung anstehenden Clustern abgeleitet. Offen bleibt, wie sich die erhöhte,
praxisorientierte Forschungsintensität langfristig regionalwirtschaftlich auswirkt. Die Überlegungen des
Gutachtens gehen deswegen hauptsächlich von den Arbeitsplätzen im Campus selbst aus und
schätzen ab, in welchem Umfang sich dies auf die Wohnungsnachfrage in Aachen auswirkt. Da die
potenziellen regionalwirtschaftlichen Effekte hier nicht quantifiziert wurden, bildet das Szenario dabei
eher die untere Grenze einer durch die Campusentwicklung erzeugten Wohnungsnachfrage ab.
Ergebnisse

der

Szenarien

„Wohnungs+“

und

„Wirtschafts+“

für

die

zukünftige

Bevölkerungsentwicklung

Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

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Anmerkung: Die Einwohnerzahlen des Melderegisters der Stadt Aachen beziehen sich auf die wohnberechtigte
Bevölkerung (Haupt- und Zweitwohnsitze). Im Rahmen der Einführung der Zweitwohnsitzsteuer, veränderter
Einwohnermeldeverfahren und Registerbereinigungen kommt es bei der Erfassung des Melderegisters zu einem
Bevölkerungsrückgang zwischen den Jahren 2005 und 2009. Diesen Zahlen korrespondieren nicht mit
tatsächlichen Bevölkerungsverlusten.
Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung; Quaestio

Vergleich der Neubaunachfrage zwischen dem Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ (2009) und
den neuen Szenarien (2014)

Quelle: Quaestio

Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

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Die vorstehende Abbildung macht deutlich, dass der Baulandbedarf in den neu entwickelten Szenarien
gegenüber dem Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ (2009) zurückbleibt. Entscheidend sind die
insgesamt etwas geringere Bautätigkeit sowie die Verschiebung der Bautätigkeit vom Einfamilienhausin den Geschosswohnungsbereich aufgrund des demographisch bedingten Neubaubedarfs. Dies gilt
insbesondere für den Zeitraum 2016-2020. Der sich hieraus ergebende Bauland- und
Grundstücksbedarf ist in der folgenden Abbildung unter Zugrundelegung von durchschnittlichen Dichten
dargestellt.
Flächenbedarfe für den Wohnungsbau (in ha Nettobauland)
Ein- und Zweifamilienhäuser

Wirtschafts+
Szenario

Summe des
Flächenanspruch Flächenanspruchs
(100 m² Nettobaul.
(Nettobauland)
pro WE)

Wohneinheiten

Flächenanspruch
(350 m² Nettobaul.
pro WE)

Wohneinheiten

1.200

42 ha

1.876

19 ha

61 ha

2021 bis 2025

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

2026 bis 2030

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

Summe bis 2030

2.700

95 ha

3.376

34 ha

128 ha

2016 bis 2020

1.200

42 ha

2.569

26 ha

68 ha

2021 bis 2025

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

2026 bis 2030

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

2.700

95 ha

4.069

41 ha

135 ha

bis 2020
Wohnungs+
Szenario

Mehrfamilienhäuser

Summe bis 2030

Quelle: Quaestio

Der Gutachter empfiehlt eine Orientierung am Szenario „Wirtschafts+“ und weist darauf hin, dass die
hier ausgewiesenen Bedarfe eher als Untergrenze verstanden werden können.
Für die Neuaufstellung des FNP ist zu beachten, dass die oben ausgewiesenen Flächenbedarfe für den
Wohnungsbau nur zum Teil auf neuen im FNP nachzuweisenden Wohnungsbauflächen realisiert
werden müssen. Aufgrund der vorrangig zu betreibenden Innenentwicklung (§1a BauGB) werden von
der Stadt Aachen derzeit in Form eines Baulandkatatsters die Baulücken sowie alle zusätzlichen
Innenentwicklungspotentiale ermittelt und in einer Gesamtdatenbank zusammengefasst. Die
Innenentwicklungspotentiale sind bei der Flächenbedarfsanalyse für die Neuaufstellung des FNP im
weiteren Verfahren zu berücksichtigen.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass nachgefragte Qualtitäten (inkl. der räumlichen Orientierung) nicht
exakt prognostiziert werden können. Zudem werden künftige wirtschaftliche und demografische
Entwicklungen vorsichtig abgeschätzt. Ausserdem lassen sich auch nach einer entsprechenden
Vorabprüfung nicht alle potentiellen Realisierungshemmnisse für im Entwurf des FNP neu
ausgewiesene Baulandflächen ausschließen. Von daher sollten laut Gutachter Flexibilitätsreserven
(FNP-Ebene) vorgehalten werden, zusammengenommen wird ein Aufschlag von 30% vorgeschlagen.

Anmerkung:
Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

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Bei den in o.a. Tabelle aufgeführten Flächenangaben handelt es sich um Nettobaulandflächen. Hier ist
ein

Aufschlag

für

Verkehrsflächen,

Grün-

und

Gemeinbedarfsflächen

hinzuzurechnen

(Bruttobaulandflächen). Die Flächenangaben im Entwurf zum neuen Flächennutzungsplan sind
Bruttoflächen.
b.)

Richtericher Dell

Die Realisierung des Gebietes Richtericher Dell wird durch das Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ der
„Aachen-Strategie-Wohnen“ 2009 gedeckt. Der angespannte Wohnungsmarkt hat den Handlungsbedarf
zur Schaffung von Baulandangeboten seitdem verdeutlicht. Richtericher Dell ist dabei nicht nur für
Haushalte interessant, die Neubauobjekte gegenüber Gebrauchtobjekten bevorzugen, sondern auch für
Haushalte, die das soziale Leben in einer neu entstehenden und oftmals stärker von Familien
geprägten Nachbarschaft schätzen. Schließlich stellt das Gebiet auch eine Alternative zu einem
Umlandstandort dar. Gerade in dieser Hinsicht kann man ein bislang nicht ausreichend bedientes
zusätzliches Nachfragepotenzial erwarten.
Eine durch das Neubaugebiet mobilisierte Zusatznachfrage (aus verhinderter Umlandwanderung)
erhöht nicht nur die Bevölkerungszahl der Stadt Aachen, sondern erzielt vor allem auch durch die
dichtere Bebauung in der Stadt und das verringerte Verkehrsaufkommen positive ökologische Effekte.
Bei der Konzeption des Neubaugebietes sollte daher eine Abwägung zwischen der hier fokussierten
Marktgängigkeit verbunden mit einer Auflockerung der Bebauung und dem Ziel der effizienten
Flächennutzung durch verdichtete Einfamilienhaustypen stattfinden.
Nicht zuletzt bietet ein Neubaugebiet dieser Größenordnung immer auch Möglichkeiten,
Spezialsegmenten und Nischenprodukten eine Realisierungschance einzuräumen. Als Teil der
gesamtstädtischen Wohnungsbauentwicklung ist es darüber hinaus geeignet, zur Entlastung eines
zunehmend eng gewordenen Wohnungsmarktes beizutragen. Planerisch-normative Gründe sprechen
für eine Realisierung als ein gemischtes Quartier unterschiedlicher Bauformen, Zielgruppen,
Wohnungsmarktsegmente und auch kleinräumiger Nachbarschaften. Dieses Potenzial zur Mischung ist
jedoch zugleich immobilienwirtschaftlich vorteilhaft, um bei bestehenden Unsicherheiten aus einer
breiten Diversifizierung der Angebote und innerer Flexibilität heraus die Entwicklung marktgerecht
steuern zu können.
Der Aachener Wohnungsmarkt zeigt sich in den letzten Jahren zunehmend angespannt. Dies hat einen
spürbaren Preisanstieg erzeugt. Eine Entlastung speziell im Einfamilienhaussegment ist laut Gutachter
auch geeignet, einen Beitrag zu einer verminderten Abwanderung von eigentums- und
einfamilienhausorientierten Haushalten in das Umland zu leisten. Insgesamt kann die Entwicklung des
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Ausdruck vom: 14.07.2015

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Wohngebietes Richtericher Dell so einen wichtigen Beitrag zu einer erforderlichen Angebotsausweitung
und damit einhergehenden Entlastung des Aachener Wohnungsmarktes leisten.
c.)

Soziale-Stadt-Gebiet Aachen-Nord

Aachen-Nord war bislang als Investitionsstandort für den Wohnungsneubau nicht ausreichend attraktiv.
Die veränderten wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Fortschritte in der
Stadtteilentwicklung auf der Basis des Programms „Soziale Stadt“ machen es nun möglich, den
Wohnungsneubau als eine zusätzliche Säule der Stadtteilentwicklung voranzutreiben. In Abhängigkeit
von den konkreten Grundstücken kann dabei eine breite Palette von Segmenten und Zielgruppen
angesprochen werden. Dabei können primär preisgünstige Neubauangebote realisiert werden, die im
Kontext des Stadtteils zwar Aufwertungsimpulse setzen können, im gesamtstädtischen Gefüge jedoch
als preisgünstige Neubauangebote wirken. Da der Wohnungsneubau in Aachen-Nord auch beim
erreichten Status quo noch kein Selbstläufer ist, wird es wichtig sein, sich mit den
Grundstückseigentümern und Investoren über die jeweiligen Investitionsbedingungen auszutauschen
und entsprechende Verbesserungen zu bewirken.
d.)

Sicherung und Stärkung der Wohnfunktion der Innenstadt

Die Aachener Innenstadt ist wie viele andere Innenstädte zunehmend beliebt als Wohnstandort. Dies
verbindet sich mit einer kräftigen Nachfrage und einer im Wettbewerb der Nachfrager steigenden
Zahlungsbereitschaft. Die Folge sind hohe und steigende Preise für das Wohnen, die auch
Verdrängungsfolgen (Gentrifizierung) haben können. Da ein Bemühen um weitere Attraktivitätssteigerung kommunalpolitisch ohne Alternative ist, sollte jedoch wohnungspolitisch zumindest eine
komplementäre Strategie verfolgt werden.
Das Gutachten beschreibt insbesondere die folgenden wohnungspolitischen Handlungsansätze für die
Innenstadt:
 Neubau durch Nachverdichtung
 Umnutzung bestehender Gebäude
 Sicherung preiswerten Wohnens
3.

Handlungsempfehlungen des Gutachters

In Kapitel 7 der aktuell vorliegenden Studie werden die Handlungsempfehlungen des Gutachters
beschreiben. Die Verwaltung hat sich in der bestehenden Lenkungsgruppe mit diesen
Handlungsempfehlungen auseinandergesetzt und hierzu umsetzungsorientierte Handlungsvorschläge
und Prüfaufträge formuliert.
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3.1.

Von der Aachen-Strategie-Wohnen 2009 zur Aachen-Strategie-Wohnen 2014

Das Gutachten beschreibt, dass die 2009er Szenarien einen stark politisch-normativen Charakter
hatten. Es wurde eine durchschlagend wirksame Wohnbaulandoffensive unterstellt, der als Grundlage
einer deutlich verbesserten Bindung von Haushalten in Aachen auch eine quantitativ spürbare Wirkung
zugerechnet wurde („Wohnungsmarktoffensive“). Dies hat sich in den Ergebnissen für die
Bevölkerungsentwicklung, die Wohnungsnachfrage und den Baulandbedarf niedergeschlagen.
Faktisch ist die reale Entwicklung deutlich hinter den Trends des Szenarios „Wohnungsmarktoffensive“
zurückgeblieben. Die nun vorliegende Studie analysiert die aktuelle Entwicklung und bleibt bei der
Szenariobildung sehr viel enger an den jüngeren realen Entwicklungen angelehnt. Dies gilt selbst für
das Szenario „Wirtschafts+“, bei dem lediglich die quasi als gesichert geltenden Arbeitsplätze innerhalb
des Campus mit ihren Wirkungen auf die Wohnungsnachfrage berücksichtigt wurden. Die politisch
angestrebte zusätzliche Belebung der regionalwirtschaftlichen Entwicklung ist nicht in die Berechnung
eingeflossen.
Großstädtische Wohnungsmärkte sind in der Tendenz relativ angespannt und teuer. In dieser Hinsicht
hat Aachen besonders in den letzten Jahren noch einmal Verschlechterungen hinnehmen müssen.
Darunter leiden insbesondere die Haushalte mit niedrigerem Einkommen. Dieser enge und teure
Wohnungsmarkt führt zwingend zu sozialen Verteilungsproblemen und erzeugt im Zweifel
Verdrängungseffekte. Umso wichtiger ist es, im Rahmen der Bauland- und Grundstückspolitik für eine
nachfragegerechte Ausweitung des Wohnungsangebotes zu sorgen und das entsprechende
Investitionsgeschehen positiv zu begleiten sowie entsprechende Widerstände gegen Wohnungsneubau
zu überwinden.
Schon in der „Aachen-Strategie-Wohnen“ wurde dies betont und mit der Forderung nach einer
offensiven Wohnungsbaupolitik beantwortet. Diese Überlegungen bleiben – bei veränderten
quantitativen Grundlagen – richtig. Das aktuell vorbereitete Baugebiet Richtericher Dell passt in diese
Strategie und kann zusätzlich dafür sorgen, dass potenziellen Umlandwanderern eine Alternative in
Aachen geboten wird. Wichtig ist es auch, die inneren Wohnungsbaureserven der Stadt Aachen zu
mobilisieren. An hochwertigen Standorten (z.B. Innenstadt) drängen die Märkte von alleine in diese
Richtung. An weniger guten Standorten braucht es zusätzliche politische Impulse, um den
Wohnungsbau in Gang zu bringen (z. B. Aachen-Nord).

Das Gutachten stellt klar, dass grundsätzlich die Aussagen der „Aachen-Strategie-Wohnen“ ihre
Gültigkeit behalten. Dies gilt insbesondere für die fünf Handlungsschwerpunkte:
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I. Öffentlich geförderter Wohnungsbau/bezahlbarer Wohnraum
II. Definition von Qualitätsstandards für den Wohnungsbau / Qualitätssicherung und
-verbesserung im Wohnungsbestand
III. Innerstädtisches Wohnen / Grundstücksmobilisierung
IV. Aufwertung von Stadtquartieren
V. Zielgruppenorientierte Baulandbereitstellung / Baulandentwicklung
Aufgrund geänderter Bedarfslagen und rechtlicher Voraussetzungen, insbesondere geänderter
Förderrichtlinien, besteht jedoch ggfls. im Einzelfall Anpassungs- und Ergänzungsbedarf.

Die Verwaltung wird zeitnah die Ausführungen zu den Handlungsschwerpunkten überprüfen
und bestehende Änderungsbedarfe, insbesondere in Bezug auf Landesvorgaben für eine
kommunales „Handlungskonzept Wohnen“ aufzeigen.

3.2.

Orientierung am Szenario „Wirtschaft+“

Der Gutachter empfiehlt die Orientierung an den Eckwerten des Szenarios „Wirtschafts+“. Gegenüber
dem

Szenario

„Wohnungs+“

berücksichtigt

dieses

Szenario

zusätzlich

eine

positive

regionalwirtschaftlichen Entwicklung. Besondere Erwartungen werden in dieser Hinsicht an die
Campusentwicklung geknüpft. Die unmittelbar mit der angestrebten Campusentwicklung verbundenen
Effekte auf die Zahl der Arbeitsplätze und die zusätzliche Wohnungsnachfrage sind im Szenario
„Wirtschafts+“ berücksichtigt.

Die Verwaltung schließt sich dieser Empfehlung an. Sie beabsichtigt, die Eckwerte des
Szenarios „Wirtschafts+“ als Orientierung in den weiteren Abwägungsprozess des Verfahrens
zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes einzubeziehen (vergl. 3.9).

3.3.

Wohnbaulandmonitoring, Wohnbaulandbericht und Fortsetzung der Wohnungsmarktbeobachtung

Der Gutachter empfiehlt der Stadt Aachen, als ein wesentliches Instrument zur Steuerung der
städtischen Wohnbauplanung und der damit verbundenen Ziele ein Wohnbaulandmonitoring
einzuführen.

Davon

unberührt

sollten

das

Engagement

in

der

kommunalen

Wohnungsmarktbeobachtung fortgesetzt und sowohl um kleinräumige als auch um regionale Aspekte
Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

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ergänzt werden. Ziel des Wohnbaulandmonitorings ist, die Bauland- und Grundstücksmobilisierung im
Zeitablauf quantitativ und qualitativ zu optimieren. Beim Aufbau eines Wohnbaulandmonitorings sollten
folgende Aspekte berücksichtigt werden:
 Erfassung der Baugenehmigungen / Baufertigstellungen
 Vermarktungserfolg aller Wohnungsbaugebiete (Mindestgröße 5 Einheiten)
 aktuell verfügbare Wohnbaulandpotenziale
Einmal jährlich sollten die wesentlichen Ergebnisse des Wohnbaulandmonitorings in einem kurzen
Bericht aufbereitet und dabei insbesondere hinsichtlich weiterer planungspolitischer Handlungsbedarfe
interpretiert werden. Der Bericht ist den Gremien der Stadt vorzulegen.
Die bislang primär auf gesamtstädtischer Ebene agierende Wohnungsmarktbeobachtung liefert gut
verwertbare Informationen für Politik, Verwaltung und Investoren. Für die Feinsteuerung einer
zunehmend stadt- und quartiersorientierten Wohnungspolitik ist darüber hinaus ein kleinteiliges
Monitoring sinnvoll.

Die Verwaltung beabsichtigt ein entsprechendes Konzept für das Baulandmonitoring zu
erarbeiten, mit dem Ziel dieses als ein Baustein des „Neuen Aachener Handlungskonzept
Wohnen“ zu etablieren.

3.4.

Private Grundstücke: Baulandbeschluss zur Sicherung preisgünstigen Wohnungsbaus

Das Gutachten empfiehlt, die bisher gültigen baulandpolitischen Beschlüsse durch einen
allgemeingültigen Grundsatzbeschluss zu ersetzen. Demnach soll bei allen Wohnungsbauvorhaben ab
einer festzulegenden Mindestgröße der geförderte Wohnungsbau in angemessener Weise
berücksichtigt werden.
Schon die bisherigen wohnungs- und baulandpolitischen Beschlüsse der Stadt Aachen zielen in die
oben beschriebene Richtung (insbesondere der 20%-Beschluss und der Baulandbeschluss), ohne
jedoch ausreichend wirksam zu werden.
In einem ersten Schritt verabschiedete der Rat der Stadt Aachen am 10.12.2014 den Beschluss
„Stärkung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus“. Dieser legt eine neue Quote für den öffentlich
geförderten Wohnungsbau fest, beschreibt die analoge Anwendung bei der Vermarktung städtischer
Grundstücke und regelt das Zusammenspiel zwischen dem weiterhin gültigen sog. Baulandbeschluss
(Ratsbeschluss vom 14.03.2007 „Kommunale Bodenvorratspolitik zur Sicherung preiswerter
Grundstücke“) und dem neuen Quotenbeschluss.

Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

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Die Verwaltung beabsichtigt, die beiden nun gültigen baulandpolitischen Beschlüsse als
Grundsatzbeschlüsse in das „Neue Aachener Handlungskonzept Wohnen“ zu übernehmen.

3.5

Städtische Grundstücksvergabe nach Konzeptqualität

Das Gutachten empfiehlt, dass die Vergabe städtischer Grundstücke (mit Schwerpunkt Wohnungsbau,
Mindestgröße 10 Wohneinheiten) regelmäßig nicht mehr nach dem höchsten Gebot, sondern in einer
Kombination von Preisgebot und Konzeptqualität erfolgen soll. In die Konzeptqualität fließen
insbesondere städtebauliche, energetisch/ökologische und wohnungspolitisch/soziale Qualitäten ein.
Bislang hat die Stadt Aachen entsprechende Vergabeverfahren in Einzelfällen angewandt (z. B.
Franzstraße, Guter Hirte). Die regelmäßige Anwendung im Rahmen eines entsprechenden
standardisierten Verfahrens führt zu mehr Transparenz und Verfahrenssicherheit im Einzelfall und
systematisiert zugleich den Abgleich von städtischen Zielvorstellungen mit den jeweiligen
immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so dass die mit der Liegenschaftspolitik verfolgten
städtischen Zielsetzungen insgesamt besser zur Geltung kommen können.
Neben der Zielsetzung, den Anteil des geförderten Wohnungsbaus zu erhöhen, gilt es in Abhängigkeit
von der konkreten Planungsaufgabe diverse andere Zielsetzungen zu beachten. Hierzu können laut
Gutachten Wohnungsbauprojekte mit Impulsfunktion in einem schwierigen Umfeld oder auch
spezifische Modellprojekte (z.B. Energie, Senioren/ Barrierefreiheit, Baugruppen) gehören.
Insbesondere die städtischen Liegenschaften mit wohnwirtschaftlichem Verwertungspotenzial sind
geeignet, derartige Zielsetzungen umzusetzen.
In Abhängigkeit von der konkreten Aufgabenstellung sind die besonderen Herausforderungen aus
städtischer Sicht zu beschreiben und in der Gewichtung der Bewertungsregeln zu berücksichtigen. Eine
Mindestquote für den geförderten Wohnungsbau sollte in Analogie zum bestehenden Quotenbeschluss
grundsätzlich gelten.

Die Verwaltung beabsichtigt bei der Vergabe städtischer Grundstücke, entsprechend den
Empfehlungen des Gutachtens zu verfahren. Zukünftig werden im jeweiligen Vergabeverfahren
die für den Standort geforderten Zielsetzungen in Abstimmung mit der Politik festgelegt.

3.6.

Wohnungsbaukoordinator/ Team Wohnungsbau

Das Gutachten empfiehlt, insbesondere zur Unterstützung des Wohnungsneubaus in der
Stadtverwaltung

einen Wohnungsbaukoordinator einzusetzen, der zusammen mit einem

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amtsübergreifenden Team die Aufgabe hat, die Wohnungsbauentwicklung in der Stadt Aachen
voranzutreiben.
Beim Wohnungsbau sind zunehmend vielfältige Interessen zu berücksichtigen. Dementsprechend
komplex sind die verwaltungsinterne und die politische Abstimmung der einzelnen Vorhaben. Die
Erfahrung zeigt, dass die Vielfalt der eingebrachten Interessen und die Abstimmung darüber bremsend
auf die Wohnbauentwicklung (insbesondere Neubau) wirken. Insofern ist es die Hauptaufgabe des
Wohnungsbaukoordinators, verwaltungsinterner Anwalt für den Wohnungsbau und zumindest im
Konfliktfall zugleich zentraler Ansprechpartner für die Wohnungsbauinvestoren zu sein.
Der Wohnungsbaukoordinator arbeitet eng mit einem Team Wohnungsbau zusammen, das aus
Mitarbeitern der unterschiedlichen mit dem Wohnungsbau befassten Fachbereichen besteht
(Stadtplanung, Bauordnung, Immobilienmanagement, Wohnen, Bauverwaltung).

Die Verwaltung schlägt vor, diese Empfehlung im Kontext des beabsichtigten
Reorganisationsprozesses der Fachbereiche 50 und 64 unter Berücksichtigung der zum
Dezernat III bestehenden Schnittstellen zu prüfen.

3.7.

Aktivierung der gewoge AG für den Wohnungsneubau

Das Gutachten empfiehlt, im Rahmen einer entsprechenden Zielvereinbarung mit der gewoge AG zu
vereinbaren, ein festzulegendes jährliches Mindestvolumen im Wohnungsneubau zu realisieren. Hierzu
werden auch die Grundstücksreserven der gewoge AG aktiviert. Das jährliche Mindestvolumen kann
auch durch Übernahme von Objekten erbracht werden, die von privaten Investoren im Rahmen des
Aachener Baulandbeschlusses gebaut wurden.

Laut Gutachten die hat gewoge AG in den vergangenen Jahren insbesondere die Bestandspflege in
den Vordergrund gerückt und dabei gute Arbeit geleistet. Gleichzeitig wurde jedoch das
Neubauvolumen reduziert. Angesichts des enger werdenden Wohnungsmarktes und der besonderen
Aufgaben in der Sicherung preisgünstigen Wohnens ist es erforderlich, die Neubauintensität am
Aachener Wohnungsmarkt zu erhöhen. Die Szenarien zur Wohnungsmarktentwicklung zeigen zudem
einen erhöhten Neubaubedarf vor allem in den kommenden Jahren. Die gewoge AG kann als primär
städtische Gesellschaft unmittelbarer auf diesen Neubaubedarf reagieren und sollte dementsprechend
eingebunden werden.
Die baulandpolitischen Beschlüsse (hier insbesondere der Quotenbeschluss) treffen auch Investoren,
die kaum oder kein Interesse haben, sich als Bestandshalter von öffentlich gefördertem Wohnungsbau
Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

Seite: 14/19

zu engagieren. In diesem Zusammenhang wird es erforderlich sein, die für den geförderten
Wohnungsbau vorgesehenen Grundstücksanteile oder die von privater Hand errichteten Wohnungen an
entsprechend interessierte Bestandshalter zu übergeben / zu verkaufen.

Die Verwaltung wird mit der Erarbeitung einer entsprechenden Zielvereinbarung beauftragt.
Dabei soll auch die Optimierung der Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und der
gewoge AG im Fokus stehen.

3.8.

Familienbonus / Familienförderung

Das Gutachten empfiehlt der Stadt Aachen, in Kooperation mit der Sparkasse ein
Sonderkreditprogramm für die Wohneigentumsbildung junger Familien in Aachen aufzulegen, um so
Wanderungsverluste in das Umland zu verringern.
Die Verwaltung schlägt insbesondere aufgrund der niedrigen Zinslage am allgemeinen Kapitalmarkt
einerseits und der angespannten Haushaltssituation der Stadt Aachen andererseits vor, der
Empfehlung zur Auflage eines Sonderkreditprogramms nicht zu folgen. Gleichzeitig weist sie auf das
bereits seit langem praktizierte Rabattierungssystem hin. Hierbei werden Familien mit Kindern beim
Erwerb städtischer Grundstücke, sofern für das betreffende Baugebiet ein entsprechender Beschluss
des Wohnungs- und Liegenschaftsausschusses vorliegt, Rabatte gewährt, falls das Einkommen
bestimmte Grenzen nicht übersteigt.

Die Verwaltung schlägt vor, das bestehende Rabattierungssystem für Familien, anstelle des
vom Gutachter vorgeschlagenen Sonderkreditprogramms, weiterhin anzuwenden.

3.9.

Berücksichtigung im Flächennutzungsplan 2030

Das Gutachten empfiehlt, dass im FNP 2030 die Eckwerte des Szenarios „Wirtschafts+“ als
Untergrenze der wohnbaulichen Flächenansprüche Eingang finden. Aus diesem Szenario ergibt sich ein
Flächenanspruch für den Wohnungsbau von 135 ha Nettofläche, davon 95 ha für den Bau von
Einfamilienhäusern und 40 ha für den Bau von Mehrfamilienhäusern. In Abzug zu bringen ist die im
Rahmen der Innenentwicklung auf bestehendem Baurecht, nach § 34 BauGB oder auch durch
kurzfristige Umnutzungen z.B. in Verbindung mit VEPs zu erwartende Wohnbautätigkeit. Zusätzlich
berücksichtigt werden müssen Flexibilitätsreserven zur Kompensation von Realisierungshemmnissen
und zur Anpassung an unterschiedliche Marktentwicklungen bzw. Nachfragetrends.
Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

Seite: 15/19

Neue Wohnbauflächen müssen laut Gutachten nur für den Wohnungsbau geschaffen werden, der sich
nicht in den oben genannten Kategorien als Innenentwicklung qualifizieren lässt. Bislang ist der Umfang
dieser Wohnbautätigkeit in Aachen nicht bekannt, so dass keine qualifizierte Aussage für die Ableitung
von Vorgaben für die Flächennutzungsplanung gemacht werden kann. Auf eine dementsprechend
verbesserte Informationslage zielt insbesondere das vorgeschlagene Wohnbaulandmonitoring. Hierbei
sind die Ergebnis der aktuell laufenden Untersuchungen zum Baulandkataster zu berücksichtigen.
Aufgabe der Stadt Aachen ist eine bedarfsgerechte Siedlungsentwicklung unter Berücksichtigung der
landesplanerischen Zielvorgaben „Vorrang der Innenentwicklung“ und der „Flächensparsamen
Siedlungsentwicklung“. Neben einer nachvollziehbaren Bedarfsprüfung ist daher die Prüfung der
Innenentwicklungspotentiale Voraussetzung für die Darstellung neuer Wohnbauflächen im
Flächennutzungsplan. Die Stadt Aachen ermittelt derzeit die Baulücken in Form eines Baulandkatasters
sowie alle zusätzlichen Innenentwicklungspotentiale, die in einer Gesamtdatenbank zusammengefasst
werden. Die Ergebnisse der Bedarfsermittlung und die Erfassung der Innenentwicklungspotentiale
werden im Rahmen des Abwägungsprozesses geprüft und in das weitere Verfahren zur Neuaufstellung
des Flächennutzungsplanes einfließen.
Im weiteren Verfahren ist auch zu prüfen, ob der dem Gutachten zugrunde gelegte Bundesdurchschnitt
für den Bedarf von 350 qm Nettobauland / Wohneinheit der zu erwartenden Baudichte in Aachen bis
2030 entspricht. Im FNP-Vorentwurf wurde unter Berücksichtigung der landesplanerischen Zielvorgaben
und der Entwicklungen auf dem Aachener Wohnungsmarkt eine verdichtetere Bauweise mit einem
Bruttobaulandbedarf von 350 qm / Wohneinheit für die Bedarfsermittlung von Wohnbauflächen zu
Grunde gelegt.

Die Verwaltung beabsichtigt, die Gesamtdatenbank einschließlich des Baulandkatasters als
Voraussetzung für die Ermittlung der Innenentwicklungspotentiale fertig zu stellen. Die
Ergebnisse müssen in die Bedarfsermittlung für Wohnbauflächen einfließen. Im weiteren FNPVerfahren wird die Verwaltung die Angaben zum Nettobaulandbedarf unter Berücksichtigung
der landesplanerischen Zielvorgaben und der Entwicklungen auf dem Aachener
Wohnungsmarkt prüfen und bis zur Offenlage mit der Bezirksregierung abstimmen.

3.10.

Rìchtericher Dell

Das geplante Neubaugebiet Richtericher Dell wird im Gutachten als teilräumliche Ausdifferenzierung in
einem eigenem Abschnitt („4. Entwicklungsoptionen für das Plangebiet Richtericher Dell“) behandelt
und insofern im Kapitel 7 (Handlungsempfehlungen) nicht erneut aufgeführt.
Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

Seite: 16/19

Der Gutachter empfiehlt den 1. Bauabschnitt zügig zu realisieren. Darüber hinaus sollen für folgende
Bauabschnitte die Erfahrungen aus der Vermarktung des 1. Bauabschnittes Berücksichtigung finden. In
diesem Zusammenhang sollen die notwendigen Schritte zu einer begleitenden Evaluation eingeleitet
werden.
Hinsichtlich des Bebauungskonzeptes empfiehlt der Gutachter eine Auflockerung der geplanten
Bebauung mit einer veränderten Aufteilung auf Einfamilienhaustypen.
Zur Begründung heißt es im Gutachten, dass es sich bei dem Gebiet Richtericher Dell um die letzte
große Wohnbauflächenreserve im Regionalplan und einen wesentlichen Bestandteil der
Wohnungsbauentwicklung der Stadt Aachen handelt. Da ausgehend von den Prognosen insbesondere
in den nächsten Jahren mit einer höheren Nachfrage zu rechnen ist, soll laut Gutachter die Verwaltung
die weiteren Voraussetzungen für eine zeitnahe Realisierung des 1. Bauabschnittes schaffen.
Aufgrund der Größe des Plangebietes und des damit verbundenen langfristigen Realisierungszeitraumes empfiehlt die Verwaltung, dem Vorschlag des Gutachters für eine begleitende Evaluation bei
der Vermarktung des 1. Bauabschnittes zu folgen. Durch eine sorgfältige Marktanalyse soll eine
städtebaulich qualitätvolle und nachfrageorientierte Umsetzung des Baugebietes unterstützt werden.
Die Verwaltung wird beauftragt, für die Evaluation im ersten Schritt die internen Zuständigkeiten zu
klären und ein Evaluationskonzept zu erarbeiten.
Die Beobachtung des Marktes und der Nachfrage beim 1. Bauabschnitt sollen Aussagen über die
Vermarktungsgeschwindigkeit insgesamt wie auch in einzelnen angebotenen Segmenten liefern und
damit evtl. Erfordernisse für eine konzeptionelle Anpassung weiterer Bauabschnitte liefern. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass bei einer ggfls. erforderlichen Anpassung des Bebauungskonzeptes solche
Nachfragegesichtspunkte vor dem Hintergrund der gesetzlichen und landesplanerischen Zielvorgaben
zum sparsamen Flächenverbrauch abzuwägen sind.
Die Verwaltung beabsichtigt, den 1. Bauabschnitt des Neubaugebietes Richtericher Dell
zeitnah zu realisieren. Parallel zur Vermarktung des 1. Bauabschnittes soll eine begleitende
Evaluation erfolgen. Hieraus gewonnene Erkenntnisse sollen bei der Realisierung des 2.-4.
Bauschnittes berücksichtigt werden.

4.

Fazit

Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

Seite: 17/19

Aus den Ergebnissen und insbesondere den Handlungsempfehlungen des vorlegten Gutachtens
„Aachen-Strategie-Wohnen – Aktualisierung und teilräumliche Ausdifferenzierung“ ergibt sich eine
Vielzahl von Handlungsvorschlägen und Prüfungsaufträgen, mit deren Bearbeitung die Verwaltung
beauftragt wird:
-

-

-

-

-

-

-

Die Handlungsschwerpunkte der „Aachen-Strategie-Wohnen 2009“ sind zu überprüfen und
bestehende Änderungsbedarfe aufzuzeigen.
Das Verfahren zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes soll auf der Grundlage des
Szenarios „Wirtschafts+“ weiter betrieben werden.
Die Verwaltung erarbeitet ein Konzept für das Baulandmonitoring, mit dem Ziel dieses als ein
Baustein des „Neuen Aachener Handlungskonzept Wohnen“ zu etablieren.
Die beiden gültigen baulandpolitischen Beschlüsse (Quotenbeschluss und Baulandbeschluss)
sollen als Grundsatzbeschlüsse in das zu entwickelnde „Neue Aachener Handlungskonzept
Wohnen“ übernommen werden.
Bei der Vergabe städtischer Grundstücke ist entsprechend den Empfehlungen des Gutachtens zu
verfahren. Zukünftig werden im jeweiligen Vergabeverfahren die für den Standort geforderten
Zielsetzungen in Abstimmung mit der Politik festgelegt (Vergabe nach Konzeptqualität).
Die Verwaltung wird beauftragt, die Einsetzung eines Wohnbaukoordinators im Kontext des
beabsichtigten Reorganisationsprozesses der Fachbereiche 50 und 64 unter Berücksichtigung der
zum Dezernat III bestehenden Schnittstellen zu prüfen.
Die Verwaltung wird beauftragt, eine Zielvereinbarung mit der gewoge AG zur Realisierung eines
Mindestvolumens im Wohnungsneubau zu erarbeiten. Dabei soll auch die Optimierung der
Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und der gewoge AG im Fokus stehen.
Das bestehende Rabattierungssystem für Familien soll anstelle des vom Gutachter
vorgeschlagenen Sonderkreditprogramms weiterhin angewendet werden.
Die Verwaltung wird beauftragt, die Gesamtdatenbank einschließlich des Baulandkatasters als
Voraussetzung für die Ermittlung der Innenentwicklungspotentiale fertig zu stellen. Die Ergebnisse
müssen in die Bedarfsermittlung für Wohnbauflächen einfließen.
Im weiteren FNP-Verfahren sind die Angaben zum Nettobaulandbedarf unter Berücksichtigung der
landesplanerischen Zielvorgaben und der Entwicklungen auf dem Aachener Wohnungsmarkt zu
prüfen und bis zur Offenlage mit der Bezirksregierung abzustimmen.
Der 1. Bauabschnitt des Neubaugebietes Richtericher Dell soll zeitnah realisiert werden. Parallel
zur Vermarktung des 1. Bauabschnittes soll eine begleitende Evaluation erfolgen. Hieraus
gewonnene Erkenntnisse sollen bei der Realisierung des 2.-4. Bauschnittes berücksichtigt werden.

Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Aufträge soll das „Neue Aachener Handlungskonzept Wohnen“
erarbeitet werden und dem Rat der Stadt Aachen zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

Anlage:

Gutachten „Aachen-Strategie-Wohnen – Aktualisierung und teilräumliche Ausdifferenzierung“

Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

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Vorlage FB 23/0069/WP17 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 14.07.2015

Seite: 19/19

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und
teilräumliche Ausdifferenzierung
Endbericht

Projektnummer: 2013016
Datum: 25.09.2014
Ansprechpartner:
Bernhard Faller
Colin Beyer
Nora Wilmsmeier
Franziska Hettich

Friesenstraße 17 . D - 53175 Bonn
Fon: +49 (0)228 266 888-0
Fax: +49 (0)228 555 47 271
office@quaestio-fb.de . www.quaestio-fb.de

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

INHALTSVERZEICHNIS
1.

Hintergrund und Aufgabenstellung

1

2.

Basisanalyse und Szenarien

2

2.1.

Aktuelle Wohnungsmarktentwicklung

2

2.2.

Die jüngere demografische Entwicklung der Stadt Aachen

7

2.3.

Szenarien zur Entwicklung von Bevölkerung, Haushalten und
Wohnungsnachfrage

12

2.3.1. Grundausrichtung der Szenarien „Wohnungs+“ und „Wirtschafts+“

12

2.3.2. Wanderungsannahmen in den Szenarien

13

2.3.3. Bevölkerungsvorausberechnung

16

2.3.4. Haushaltsvorausberechnung

19

2.3.5. Vorausberechnung der Wohnungsnachfrage

21

2.3.6. Exkurs: Vergleich mit den Ergebnissen aus 2009

26

2.3.7. Flächenbedarfe für den Wohnungsbau – Grundlage für den neuen FNP

28

2.4.

Fazit

30

Wohnungswirtschaftliche Aspekte der Campusentwicklung

30

3.1.

Hintergrund und Aufgabenstellung

30

3.2.

Annahmen zu den Auswirkungen der Campusentwicklung

32

3.3.

Erwartete Auswirkungen der Campusentwicklung

34

3.4.

Fazit

36

Entwicklungsoptionen für das Plangebiet Richtericher Dell

37

4.1.

Einordnung des Standorts in die Stadt Aachen

37

4.2.

Infrastruktur

38

3.

4.

4.2.1. Verkehrliche Anbindung

38

4.2.2. Bildungseinrichtungen

39

-i-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

4.2.3. Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot

40

4.2.4. Kultur und Freizeit

40

4.3.

Bauliche Nutzung in der Umgebung

41

4.4.

Sozialstruktur

41

4.5.

Bestehende Planungen „Richtericher Dell“

42

4.6.

Eignung und Zielgruppen

44

4.7.

Modellrechnungen zur Abschätzung der Nachfrage

45

4.8.

Empfehlungen zur Konzeption

47

4.9.

Fazit zum Neubaugebiet Richtericher Dell

54

5.

Grundlagen einer Standort- und Wohnungsbauentwicklung im SozialeStadt-Gebiet Aachen-Nord

56

5.1.

Aufgabenstellung und Einordnung

56

5.2.

Wohnungswirtschaftliche Analyse und Bewertung des Stadtteils

57

5.2.1. Räumliche Einordnung und Gliederung des Stadtteils

57

5.2.2. Verkehrliche Anbindung

58

5.2.3. Bildungseinrichtungen

59

5.2.4. Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot

60

5.2.5. Kultur und Freizeit

60

5.2.6. Zwischenfazit: Hohe Lagepotenziale und sozialstrukturell bedingte
Imageprobleme

61

5.3.

Potenzialflächen für den Wohnungsneubau in Aachen-Nord

61

5.4.

Wohnungsneubau als Baustein einer Aufwertungsstrategie

66

5.4.1. Segmente des Wohnungsneubaus in Aachen-Nord

66

5.4.2. Zielgruppen des Wohnungsneubaus und ihre Bedeutung für die
Stadtteilentwicklung

67

5.4.3. Handlungsansätze zur Mobilisierung von Wohnungsneubau
5.5.

Fazit

68
69

- ii -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

6.

Ansätze zur Sicherung und Stärkung der Wohnfunktion in der Innenstadt 71
6.1.

Stellenwert des Bausteins und Bezug zum Innenstadtkonzept

71

6.2.

Grundüberlegungen zur Innenstadt als Wohnstandort

71

6.2.1. Ein zunehmend beliebter Wohnstandort

71

6.2.2. Zielgruppen: Familien und Haushalte mit geringen Einkommen haben
schlechtere Chancen

72

6.2.3. Zwischenfazit
6.3.

73

Wohnungspolitische Handlungsansätze für die Innenstadt

73

6.3.1. Neubau durch Nachverdichtung

74

6.3.2. Umnutzung bestehender Gebäude

74

6.3.3. Sicherung preiswerten Wohnens

75

6.4.

Beispielstandorte einer wohnwirtschaftlichen Innenstadtentwicklung

75

6.4.1. Standort A: Umnutzung der ehemaligen Hauptschule in der Franzstraße

77

6.4.2. Standort B: Nachverdichtung Bendelstraße

78

6.4.3. Standort C: Sanierung Noppiusstraße

79

7.

Empfehlungen

80

7.1.

Von der Aachen-Strategie-Wohnen 2009 zur Aachen-Strategie-Wohnen 2014 80

7.2.

Orientierung am Szenario „Wirtschaft+“

7.3.

Wohnbaulandmonitoring, Wohnbaulandbericht und Fortsetzung der
Wohnungsmarktbeobachtung

7.4.

82

83

Private Grundstücke: Baulandbeschluss zur Sicherung preisgünstigen
Wohnungsneubaus (Aachener Baulandbeschluss)

85

7.5.

Städtische Grundstücke: Vergabe nach Konzeptqualität

86

7.6.

Wohnungsbaukoordinator / Team Wohnungsbau

87

7.7.

Aktivierung der gewoge AG für den Wohnungsneubau

89

7.8.

Familienbonus / Familienförderung

90

7.9.

Berücksichtigung im Flächennutzungsplan 2030

90

- iii -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

1.

Hintergrund und Aufgabenstellung

Im Jahr 2010 hat der Rat der Stadt Aachen die „Aachen Strategie Wohnen“ beschlossen.
Basis der vorbereitenden wohnungspolitischen Diskussionen war u. a. das Gutachten „Szenarien zur Entwicklung des Wohnungsmarktes und wohnungspolitische Folgerungen“, das
von den Büros empirica und Quaestio im Jahr 2009 vorgelegt wurde. Eine Aktualisierung ist
aus unterschiedlichen Gründen erforderlich geworden:


Veränderte demografische Entwicklungen (erhöhte Zuwanderung) und neue statistische Grundlagen (Zensus) erfordern eine Neujustierung der quantitativen Orientierungswerte.



Die auf der Basis des Gutachtens von 2009 beschlossene Orientierung am Szenario
„Wohnungsmarktoffensive“ konnte nicht umgesetzt werden1, so dass auch die damit
verbundenen baulandpolitischen Aussagen zumindest partiell obsolet geworden sind
und neu gefasst werden sollten. Insofern dient die vorliegende Aktualisierung auch
als Grundlage zur Ableitung des Bedarfs an Wohnbauflächen im Rahmen der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans.



Zwar war die Campusentwicklung schon 2008/9 in der Diskussion, ohne dass jedoch
die Wirkungen auf die Wohnungsnachfrage abgeschätzt werden konnten. Trotz fortbestehender Unsicherheiten über das Entwicklungstempo kann nun auf der Basis des
errichten Umsetzungstandes (realisiertes Cluster „Logistik“) eine erste Abschätzung
zum Verhältnis von angestrebten Arbeitsplatzzahlen und dadurch ausgelösten Nachfrageeffekten auf dem Wohnungsmarkt vorgenommen werden.



Schließlich ist die zwischenzeitlich veränderte Wohnungsmarktsituation Anlass, die
wohnungspolitischen Schlussfolgerungen zu überdenken und die diesbezügliche Beschlusslage zu überprüfen.

Über diese Aspekte einer Aktualisierung hinaus soll mit der vorliegenden Studie zusätzlich
auch eine inhaltliche Flankierung verschiedener aktueller Planungs- und Entwicklungsaufgaben vorgenommen werden. Dies betrifft insbesondere die Vorbereitung des Baugebietes
Richtericher Dell (Kap. 4) sowie die weitere Entwicklung von Aachen-Nord (Kap. 5). Bei der
parallelen laufenden Erarbeitung des Innenstadtkonzeptes ist die detaillierte Analyse der

1

Siehe hierzu auch das Kap. 2.3.1.

-1-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

insgesamt 12 innerstädtischen Wohnquartiere und die darauf basierende Ableitung wohnbauplanerischer Aufgaben eine gewichtige Teilaufgabe. Insofern werden hier (Kap. 6) nur
einige ergänzende Überlegungen zur Innenstadt als Wohnstandort und zu damit verbundenen wohnungspolitisch-instrumentellen Fragen angestellt.
Mit dieser Themenauswahl ist die Aktualisierung der Aachen-Strategie-Wohnen keine vollständige Neuauflage oder Revision der ursprünglichen Version. Die hier nicht behandelten
Themen und Empfehlungen der ersten Aachen-Strategie-Wohnen behalten unabhängig davon ihre Gültigkeit. Hierzu zählen auch die dort diskutierten zielgruppenorientierte Aufgabenstellungen.

2.

Basisanalyse und Szenarien

2.1.

Aktuelle Wohnungsmarktentwicklung

Die Wohnungsmarktentwicklung der letzten 10 bis 15 Jahre ist in Aachen wie in vielen anderen Städten und Regionen uneinheitlich verlaufen. Insgesamt gilt, dass die durch die Finanzmarktkrise verlängerte und dadurch ungewöhnlich lange konjunkturelle Schwächephase
auch die Wohnungsmarktentwicklung gedämpft hat. Stagnierende und teilweise sogar rückläufige Einkommen haben in dieser Zeit dafür gesorgt, dass die Wohnungsnachfrage verhalten blieb und insofern kaum Impulse für den Wohnungsneubau ausgelöst haben. Hinzu kam,
dass sich die Finanzierungsbedingungen für die Investoren als Folge der Finanzmarktkrise
zumindest zeitweise verschlechtert haben.
Von einem sehr hohen Niveau aus den 90er Jahren kommend war die Bautätigkeit während
der 2000er Jahre auf einem im langfristigen Vergleich sehr niedrigen Niveau. Auch gegen
Ende der 2000er Jahre ist die Bautätigkeit auf einem geringen Niveau geblieben. Dies ging
allerdings mit einer Zunahme von Fertigstellungen im Bereich des Mehrfamilienhausbaus
und einer Abnahme beim Bau von Einfamilienhäusern einher. Die Vorgaben des Szenarios
„Wohnungsmarktoffensive“ wurden dabei im Mehrfamilienhausbau ungefähr erreicht, beim
Einfamilienhausbau weit unterschritten.

-2-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 1:

Baufertigstellungen in der Stadt Aachen

Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung

Mit dieser Bautätigkeit korreliert eine positive Bevölkerungsentwicklung. Insbesondere die
Jahre 2010 bis 2012 waren durch einen positiven Wanderungssaldo von knapp 4.000 Personen gekennzeichnet. Insgesamt wird der Wanderungsgewinn von einem Zuzug junger
Menschen (u. a. Studienanfänger) getragen. Unbeeinflusst von diesen Entwicklungen zeigt
sich jedoch der anhaltende Wanderungsverlust gegenüber dem Umland. Dabei verliert
Aachen insbesondere Einwohner an Würselen, Stolberg, Eschweiler und Herzogenrath, so
dass sich zum Rest der Städteregion auch in den Jahren 2010 bis 2012 ein jährlicher negativer Wanderungssaldo von gut 600 Personen ergeben hat. Während Aachen gegenüber dem
Umland junge Erwachsene gewinnt (Altersgruppe 15 bis 24 Jahre), verliert die Stadt in allen
anderen Altersgruppen. Quantitativ besonders bedeutsam sind die Altersgruppen der 25 bis
44-Jährigen und die damit verbundenen Kinder. Dieser anhaltende Wanderungsverlust ist
erfahrungsgemäß i. W. das Ergebnis eines im Preis-Leistungs-Verhältnis besseren Einfamilienhausangebotes in der Region. Entsprechende Verbesserungen des Angebotes in Aachen
würden insofern auf eine Nachfrage treffen und die Umlandwanderung vermindern.
Die beginnenden 2010er Jahre sind von einer sehr intensiven Berichterstattung und öffentlichen Debatte über zunehmende Wohnungsmarktengpässe und rasante Preissteigerungen
für das Wohnen begleitet worden. Insbesondere der Zuzug junger Menschen hat die Wohnungsmärkte in den Städten und vor allem in den Universitätsstädten vor entsprechende
Herausforderungen gestellt bzw. in ihrer kurzfristigen Aufnahmekapazität überfordert. Auch
in Aachen wurden deswegen zusätzliche Aktivitäten zur Unterbringung von Studenten entfaltet (z. B. mit der Kampagne „Extraraum“). Hinzu kam, dass die konjunkturelle Entwicklung

-3-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

ins Positive gewechselt ist und sich in Lohnerhöhungen und einer auch für die Wohnungsnachfrage wirksamen positiven Verbraucherstimmung niedergeschlagen hat.
Abbildung 2:

Wanderungsbewegungen der Stadt Aachen nach Herkunfts- bzw. Zielregion (2010 bis 2012)

Anmerkung: Die Wohnungsmarktregion umfasst die Kommunen der Städteregion Aachen (Alsdorf, Baesweiler,
Eschweiler, Herzogenrath, Monschau, Roetgen, Simmerath, Stolberg, Würselen) ohne die Stadt Aachen
Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung

Abbildung 3:

Wanderungsbewegungen zwischen der Stadt Aachen und der Wohnungsmarktregion nach Alter (2010 bis 2012)

Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung

Allerdings ist die Aufgeregtheit der Debatte (abseits der dringlichen Unterbringungsprobleme) nicht ganz durch die reale Entwicklung gedeckt. In der Städteregion Aachen hat sich
zwischen 2008 und 2013 ein Anstieg der Angebotsmieten von jährlich knapp 3% ergeben.

-4-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Damit befindet sich die Städteregion auf einem Niveau mit den nordrhein-westfälischen
Groß- und Universitätsstädten Bonn, Köln und Münster2. Dies wäre als langfristiger Trend
deutlich zu hoch und entspräche einer spürbaren realen Verteuerung des Wohnens. Allerdings ist dies zunächst ein nominaler Wert, der inflationsbereinigt um 1-2 %-Pkte niedriger
anzusetzen ist. Zudem handelt es sich um die neu angebotenen Wohnungen, bei denen immer auch aufgeschobene Mietpreiserhöhungen im Rahmen eines anstehenden Mieterwechsels nachgeholt werden. Dementsprechend dürften die Bestandsmieten im gleichen Zeitraum kaum in gleichem Maße angezogen haben. Jüngste Beobachtungen lassen auch erwarten, dass sich die Mietpreiskurve aktuell wieder abflacht.
Trotz dieser Relativierungen fällt Aachen im Städtevergleich durch überdurchschnittliche
Preissteigerungen auf. Die unten stehende Abbildung enthält zunächst nur Wert für die Städteregion. Die im Wohnungsmarktbericht 20133 der Stadt Aachen dargestellten Mietpreisveränderungen zeigen jedoch, dass der Mietpreisanstieg in Abhängigkeit von der Wohnungsgröße bzw. der Raumzahl zwischen 4,1% und 5,9% p.a. rangiert und damit deutlich höher
ausfällt als in den Vergleichsstädten Bonn, Köln oder Münster. Die höchsten Preissteigerungen werden dabei nicht nur für Appartements (4,6% p.a.) erzielt, sondern auch für große
Wohnungen mit vier oder mehr Räumen (5,1% p.a.) und Häuser zur Miete (5,9% p.a.).4
Wohnungen mit zwei oder drei Räumen sind im Mittel um 4,1% bzw. 4,2% teurer angeboten
worden. Richtig ist aber auch, dass Aachen immer noch spürbar günstigere Mieten aufweist
als die genannten Vergleichsstädte.

2

Da die Städteregion neben der Stadt Aachen auch noch umliegende Städte und Gemeinden umfasst, in
denen die Mietpreissteigerungen mit hoher Wahrscheinlichkeit geringer ausfallen (entsprechend der anderen Umlandkreise in Abbildung 4), liegt die Mietpreissteigerung in der Stadt Aachen vermutlich noch über
dem hier angegebenen Wert.

3

Siehe: Stadt Aachen (Hrsg.): Wohnungsmarktbericht 2013, S. 36.

4

Für den deutlichen Preisanstieg bei den familiengeeigneten Mietwohnungen und Miethäusern muss nicht
unbedingt eine erhöhte Zahl von Familien ausschlaggebend sein. Stattdessen können hier auch Sekundäreffekte zum Tragen kommen. Die erhöhte Nachfrage bzw. Knappheit bei Kleinwohnungen und Studentenappartements kann sich durch Bildung größerer WGs auch auf das Segment der großen Wohnungen
ausdehnen. Zudem kann die kapitalmarktgetriebene Erhöhung der Eigentumspreise zeitglich die Eigentumsbildung der Familien behindert und deren Mietnachfrage stabilisiert haben.

-5-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 4:

Jährliche Veränderung der Neuvertragsmieten (Angebotsmieten) zwischen 2008 und 2013 in ausgewählten Städten

Quelle: empirica-Preisdatenbank (Spiegel Online)

Die im Durchschnitt der letzten 15 Jahre eher moderat als rasant steigenden Wohnungsmieten und Wohnungspreise sind auch das Ergebnis einer eingeschränkten Zahlungsbereitschaft für das Wohnen. Anders als in vergangenen Jahrzehnten blieben die Lohnzuwächse
gering und die Bereitschaft, immer größere Anteile des Einkommens für das Wohnen aufzuwenden, ist angesichts steigender Belastungen in anderen Bereichen zunehmend geschwunden. Nicht nur die steigenden Wohnnebenkosten, sondern auch steigende Gesundheits- und Vorsorgelasten (Zuzahlungen, private Zusatzabsicherungen) belasten die privaten
Budgets. Hinzu kommen weiter bestehende und durch immer neue Optionen angefachte
Konsumwünsche. Insgesamt kann es so auch bei stagnierenden Wohnungsmieten insbesondere bei den unteren Einkommensgruppen zu verschlechterten Bedingungen der Wohnungsversorgung kommen. Dies gilt in besonderem Maße für die Großstädte mit ihren relativ
teuren und engen Wohnungsmärkten.
Die intensiv geführte wohnungspolitische Debatte bezieht sich darüber hinaus auch auf die
kleinräumigen Unterschiede. Zwar liegen für Aachen keine aussagekräftigen Daten vor, doch
kann man auf der Basis entsprechender Analysen für andere Städte und entsprechender
Erfahrungsberichte für Aachen vermuten, dass die ohnehin beliebten und schon bisher teuren Stadtteile und Quartiere vielfach weiterhin Ziel einer wachsenden Nachfrage nach attraktiven Wohnstandorten sind. Hier sind die Wohnungsmieten in den vergangenen Jahren in
der Regel weiter gestiegen. Gut gelegene, bislang eher günstige Stadtteile erleben darüber
hinaus einen erhöhten Nachfragedruck und geraten in einen Aufwertungssog, der mit einer
veränderten Bevölkerungszusammensetzung bis hin zur Verdrängung angestammter Grup-6-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

pen und einer erhöhten Investitionstätigkeit (Bestand) einhergeht. Angefacht wird die Investitionstätigkeit zum Teil noch über die bestehenden Erfordernisse zur energetischen Sanierung oder zum altengerechten Umbau. Dem stehen oftmals andere Stadtteile gegenüber, bei
denen sich Nachfrageschwächen bis hin zu punktuellen Leerständen mit einer Investitionszurückhaltung und stagnierenden oder sogar sinkenden Preisen verbinden. (Eine entsprechende Analyse für Aachen wäre auch als Einstieg in eine ausgeweitete kleinräumige Wohnungsmarktbeobachtung wünschenswert.)
Die zunehmenden kleinräumigen Unterschiede sind einerseits das Ergebnis demografischer
Entwicklungen: Die vermehrt zuziehenden jungen Menschen bevorzugen die Nähe zur Innenstadt und urbane Quartiere. Hinzu kommen möglicherweise eine gewisse Neubewertung
des Urbanen und eine erhöhte Sensibilität gegenüber einer guten Infrastruktur. Man kann
diese auf unterschiedlichen Maßstabsebenen (regional / innerstädtisch) sichtbaren Veränderungen aber auch als Vorboten langfristiger, demografisch getriebener Anpassungen der
Wohnungsmärkte betrachten. Die zentrale Hypothese ist, dass im Bewusstsein eines langfristigen Nachfragerückgangs bereits heute die Investitionsbereitschaft an den schlechter
gelegenen und ausgestatteten Standorten sinkt, weil nicht absehbar ist, dass sie auch bei
sinkender Nachfrage sozial, ökonomisch und letztlich auch infrastrukturell ausreichend stabil
sein werden. Derartige Anpassungen an den demografischen Wandel werden die Städte und
deren Wohnungspolitik in den kommenden Jahren noch vielfach beschäftigen und herausfordern. Für Aachen gilt dies in besonderem Maße, weil hier eine gewissermaßen labile Situation zwischen in Gang kommender regionalwirtschaftlicher Belebung mit positiven Wirkungen auf die Wohnungsnachfrage und überlagernden langfristigen Schrumpfungstendenzen
den Ausgangspunkt bildet.
2.2.

Die jüngere demografische Entwicklung der Stadt Aachen

In den vergangenen Jahren verzeichnet die Stadt Aachen ein leichtes Bevölkerungswachstum. Damit setzt sich der Trend fort, der bereits in der Aachen-Strategie-Wohnen aus dem
Jahr 2009 festgestellt wurde. Zwar weisen die Daten von IT.NRW (Information und Technik
Nordrhein-Westfalen) und des städtischen Melderegisters eine voneinander abweichende
Entwicklung vor 2009 auf, doch kann diese durch die Einführung der Zweitwohnsitzsteuer
und die Einführung eines neuen Einwohnermeldeverfahrens erklärt werden. Für das Jahr
2012 erfasst das Melderegister der Stadt Aachen 248.137 Einwohner, IT.NRW5 261.762
Einwohner. Der im Mai 2011 durchgeführte Zensus ermittelte für die Stadt Aachen 236.420
5

IT.NRW ermittelte die Einwohnerzahlen bis zum Zensus 2011 als Fortschreibung des Bevölkerungsstands
auf Basis der Volkszählung von 1987.

-7-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Einwohner. Darauf basierend fortgeschrieben gibt IT.NRW den Bevölkerungsstand für das
Jahr 2012 mit 240.086 an und liegt damit deutlich unter den bisher angenommenen Zahlen.
Abbildung 5:

Bevölkerungsentwicklung der Stadt Aachen

Anmerkung: Die Einwohnerzahlen des Melderegisters der Stadt Aachen beziehen sich auf die wohnberechtigte
Bevölkerung (Haupt- und Zweitwohnsitze). Im Rahmen der Einführung der Zweitwohnsitzsteuer, veränderter
Einwohnermeldeverfahren und Registerbereinigungen kommt es bei der Erfassung des Melderegisters zu einem
Bevölkerungsrückgang zwischen den Jahren 2005 und 2009. Diesen Zahlen korrespondieren nicht mit tatsächlichen Bevölkerungsverlusten.
Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung; Information und Technik Nordrhein-Westfahlen

Entscheidend für eine Aktualisierung des quantitativen Rahmens der Wohnungsnachfrage ist
jedoch nicht der exakte Ausgangswert der Berechnungen, sondern vielmehr die aus der
Vergangenheit ablesbaren Trends. Ein Blick auf die demografischen Merkmale zeigt, dass in
Aachen, wie in den meisten Regionen Deutschlands, kein natürliches Bevölkerungswachstum stattfindet. Das heißt, dass die Anzahl der Sterbefälle über der Zahl der Geburten liegt
(Abbildung 6). Das leichte Bevölkerungswachstum Aachens, bei gleichzeitigen Schrumpfungstendenzen in Bund und Land, spricht daher für eine relative Attraktivität der Stadt, vor
allem als Ausbildungsstandort. Die Bevölkerungsgewinne ergeben sich letztendlich aus dem
positiven Wanderungssaldo der Stadt gegenüber anderen Regionen Nordrhein-Westfalens
und Deutschlands (bei einem Verlust gegenüber dem Umland).

-8-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 6: Sterbefälle und Geburten in der Stadt Aachen

Anmerkung: Für das Jahr 2006 liegen keine Angaben zu Geburten und Sterbefällen vor.
Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung

Im Vergleich zu den Szenarien der Aachen-Strategie-Wohnen 2009 ist in den Jahren 2010
bis 2012 die Fluktuation der Bevölkerung gestiegen. Während das Basisszenario der
Aachen-Strategie-Wohnen 2009 von durchschnittlich 15.000 abwandernden und 15.300 zuwandernden Personen ausging, waren es tatsächlich im Durchschnitt 16.800 fortziehende
und 18.100 zuziehende Personen. Damit übertrifft die tatsächliche Entwicklung mit einem
Wanderungsplus von 1.300 Personen pro Jahr sogar noch das Szenario „Wirtschaftsexpansion“ (+1000 Pers. p.a.), dass unter den Szenarien das stärkste Bevölkerungswachstum
aufwies. Für eine neue Bevölkerungsprognose, welche den quantitativen Rahmen der Wohnungsnachfrage darstellt, liegen also veränderte Voraussetzungen vor, die in den hier aktualisierten Szenarien aufgenommen werden.
Die Wanderungsbilanz (Abbildung 7) unterstreicht Aachens Bedeutung als Ausbildungsstadt,
denn ein Wanderungsüberschuss ist ausschließlich in den Altersgruppen der 15- bis 19Jährigen und der 20- bis 24-Jährigen festzustellen. In allen anderen Altersklassen liegt die
Zahl der Fortzüge über der der Zuzüge. Die naturwissenschaftlich-technische Ausrichtung
der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) führt zusätzlich dazu, dass sich unter den Zuziehenden überproportional viele junge Männer befinden. In den
Altersgruppen 15 bis 19 und 20 bis 24 sind es 45% bzw. 47% mehr junge Männer als Frau-

-9-

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

en, die nach Aachen ziehen, während das Verhältnis bei den Fortzügen nahezu ausgeglichen ist6.
Abbildung 7:

Durchschnittliche jährliche Wanderungsbilanz der Stadt Aachen nach
Alter und Geschlecht (2010-2012)

Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung

Das ungleichmäßige Wanderungsverhalten in den Altersgruppen der jungen Erwachsenen
führt in der Konsequenz zu einer starken Abweichung der Zusammensetzung der Aachener
Bevölkerung von der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens (Abbildung 8 und Abbildung 9).
Zum einen ist der Anteil der 15- bis 35-Jährigen stark erhöht. Zum anderen befindet sich in
dieser Altersgruppe ein klares Übergewicht an männlicher Bevölkerung, das sich, in abgeschwächtem Ausmaß, auch in den höheren Altersgruppen (bis 55 Jahre) fortsetzt. Das unausgeglichene Geschlechterverhältnis und die Tendenz, dass Paare mit Hochschulabschluss später mit der Familienplanung beginnen als durchschnittliche Paare, erklären zudem, warum die Geburtenzahlen trotz der relativ jungen Bevölkerung Aachens eher gering
sind.

6

In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen verlassen 14% mehr Frauen die Stadt Aachen. In der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen ziehen 18% mehr Männer aus der Stadt in eine andere Region. In dieser
Altersgruppe können sich bereits erste Hochschulabsolventen befinden, welche nach ihrer Ausbildung
Aachen wieder verlassen.

- 10 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 8: Alters- und Geschlechterstruktur der Stadt Aachen 2012

Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung

Abbildung 9: Alters- und Geschlechterstruktur in Nordrhein-Westfalen 2012

Quelle: Information und Technik Nordrhein-Westfahlen

- 11 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

2.3.

Szenarien zur Entwicklung von Bevölkerung, Haushalten und Wohnungsnachfrage

2.3.1.

Grundausrichtung der Szenarien „Wohnungs+“ und „Wirtschafts+“

Bereits eingangs wurde erläutert, dass sich die statistischen Grundlagen für die Ableitung
der künftigen Aachener Stadt- und Wohnungsmarktentwicklung verändert haben. Schon dies
begründet die Neuberechnung von Szenarien im Rahmen der vorliegenden Aktualisierung
der Aachen-Strategie-Wohnen. Darüber hinaus ist zwischenzeitlich deutlich geworden, dass
die Baulandpolitik den Vorgaben des Szenarios „Wohnungsmarktoffensive“ nicht gefolgt ist
bzw. auch aufgrund veränderter Marktkonstellationen nicht folgen konnte.7
Das Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ wollte die zunächst noch marktprägende, aber zu
Ende gehende Welle der Wohnungsnachfrage der Baby-Boom-Generation (insbesondere
Wohneigentumsbildung / Einfamilienhausnachfrage) nutzen und diese Nachfrage durch ein
offensiv verbessertes Angebot stärker in Aachen binden. Auch wenn das damit verbundene
Ziel einer reduzierten Umlandwanderung heute noch geteilt wird, so sind die damit verbundenen quantitativen Vorgaben dennoch neu zu fassen, da sich das Zeitfenster bis zum Ende
dieser Nachfragewelle zwischenzeitlich geschlossen hat. Um dies zu erkennen, genügt ein
Blick auf die vorstehende Bevölkerungspyramide: Die für eine expansive Wohnungsnachfrage und Wohneigentumsbildung relevanten Altersjahrgänge (30 bis knapp über 40 Jahre) sind
mittlerweile recht schwach besetzt. Das Szenario „Wirtschaftsexpansion“ wurde in der damaligen Debatte aufgrund noch ehrgeiziger Zielsetzungen nicht ernsthaft in Betracht gezogen:
Darin wurden die Eckwerte des Szenarios Wohnungsmarktoffensive noch mit den Vorstellungen eines regionalwirtschaftlichen „Take Off“ unterlegt.
In der beschriebenen Ausrichtung hatten die beiden Szenarien aus dem Jahr 2009 einen
recht stark ausgeprägten politisch-normativen Charakter. Die Modellierung orientierte sich
mehr an politischen Zielwerten und hat sich damit bewusst ein Stück weit von den nicht zufriedenstellenden realen Stadtentwicklungstrends gelöst. Im Nachhinein bleibt festzuhalten,
dass die angestrebte Steuerungswirkung dieser politisch-normativen Szenariobildung nicht
eingetreten ist. Von daher gehen die nun vorgelegten Szenarien auch in dieser Hinsicht einen näher an den realen Trends angelehnten Weg.
Das Szenario „Wohnungs+“ beschränkt sich zunächst auf die Fortschreibung der bisherigen langfristigen wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen unter Berücksichtigung

7

Siehe hierzu auch die Vorlage „Wohnen in Aachen – Sachstand und Ausblick“ vom 25.10.2013 (FB23/01).

- 12 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

der angesprochenen Marktanpassung. Insofern handelt es sich um ein Trendszenario, dass
keine wesentlich Veränderung der regionalwirtschaftlichen Dynamik gegenüber den zurückliegenden ein bis zwei Dekaden unterstellt. Allerdings wird in diesem Szenario, aufgrund der
erhöhten Freisetzung von Bestandsobjekten im Ein- und Zweifamilienhaussegment, eine
Veränderung der Wanderungsbeziehungen mit dem Aachener Umland angenommen. Der
Grundgedanke ist, dass die größere Zahl von verfügbaren Bestandobjekten die Chance der
Haushalte ein Aachen zu bleiben ohne politische Zutun (als reine Marktreaktion) erhöht. Die
politisch-normative Komponente eines aktiv verbesserten Wohnungsangebotes in Aachen
wird in diesem Szenario nur in sehr geringer Ausprägung eingebracht.
Das Szenario „Wirtschafts+“ geht neben diesen bereits absehbaren Entwicklungen von
einem steigenden Wirtschaftswachstum aus. Insofern unterstellt es im Verhältnis zur bisherigen Entwicklung eine gewisse Trendänderung. Kern und quantitative Grundlage dieses Szenarios sind die Erwartungen, die v.a. durch die Campusentwicklung der RWTH geweckt werden (vgl. Kapitel 2.2). In der Folge ist zu erwarten, dass insbesondere Hochschulabsolventen
und Jungakademiker neue Perspektiven für ein Leben in Aachen nach dem Studium erhalten
und gegebenenfalls länger in der Stadt verbleiben. Die dementsprechende Abwanderung
würde sinken. Partiell würden auch Arbeitskräfte aus anderen Teilen Deutschlands und darüber hinaus hier ihren Arbeitsplatz erhalten und nach Aachen ziehen. Insofern modelliert das
Szenario „Wirtschafts+“ über die schon in „Wohnungs+“ enthaltenen Effekte hinaus die zusätzliche Wohnungsnachfrage der unmittelbar mit der Campusentwicklung verbundenen
Arbeitskräfte (und ihrer Haushalte). Das Szenario bleibt in seinen Annahmen jedoch vorsichtig, weil hier (noch) nicht berücksichtigt wird, dass der Campus oder andere Impulse die regionalwirtschaftliche Entwicklung auf einen spürbar verbesserten Pfad bringen.
2.3.2.

Wanderungsannahmen in den Szenarien

Marktanpassung und Annahmen des Szenarios „Wohnungs+“
Die Anpassung des Wohnungsmarktes als Reaktion auf die demografische Entwicklung ist
Bestandteil beider Szenarien und konzentriert sich auf die Verteilung der Haushalte auf Einund Zweifamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser. In der aktuellen und der prognostizierten
Altersstruktur Aachens herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Haushalten, die alters- bzw.
sterbefallbedingt ihre Ein- und Zweifamilienhäuser freiziehen und jungen Haushalten im Alter
der Eigentumsbildung, die in diese Bestandsobjekte einziehen können. Unter unveränderten
Bedingungen sind in Zukunft deutlich weniger junge nachrückende Haushalte vorhanden, als
Häuser durch die Alterung der Bevölkerung auf den Markt kommen.

- 13 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 10:

Wanderungsannahmen im Szenario „Wohnungs+“

Anmerkung: Die Prozentzahlen in den Zeilen „Verminderte Abwanderung“ beschreiben die Werte, um welche die
Abwanderung innerhalb des Szenarios gesenkt wurde. Die Prozentzahlen in den Zeilen „Erhöhte Zuwanderung“
beschreiben die Werte, um welche die Zuwanderung innerhalb des Szenarios erhöht wurde.
Quelle: eigene Darstellung

Der Grund hierfür ist die Diskrepanz zwischen einem sehr großen Anteil junger Bevölkerung
im Ausbildungsalter (Anteil der 20-30-Jährigen: 25%) gegenüber einem weitaus geringeren
Anteil der Bevölkerung im Alter der Eigentumsbildung (Anteil der 35-45-Jährigen: 12%). Eine
Ursache hierfür liegt in der hohen Abwanderungsrate der Hochschulabsolventen nach Abschluss ihres Studiums, um an einem anderen Ort in Deutschland oder der Welt ihren Beruf
zu beginnen. Eine andere Ursache liegt darin, dass die Eigentumsbildung in der Stadt bisher
aufgrund eines limitierten Bauflächen- und Bestandsangebots nur unter Einschränkungen
oder hohen Kosten möglich war. In der Konsequenz zog es viele junge Haushalte in das
Aachener Umland. In den Wanderungsstatistiken spiegelte sich dies in einer erhöhten Abwanderung der 30- bis 40-Jährigen in die Wohnungsmarktregion wieder.
In der Zukunft werden sich die Voraussetzungen für dieses Wanderungsverhalten jedoch
ändern. Durch den alters- und sterbefallbedingten Freizug von Ein- und Zweifamilienhäusern
im Stadtgebiet wird sich das Angebot in diesem Segment deutlich erhöhen. Gegebenenfalls
werden die Preise relativ zu anderen Angeboten sinken. In der Folge können die bisher nicht
befriedigten Wohnwünsche der jungen Haushalte auch innerhalb der Stadtgrenzen realisiert
werden und ein Umzug in die umliegende Wohnungsmarktregion wird gebremst.
Das Szenario „Wohnungs+“ geht von einer solchen Entwicklung aus. Um diese Entwicklung
berechnen zu können, sind Annahmen bezüglich der veränderten Wanderungsbewegungen
zu treffen. Für das „Wohnungs+“ Szenario sind die Wanderungsannahmen in Abbildung 10
dargestellt. Das Plus an Wohnungen erklärt sich also primär aus dem Wechselspiel von De-

- 14 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

mografie und Wohnungsmarkt aus und unterstellt keine aktive Wohnungspolitik, wie dies im
Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ aus der Aachen-Strategie-Wohnen 2009 der Fall war.
Annahmen des Szenarios „Wirtschafts+“
Das zweite Szenario „Wirtschafts+“ baut auf dem Szenario „Wohnungs+“ auf. Zusätzlich zu
den Wanderungsannahmen aus dem Wohnungs+ Szenario kommen in diesem Szenario
Überlegungen hinzu, die sich insbesondere an den Erwartungen einer zukünftigen Campusentwicklung orientieren (siehe Kap. 3). Für das Annahmensetting des Wirtschafts+ Szenario
sind vor allem die Aussagen zu den veränderten Wanderungsbewegungen entscheidend.
Entsprechend der Überlegungen zu den erwarteten Konsequenzen der Campusentwicklung
für den Wohnungsmarkt (Kapitel 3.3) ist von einer verminderten Abwanderung insbesondere
der Personen im Alter der Hochschulabsolventen zu rechnen. Da diese Altersgruppe den
Großteil aller Abwanderungen in Aachen ausmacht8 und durch eine positive wirtschaftliche
Entwicklung auch nicht-akademisch ausgebildete Personen an den Standort Aachen gebunden werden, werden die in Prozent ausgedrückten Veränderungen für alle Altersgruppen
übernommen. Für das Szenario wird angenommen, dass die Abwanderung nach NordrheinWestfalen, Deutschland und das Ausland bis 2015 um 2% sinkt. Mit fortwährender Wirtschaftsentwicklung verstärkt sich dieser Effekt bis 2020 um insgesamt 4% und bis 2025 um
6%.

8

Der Anteil der Bevölkerung zwischen 20 und 35 an allen abwandernden Personen beträgt 62%.

- 15 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 11:

Wanderungsannahmen im Szenario „Wirtschafts+“

Anmerkung: Die Prozentzahlen in den Zeilen „Verminderte Abwanderung“ beschreiben die Werte, um welche die
Abwanderung innerhalb des Szenarios gesenkt wurde. Die Prozentzahlen in den Zeilen „Erhöhte Zuwanderung“
beschreiben die Werte, um welche die Zuwanderung innerhalb des Szenarios erhöht wurde.
Quelle: eigene Darstellung

Zusätzlich zu einer verminderten Abwanderung ist bei einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung auch mit einem Zuzug von Arbeitskräften in die Stadt zu rechnen. Da dieser Effekt
entsprechend der Aussagen zur Campusentwicklung jedoch schwächer ausfällt erhöht sich
die Zuwanderung aus allen Regionen bis 2015 nur um 1%, und steigt danach bis 2020 um
insgesamt 2%. Alle Wanderungsannahmen des Wirtschafts+ Szenario sind in Abbildung 11
zusammengefasst.
Die Wanderungsannahmen für das Wirtschafts+ Szenario liegen damit unter denen des
Szenarios „Wirtschaftsexpansion“ aus der Aachen-Strategie-Wohnen 2009. Das Wirtschafts+
Szenario in dieser Aktualisierung der Aachen-Strategie-Wohnen beruht auf Annahmen, die
sich auf mögliche Entwicklungen eines konkreten stadtpolitisch gewollten Projektes beziehen. Es führt letztlich zu der Aussage, dass wenn dieses wirtschaftspolitische Projekt in seiner Gänze entwickelt werden soll, auch wohnungspolitische Konsequenzen daraus abzuleiten sind. Diese werden im folgenden Teilkapitel ausgeführt.
2.3.3.

Bevölkerungsvorausberechnung

Methode und Annahmen
Die entscheidende Größe bei der Quantifizierung der Wohnungsnachfrage ist die Anzahl der
Haushalte. Für die Aktualisierung des quantitativen Rahmens der Wohnungsnachfrage wird
deshalb eine Bevölkerungsprognose berechnet, um daraus die zukünftige Anzahl der Haushalte ableiten zu können. So wie sich auch die vergangene Bevölkerungsentwicklung durch

- 16 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Geburten, Sterbefälle, Zu- und Fortzüge erklären lässt, so sind dies auch die wichtigsten
demografischen Parameter für die Berechnung von Bevölkerungsprognosen und Szenarien:


Anzahl der Geburten: Aus statistischer Sicht ist die Anzahl der Geburten von zwei
Variablen abhängig. Zum einen ist es die Anzahl der Frauen im gebärfähigen Alter.
Sie sind die Basis dafür sind, dass Kinder geboren werden können. Zum anderen ist
es eine spezifische Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau in einem gewissen Alter ein
Kind gebärt. Diese Wahrscheinlichkeit ist für jede Stadt unterschiedlich, da die sozialen Verhältnisse entscheidend für das Alter bei einer Geburt sind. Gerade in einer
Hochschulstadt wie Aachen – mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil akademischer Haushalte – ist hierbei eine erhebliche Abweichung zu erwarten. Für die Stadt
Aachen wurde daher die Geburtenquote aufgrund einer Betrachtung der Jahre 2007
bis 2012 berechnet. Für die Zukunft wird unterstellt, dass diese Wahrscheinlichkeiten
konstant bleiben.



Anzahl der Sterbefälle: Auch die Anzahl der Sterbefälle setzt sich statistisch gesehen aus zwei Variablen zusammen. Zum einen ist es das Alter eines jeden Einwohners. Zum anderen ist es die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person (nach Alter und
Geschlecht) in einem bestimmten Alter stirbt. Um die Wahrscheinlichkeiten belastbar
zu berechnen benötigt es einer gewissen Fallzahl an Sterbefällen in allen Alters- und
Geschlechterklassen. In Aachen kann eine solche Fallzahl nicht erreicht werden. Da
allerdings auch nicht zu erwarten ist, dass sich die Sterblichkeit in Aachen erheblich
von der andernorts unterscheidet, wurden für die Berechnung der Sterblichkeit die
Sterbetafel Nordrhein-Westfalens von IT.NRW für die Jahre 2009 bis 2011 verwendet.



Anzahl der Zuzüge: Deutlich dynamischer als die Geburten und Sterbefälle sind die
Zuzüge nach und die Fortzüge aus Aachen. Auch hier hilft zunächst ein Blick auf die
Vergangenheit, um Voraussagen für die Zukunft treffen zu können. Aus der Vergangenheit heraus können jedem Einwohner der Wohnungsmarktregion und NordrheinWestfalens (nach Alter und Geschlecht) Wahrscheinlichkeiten zugerechnet werden,
mit der sie in einem Jahr nach Aachen ziehen. Da sich in Zukunft die Bevölkerungszusammensetzung in NRW und Deutschland verändern wird, werden diese Zuzugswahrscheinlichkeiten auf die bestehenden Bevölkerungsprognosen von IT. NRW angewendet. Wenn in Zukunft also die Altersklasse der Studienanfänger im Aachener
Umland und im restlichen Nordrhein-Westfalen schrumpft, wird auch die Anzahl der
Zuwanderer aus diesen Regionen zurückgehen.

- 17 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Kommen die Zuwanderer aus dem übrigen Deutschland oder gar aus dem Ausland,
ist dieses Vorgehen nicht mehr zielführend. Zuwanderung aus diesen Regionen ist
nicht abhängig von der Gesamtzahl aller möglichen Studierenden, sondern von der
relativen Attraktivität Aachens als Ausbildungsstandorts. Für die Zukunft wird also
zunächst von einer Konstanz der Zuwandererzahlen ausgegangen, die aus den Jahren 2010 bis 2012 gemittelt wurden. Eine Veränderung dieser Zahlen erfolgt in den
Szenarien entsprechend der Wanderungsannahmen.


Anzahl der Fortzüge: Für die Berechnung der Fortzüge richtet sich der Blick nicht
nach außen auf die Zielregionen, sondern nach innen auf die Aachener Bevölkerung.
Nach Alter und Geschlecht werden aus den Jahren 2010 bis 2012 Wahrscheinlichkeiten berechnet, mit denen eine Person Aachen in Richtung einer der Zielregionen
(Wohnungsmarktregion, übriges NRW, übriges Deutschland, Ausland) verlässt. Für
jedes Prognosejahr können auf diese Weise spezifische Abwanderungszahlen berechnet werden. Entsprechend der spezifischen Annahmen werden die Zahlen für die
beiden Szenarien angepasst.

Ergebnisse der Szenarien
In das Ergebnis der Bevölkerungsprognose fließen alle Annahmen zur demografischen Entwicklung und zur gegenseitigen Einflussnahme mit dem Wohnungsmarkt mit ein (Abbildung
12). In beiden Szenarien steigt demnach die Bevölkerungszahl in den nächsten Jahren auf
über 250.000 Einwohner. Im Szenario Wohnungs+ kommt es in der Folge zu leichten Bevölkerungsverlusten. Im Jahr 2030, also am Ende des Betrachtungszeitraums, leben in diesem
Szenario in etwa so viele Menschen in Aachen, wie 2012 (2012: 248.000 Einwohner; 2030:
245.000 Einwohner). Im Szenario Wirtschafts+ wächst die Bevölkerung bis ins Jahr 2018
(252.500 Einwohner). Danach bleibt die Zahl der Einwohner bis zum Ende des Betrachtungszeitraums konstant (2030: 252:500 Einwohner).

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 12:

Ergebnisse der Szenarien „Wohnungs+“ und „Wirtschafts+“ für die
zukünftige Bevölkerungsentwicklung

Anmerkung: Die Einwohnerzahlen des Melderegisters der Stadt Aachen beziehen sich auf die wohnberechtigte
Bevölkerung (Haupt- und Zweitwohnsitze). Im Rahmen der Einführung der Zweitwohnsitzsteuer, veränderter
Einwohnermeldeverfahren und Registerbereinigungen kommt es bei der Erfassung des Melderegisters zu einem
Bevölkerungsrückgang zwischen den Jahren 2005 und 2009. Diesen Zahlen korrespondieren nicht mit tatsächlichen Bevölkerungsverlusten.
Quelle: Stadt Aachen - FB02/3 Statistik und Stadtforschung; eigene Berechnungen

Die Differenz zwischen den beiden Szenarien ist im Wesentlichen durch die Annahme eines
wirtschaftlichen Aufschwungs durch die Campusentwicklung zu erklären. Entsprechend den
Berechnungen in Kapitel 2.2 erzeugt dies Wanderungsgewinne von 5.000 Personen bis
2030, ohne dabei Sekundäreffekte9 zu beachten. Werden auch diese Effekte berücksichtigt,
so kann die gesamte Differenz von 7.500 Personen zwischen den beiden Szenarien durch
die Campusentwicklung erklärt werden.
2.3.4.

Haushaltsvorausberechnung

Methode und Annahmen
An die Bevölkerungsvorausberechnung schließt sich die Vorausberechnung der Haushalte
an. Die Anzahl der Haushalte ist die entscheidende Größe für die Bestimmung des zukünftigen Wohnungsbedarfs in Aachen. Für die Berechnung der Haushaltszahlen werden Haushaltsvorstandsquoten verwendet. Diese Quoten ordnen jeder Person (nach Alter) eine Wahrscheinlichkeit zu, mit der sie Vorstand eines Haushalts ist. Aufsummiert über alle Aachener
Einwohner ergibt dies die Anzahl der Haushalte in der Stadt.
9

Bei Personen in Partnerschaften und/oder mit Kindern kann der Wanderungsgewinn des Haupteinkommensbeziehers den Verbleib bzw. Zuzug mehrerer Personen zur Folge haben. Zudem sind sekundäre Arbeitsmarkteffekte durch die Campusentwicklung denkbar (siehe Kap. 2.2).

- 19 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Auch die Haushaltsvorstandsquoten werden aus der Vergangenheit abgeleitet. Für Aachen
liegt eine solche detaillierte Haushaltsschätzung letztmalig für das Jahr 2007 vor. Zwar wurde im Jahr 2011 durch den Zensus die Haushaltszusammensetzung deutlich detaillierter
erfasst, doch lagen diese Sonderauswertungen zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie noch
nicht vor10. Lediglich die Gesamtzahl der Aachener Haushalte ist in den Ergebnissen des
Zensus mit 136.790 angegeben. Auf dieser Basis wurden die Quoten aus 2007 für das Jahr
2011 angepasst. Diese neuen Haushaltsvorstandsquoten werden bei der Haushaltsvorausberechnung auf die Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnungen angewendet. Für den
Prognosezeitraum kann auf diese Weise sowohl die Gesamtzahl der Haushalte als auch die
Struktur der Zusammensetzung vorausgerechnet werden. Beides ist für die Prognose der
Wohnungsnachfrage wichtig, um Aussagen über die Verteilung auf die Marktsegmente (Einund Zweifamilienhäuser bzw. Mehrfamilienhäuser) treffen zu können.
Ergebnisse der Szenarien
Im Wohnungs+ Szenario ergibt die Haushaltsvorausberechnung einen Anstieg der Haushaltszahlen entsprechend der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2015 auf
ca. 141.000 Haushalte (Abbildung 13). Danach sinkt die Zahl der Haushalte auf 134.700 im
Jahr 2030 und damit unter den Stand von 2012 (137.700 Haushalte). Auch im Wirtschafts+
Szenario steigt die Anzahl der Haushalte zunächst (2020: 142.000 Haushalte) bevor sie
auch in diesem Szenario danach abfällt (2030: 140.000 Haushalte), obwohl sich die Zahl der
Einwohner stabilisiert. Der Grund hierfür liegt in der sich zukünftig ändernden Bevölkerungszusammensetzung. Auf lange Sicht sind die hohen Studentenzahlen (Bevölkerung im Alter
zwischen 20 und 30) prognostisch nicht mehr darzustellen. Anders ausgedrückt sinkt die
Zahl potentiell zuwandernder Personen aus dem Aachener Umland und in NordrheinWestfalen stärker als die Zuwanderungsquoten steigen. Auf diese Weise schrumpft die Altersgruppe derer, die vor allem in Einpersonenhaushalten leben und somit zu einer insgesamt hohen Anzahl an Haushalten beitragen. Gleichzeitig steigt durch die Annahmen des
Wirtschafts+ Szenarios die Zahl der Personen in dem Alter, in dem neben der Eigentumsbildung auch die Familiengründung einsetzt und die Personen in durchschnittlich größeren
Haushalten leben. Auf dieselbe Anzahl an Personen entfallen somit weniger Haushalte. Das
Zusammenspiel dieser beiden Effekte führt im Ergebnis zu einer insgesamt sinkenden Zahl
der Haushalte ab 2020, trotz einer Stabilisierung der Bevölkerungszahlen.

10

Die Ergebnisse des Zensus 2011 werden von den statistischen Landesämtern (für Nordrhein Westfalen:
IT.NRW) phasenweise ausgewertet und veröffentlicht. Die Haushaltegenerierung für Aachen war bis Mai
2014 noch nicht abgeschlossen.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 13:

Ergebnisse der Szenarien „Wohnungs+“ und „Wirtschafts+“ für die
zukünftige Haushaltsentwicklung

Quelle: eigene Darstellung

2.3.5.

Vorausberechnung der Wohnungsnachfrage

Demografisch bedingter Neubaubedarf unter Berücksichtigung der Marktanpassung
Die Erkenntnis, dass sich mit der Zeit nicht nur die Quantität sondern auch die Qualität der
wohnungsnachfragenden Haushalte ändert, ist auch für die Interpretation der Ergebnisse
aus der Vorausberechnung der Wohnungsnachfrage entscheidend. Zwar geben die Haushaltszahlen bereits die Summe der benötigten Wohneinheiten vor, doch geben sie keine
Auskunft darüber, wie sich die Wohnungsnachfrage auf die Marktsegmente verteilt. Um zu
berechnen, wie viele Ein- und Zweifamilienhäuser und wie viele Mehrfamilienhäuser in Zukunft benötigt werden, werden den Haushalten (nach Haushaltsgröße und Alter des Haushaltvorstands) Wahrscheinlichkeiten zugeschrieben, mit denen sie entweder in einem Einund Zweifamilienhaus oder in einem Mehrfamilienhaus wohnen11. Auf die zukünftigen Haushaltszahlen angewendet ergibt sich so die Nachfrage, die aus der demografischen Entwicklung abzuleiten ist.

11

Das Verhältnis von Haushaltsgröße und Wohnform wird im regelmäßig durchgeführten Mikrozensus erhoben. Letztmalig erfolgte diese Erhebung im Jahr 2010. Allerdings ist bei dieser Erhebung die Stichprobe
für die Stadt Aachen zu klein, um verlässliche Angaben zu liefern. Aus diesem Grund wurden die Ergebnisse des Mikrozensus für alle Städte Nordrhein-Westfalens mit 180.000 bis 380.000 Einwohnern ausgewertet und gemittelt, um das Verhältnis zwischen den Altersklassen des Haushaltvorstandes abbilden zu
können. Diese Verteilungskurve wurde auf die Gesamtzahl aller bewohnten Wohnungen in Aachen angepasst.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Die demografische Entwicklung ist aber nicht die einzige Triebfeder zur Erklärung zukünftiger
Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt. Auch innerhalb des Wohnungsmarkts stehen die
Marktsegmente in Wechselwirkung zueinander. So kann ein erhöhtes Angebot im Segment
der Ein- und Zweifamilienhäuser (und damit geringere Preise) entweder die Nachfrage nach
Ein- und Zweifamilienhäusern im Aachener Umland oder im Segment der Mehrfamilienhäuser abgraben. Anders gesagt können bei veränderten Rahmenbedingungen Ein- und Zweifamilienhäuser für Zielgruppen attraktiv werden, die bisher entweder mit einem Haus im
Aachener Umland oder einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus vorliebgenommen haben,
obwohl sie eigentlich eine Präferenz für das Wohnen im Ein- und Zweifamilienhaus innerhalb
der Stadtgrenzen haben. Eine solche Reaktion des Wohnungsmarktes hätte zur Folge, dass
ein starker Anstieg des Leerstands im Bestand von Ein- und Zweifamilienhäusern verhindert
würde. Von dieser Annahme geht die Aktualisierung der Aachen-Strategie-Wohnen aus.
Konkret wird bei der Berechnung des Neubaubedarfs angenommen, dass unter diesen Umständen maximal 2% der Ein- und Zweifamilienhäuser in Aachen zukünftig leer stehen werden. Die Konsequenz ist eine zusätzliche Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern, die
über das demografisch Erklärbare hinausgeht. Eine zweite Annahme der Berechnung unterstellt deswegen, dass sich diese nicht direkt demographisch erklärbare Nachfrage zu 75%
aus verminderter Umlandwanderung und zu 25% aus verminderter Nachfrage nach Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zusammensetzt. Diese Marktanpassung ist sowohl im Wohnungs+ als auch im Wirtschafts+ notwendig, da in beiden Szenarien die zukünftige Bevölkerungsentwicklung und Haushaltszusammensetzung nicht ausreichend Nachfrage erzeugt,
um das Angebot auf dem Ein- und Zweifamilienhaussegment zu decken. Die Ursache liegt in
der steigenden Zahl der Sterbefälle in den Jahrgängen mit einem hohen Ein- und Zweifamilienhausanteil, die höher ist als die Zahl der nachrückenden Jahrgänge. Aus der demografischen Entwicklung der Stadt Aachen ist daher weder im Szenario Wohnungs+ als noch im
Szenario Wirtschafts+ eine zusätzliche Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern zu
erwarten.
Anders stellt sich die Situation auf dem Marktsegment der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern dar. Hier liegt im Szenario Wohnungs+ der demografisch bedingte Neubaubedarf bis
2015 bei ca. 680 Wohnungen pro Jahr. Der in den darauf folgenden Jahren erwartete Rückgang der Bevölkerungs- und Haushaltszahlen führt in den Jahren bis 2030 zu keiner weiteren demografiebedingten Nachfrage. Im Szenario Wirtschafts+ ist bis ins Jahr 2020 mit einer
demografiebedingt erhöhten Nachfrage nach Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zu rechnen. Bis 2015 liegt diese bei jährlich ca. 730 Wohnungen und danach bis 2020 bei ca. 205
Wohnungen pro Jahr.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Neubau als Ersatz für ausscheidende Wohnungen (Ersatzbedarf)
Zusätzlich zu der demografisch bedingten Neubaunachfrage ist auch der so genannte Ersatzbedarf zu berücksichtigen. Dies ist der Neubaubedarf der dadurch entsteht, dass Wohnungen aus dem Markt ausscheiden. Dies kann durch den unbewohnbaren Zustand eines
Gebäudes (Verfall und/oder Abriss), die Zusammenlegung mehrerer Wohnungen zu einer
größeren Wohnung oder durch die Umnutzung von Wohnungen (z.B. durch Büronutzung)
geschehen. Empirisch ist die Größenordnung dieses Ersatzbedarfs sehr schwer zu ermitteln,
da Wohnungsabgänge statistisch untererfasst werden. Für die Stadt Aachen liegt die statistisch erfasste Quote bei jährlich 0,03% des Wohnungsbestands in den Jahren 2000 bis
2012. Gängige Annahmen für den Ersatzbedarf liegen zwischen 0,2% und 0,3%. Diese Zahlen sind allerdings ebenfalls zu hinterfragen, da sie, wenn sie überhaupt empirisch abgeleitet
wurden, unter veränderten Marktsituationen ermittelt wurden und heute nicht mehr gültig
sind12. Für die Berechnung des Neubaubedarfs in der Aktualisierung der Aachen-StrategieWohnen wird daher von einem Ersatzbedarf von jährlich 0,1% des Wohnungsbestands ausgegangen. Dies entspricht für die Stadt Aachen ca. 30 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern und ca. 110 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern.
Qualitativer Mindestbedarf an Neubauwohnungen
Abseits des durch Demografie und Ersatzbedarf begründeten Neubaubedarfs gibt es noch
eine weitere Variable zur Bestimmung der Neubaunachfrage. So ist auch in schrumpfenden
Städten festzustellen, dass trotz mangelnder demografiebedingter Nachfrage dennoch Neubau betrieben wird. Dies erklärt sich durch die Wohnqualität und die Möglichkeiten zur
Selbstverwirklichung, die ein Neubauhaus oder eine Neubauwohnung mit sich bringen. Neubau kompensiert also nicht nur mangelndes Wohnungsangebot auf dem bestehenden Wohnungsmarkt, sondern ist für sich ein eigenes Marktsegment, das eine eigene Nachfrage erzeugt. Auch diese Nachfrage sollte auf einem intakten Wohnungsmarkt befriedigt werden
können. Um die Nachfrage auf dem Neubausegment für Aachen zu quantifizieren, kann ein
Blick auf bereits schrumpfende Städte geworfen werden (Abbildung 14). Im Durchschnitt
werden in diesen Städten 1,25 Wohnungen pro 1000 Einwohner und Jahr fertiggestellt (2008
bis 2011). Aachen liegt in diesem Zeitraum bei 1,43 Wohnungen, die sich zu jeweils 50% auf
das Segment der Ein- und Zweifamilienhäuser und das der Mehrfamilienhäuser verteilt.

12

Zum einen kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem starken Wachstum des Dienstleistungssektors
(Tertiärisierung), der inzwischen abgeschwächt ist. Im Zuge dieser Entwicklung kam es vielerorts zur Umnutzung von Wohnungen durch Büros. Außerdem wurden in großen Sanierungsmaßnahmen Wohngebäude abgerissen. In diesen Zusammenhängen ermittelte Quoten für den Ersatzbedarf würden demnach
deutlich über aktuell und zukünftig erwartbaren Quoten liegen.

- 23 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Für die Berechnung des zukünftigen Neubaubedarfs wird angenommen, dass sich der Mindestbedarf von Neubauwohnungen auf 300 Wohneinheiten pro Jahr beläuft. Dies entspricht
in etwa den 1,25 Wohnungen pro 1000 Einwohner, die in bereits schrumpfenden Städten
beobachtet werden können. Die 300 Wohneinheiten verteilen sich dabei unabhängig von der
Bautätigkeit in dem anderen Marktsegment zu je 150 Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern und 150 in Mehrfamilienhäusern.
Abbildung 14:

Einwohnerentwicklung und Bautätigkeit in den kreisfreien Städten

Quelle: destatis; eigene Darstellung

Ergebnisse der beiden Szenarien
Die demografische Entwicklung, die Reaktion des Wohnungsmarktes, der Ersatzbedarf und
der Mindestbedarf an Neubauwohnungen sind die vier Variablen, die den Neubaubedarf bestimmen. Für die beiden Szenarien Wohnungs+ und Wirtschafts+ ist dieser Bedarf berechnet
worden. Die Ergebnisse hierzu finden sich nach Marktsegmenten (Ein- und Zweifamilienhaus
bzw. Mehrfamilienhaus) und in 5-Jahres-Schritten aufgeteilt in Abbildung 15.
Rechnerische Ergebnisse wurden dabei aus methodischen Gründen auch für die Jahre 2013
bis 2015 erzeugt. Im Wesentlichen ausgehend von der Zuwanderung von jungen Menschen
ergibt sich dabei in beiden Szenarien eine jährliche Wohnungsnachfrage und potenzielle
Bautätigkeit von 750 bis 800 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, die in der Realität so nicht
- 24 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

zu beobachten ist. Offenbar hat die Zuwanderung keine entsprechende Bautätigkeit ausgelöst. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden stattdessen bestehende Wohnraumreserven (bislang leer stehende Zimmer, Souterrain- oder Dachgeschosswohnungen) besser ausgenutzt,
so wie es auch die Initiative „Extraraum“ angestrebt hat. Unbekannt ist, in welchem Umfang
hierdurch dauerhaft tragfähige Wohnverhältnisse begründet werden bzw. in welchem Umfang es sich um temporäre Lösungen und insofern nur um eine aufgeschobene Nachfrage
mit dementsprechend zeitlich verlagertem Neubaubedarf handelt. Unterstellt man, dass 50%
der Wohnverhältnisse nur temporären Charakter haben und im Zeitraum 2013 bis 2015 insgesamt 800 Wohnungen (MFH) gebaut werden13, ergibt dies eine nicht befriedigte und dementsprechend in den nächsten Jahren zusätzlich zu bewältigende Neubaunachfrage von ca.
700 bis 800 Einheiten. Dies bedeutet, dass auch in den Jahren über 2015 hinaus der Neubaubedarf über dem qualitativen Mindestbedarf von 150 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern liegen wird.
Abbildung 15:

Jährlicher Neubaubedarf in den Wohnungsmarktsegmenten
Ein- und Zweifamilienhäuser

Wohnungs+

rechner. Ergeb nis für

Szenario

Wirtschafts+

rechner. Ergeb nis für

Szenario

Mehrfamilienhäuser
Insgeamt

davon durch
Demografie
bedingt

davon
Ersatzbedarf
(0,1%)

Verluste an
EZFHSegment

30

751

684

105

-38

0

31

150

0

108

-51

150

0

32

150

0

109

-55

150

0

32

150

0

109

-49

Insgeamt

davon durch
Demografie
bedingt

davon
Ersatzbedarf
(0,1%)

2013 b is 2015

150

0

2016 bis 2020

150

2021 bis 2025
2026 bis 2030
2013 b is 2015

150

0

30

801

733

105

-37

2016 bis 2020

150

0

31

273

205

109

-40

2021 bis 2025

150

0

32

150

0

109

-39

2026 bis 2030

150

0

32

150

0

110

-32

Anmerkung: Der Neubaubedarf insgesamt wird in den meisten Zeiträumen durch den oben beschriebenen qualitativen Mindestbedarf an Neubauwohnungen bestimmt. Demografiebedingte Nachfrage und Ersatzbedarf werden
in diesen Fällen von dem Mindestbedarf kompensiert. Neubaubedarf der in dem Zeitraum bis 2015 nicht mehr
realisiert werden kann verschiebt sich zu einem Teil auf die darauf folgenden Jahre (siehe Text).
Quelle: eigene Darstellung

Ansonsten beschränkt sich der künftige Neubaubedarf in beiden Szenarien primär auf den
Ersatzbedarf und die aus qualitativen Gründen zu erwartende Neubaunachfrage. Lediglich
im Zeitraum 2016 bis 2020 ergibt sich im Szenario „Wirtschafts+“ noch eine demografisch
bedingte Wohnungsnachfrage im Mehrfamilienhausbereich, die einen Neubaubedarf von ca.
270 Wohnungen im Mehrfamilienhausbereich und von daher eine Verstetigung der jüngeren
Bauleistungen nahelegt. Unter Berücksichtigung der nicht bewältigenden Wohnungsnachfrage der vergangenen Jahre ist dies jedoch nicht ausreichend, so dass insbesondere mit Blick
13

Im Jahr 2011 wurden in Aachen 281 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern fertiggestellt. Im Jahr 2012 waren es 241 Wohnungen.

- 25 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

auf das Szenario „Wirtschafts+“ eine Steigerung auf 350 bis 400 Wohnungen jährlich angestrebt werden sollte.
Die vorstehenden Zahlen machen insgesamt deutlich, dass sich die Aachener Wohnungsmarktentwicklung und insbesondere der Wohnungsneubau künftig in einem anderen „Fahrwasser“ bewegen. Der Wohnungsneubau ist immer deutlicher eine Antwort auf veränderte
Wohnbedürfnisse und sich wandelnde qualitative Anforderungen an das Wohnen und immer
weniger pure Notwendigkeit zur Unterbringung von mehr Haushalten und zur Befriedigung
wachsender Wohnflächenansprüche pro Haushalt. Die Befreiung von der Notwendigkeit,
eine quantitativ wachsende Wohnungsnachfrage versorgen zu müssen, beinhaltet zugleich
die Chance den Wohnungsneubau gezielter und eindeutiger als stadtentwicklungspolitisches
Instrument z. B. zur Reduzierung der Umlandwanderung oder zur erleichterten Versorgung
bestimmter Zielgruppen (z. B. Familien) einzusetzen. Weiterhin wird der Wohnungsneubau
seine Bedeutung in der städtebaulichen Erneuerung erhalten bzw. ausbauen und nicht zuletzt die Bedienung neuer Nachfragetrends (neue Wohnformen, neue technische Lösungen)
unterstützten können.
2.3.6.

Exkurs: Vergleich mit den Ergebnissen aus 2009

Ein erster Unterschied zwischen den aktueller Ergebnissen und denen aus dem Jahre 2009
entsteht aus den unterschiedlichen Ausgangsniveaus der Einwohnerzahlen und damit korrespondierend auch der Haushaltszahlen. Die 2009er Prognose hat die jüngere Zuwanderungswelle etwas unterschätzt und von daher zu einem von der Realität abweichenden Bevölkerungsstand geführt. Wichtiger als das unterschiedliche Ausgangsniveau ist jedoch der
zukünftige Verlauf. Das Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ (2009) hat ein gravierend ausgeweitetes Baulandangebot als Mittel zur Bindung von abwandernden Haushalten unterstellt.
Dies hat rechnerisch nicht nur eine leicht verminderte Schrumpfungstendenz bei Bevölkerung und Haushalten erzeugt, sondern geht auch mit einer entsprechend erhöhten Bautätigkeit im Einfamilienhaussegment einher.
Beide neuen Szenarien (2014) gehen hier einen anderen Weg. Die Einfamilienhausnachfrage und die damit verbundene Wohneigentumsbildung wird hier lediglich aus dem Umstand
der zukünftig vermehrt auf den Markt kommenden Gebrauchtobjekte forciert (und nicht zusätzlich durch offensiv vermehrtes Neubauangebot). Dementsprechend ist das Ausmaß der
verminderten Umlandwanderung in den neuen Szenarien etwas geringer, d.h. es wandern
mehr Menschen ab. Dies spiegelt sich in dem demografisch etwas ungünstigeren Verlauf
des Szenarios „Wohnungs+“ (2014) wieder. Das Szenario „Wirtschafts+“ kompensiert dies
durch den Einbezug der positiven Wirkungen der Campusentwicklung, so dass hier zusätz- 26 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

lich zum Unterschied im Ausgangsniveau (Niveaueffekt in Höhe von ca. 5.000 HH) noch ein
Entwicklungseffekt (ca. 1.000 HH) zum Tragen kommt.
Abbildung 16:

Vergleich von Einwohner- und Haushaltszahlen zwischen dem Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ (2009) und den neuen Szenarien
(2014)

Quelle: eigene Berechnung

Bezogen auf diesen Entwicklungseffekt müsste sich im Szenario „Wirtschafts+“ (2014) eine
gegenüber der Wohnungsmarktoffensive“ (2009) erhöhte Bautätigkeit ergeben. Tatsächlich
weist das Szenario eine insgesamt geringere Neubautätigkeit aus. Dies begründet sich i. W.
aus den veränderten Annahmen zum Ersatzbedarf. Die 2009er Szenarien unterstellen einen
Wert von 0,25% p.a.. Statistisch nachgewiesen wird in den jüngeren Jahren ein Wegfall von
Wohnungen in Höhe von 0,05% p.a.. Allerdings ist hier von einer Untererfassung auszugehen, so dass in den 2014-Szenarien mit 0,1% p.a. gerechnet wird. Die veränderte Struktur in
der Zusammensetzung der Bautätigkeit (EZFH/MFH) ergibt sich aus den Annahmen zur Dynamik des Einfamilienhaussektors, der im Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ (2009) nicht
nur zu einer verminderten Umlandwanderung, sondern auch zu einer Nachfrageverlagerung
aus dem Mehrfamilienhaussegment führt und insofern dort das erforderliche Neubauvolumen
reduziert.

- 27 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 17:

Vergleich der Neubaunachfrage zwischen dem Szenario „Wohnungsmarktoffensive“ (2009) und den neuen Szenarien (2014)

Quelle: eigene Berechnung

2.3.7.

Flächenbedarfe für den Wohnungsbau – Grundlage für den neuen FNP

Schon die vorstehende Abbildung macht deutlich, dass der Bauland- und Grundstücksbedarf
in den hier entwickelten Szenarien gegenüber dem Szenario „Wohnungsmarktoffensive“
(2009) zurückbleibt. Entscheidend sind die insgesamt etwas geringere Bautätigkeit sowie die
Verschiebung der Bautätigkeit vom Einfamilienhaus- in den Geschosswohnungsbereich. Der
sich hieraus ergebende Bauland- und Grundstücksbedarf ist in der folgenden Abbildung unter Zugrundelegung von durchschnittlichen Dichten dargestellt.
Bei der Erarbeitung dieser Studie konnten keine Angaben zu den vorhandenen Bauland- und
Grundstücksreserven (z. B. Restflächen in rechtskräftigen B-Plänen, Potenzialreserven im
aktuellen FNP) mobilisiert werden. Ebenso fehlen in Aachen Erfahrungswerte zu den
Wohneinheiten, die jährlich z. B. in Baulücken (§ 34 BauGB) oder in kurzfristig realisierten
V+E-Plänen (z. B. Mobilisierung kleinerer Gewerbebrachen oder andere Umnutzungen in
Richtung Wohnungsbau) umgesetzt werden. Aus anderen Städten ist bekannt, dass auf diesem Wege in der jüngeren Vergangenheit nennenswerte Anteile des Wohnungsneubaus
untergebracht werden konnten. Für diese Anteile des Wohnungsbaus ist folglich keine Neuausweisung von Wohnbaugrundstücken erforderlich.

- 28 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 18: Flächenbedarfe für den Wohnungsbau (in ha Nettobauland)
Ein- und Zweifamilienhäuser

Wirtschafts+
Szenario

Summe des
Flächenanspruch Flächenanspruchs
(100 m² Nettobaul.
(Nettobauland)
pro WE)

Wohneinheiten

Flächenanspruch
(350 m² Nettobaul.
pro WE)

Wohneinheiten

1.200

42 ha

1.876

19 ha

61 ha

2021 bis 2025

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

2026 bis 2030

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

Summe bis 2030

2.700

95 ha

3.376

34 ha

128 ha

2016 bis 2020

1.200

42 ha

2.569

26 ha

68 ha

2021 bis 2025

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

bis 2020
Wohnungs+
Szenario

Mehrfamilienhäuser

2026 bis 2030
Summe bis 2030

750

26 ha

750

8 ha

34 ha

2.700

95 ha

4.069

41 ha

135 ha

Quelle: eigene Berechnung

Für die Neuaufstellung des FNP ist von daher zu beachten, dass die oben ausgewiesenen
Flächenbedarfe für den Wohnungsbau nur zum Teil auf neuen im FNP nachzuweisenden
Wohnungsbauflächen realisiert werden müssen. Daraus ergibt sich jedoch die dringliche
Aufgabe, den Umfang der künftig mobilisierbaren Reserven auf der Basis geeigneter Analysen abzuschätzen. Ferner sollte die laufende diesbezügliche Datenhaltung verbessert werden.14
Im vorliegenden Gutachten wurde nicht geprüft, ob die vorhandenen Reserveflächen (insbesondere FNP-Reserven, B-Pläne in Aufstellung) qualitativ und von ihren sonstigen Voraussetzungen (Entwicklungshemmnisse) für den Wohnungsbau geeignet sind. Auch eine derartige Prüfung sollte bei der FNP-Neuaufstellung vorgenommen werden, so dass ggf. weniger
geeignete Flächen oder Flächen mit speziellen Realisierungshemmnissen gegen besser
geeignete getauscht werden können.
Abschließend ist ferner der Hinweis wichtig, dass die hier ausgewiesenen Bedarfe eher als
Untergrenze verstanden werden können. Einmal ist zu berücksichtigten, dass die nachgefragten Qualitäten (inkl. der räumlichen Orientierung) nicht exakt prognostiziert werden können und insofern Flexibilitätsreserven (FNP-Ebene) vorgehalten werden sollten. Zudem werden sich auch nach einer entsprechenden Vorabprüfung nicht alle potenziellen Realisierungshemmnisse ausschließen lassen. Beide Effekte zusammengenommen sollte ein Aufschlag von ca. 30% auf die Basiszahlen (Wohnbauflächen nach Abzug der ermittelten Reserven) vorgesehen werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass die beiden Szenarien (im Unterschied zu den im Jahre 2009 erstellten) für eine vorsichtige Abschätzung der künftigen wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung stehen. Raum für die Realisierung ehrgeizige14

Siehe hierzu auch Kap. 7.3.

- 29 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

rer Stadtentwicklungsziele (Wirtschaft und Wohnen) bieten die auf diesem Wege ermittelten
Werte demzufolge noch nicht.15
2.4.

Fazit

Aachen hat in den letzten Jahren wie viele andere Städte und insbesondere Universitätsstädte einen unerwartet kräftigen Bevölkerungszuwachs und zugleich einen knappheitsbedingten Preisanstieg für das Wohnen erlebt. Insbesondere Familien und Haushalte mit geringen Einkommen bekommen dies zu spüren, da sie ihre Wohnbudgets häufiger als andere
Haushaltstypen schon bis an die Grenzen des Finanzierbaren ausgereizt haben. Ein Teil
dieser jüngeren Entwicklung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eher kurzfristig-konjunktureller
Natur (z. B. Zuwanderungswelle der aktuell quantitativ starken jungen Haushalte). Darüber
hinaus ist Aachen jedoch bestrebt die bislang schon zu beobachtende wirtschaftliche Konsolidierung in einen langfristigen Aufwärtstrend umzuformen (siehe Folgekapitel). Um diese
Entwicklung sinnvoll begleiten zu können, bleibt die nachfragegerechte Bereitstellung von
Grundstücken für den Wohnungsbau eine Daueraufgabe von hoher stadtentwicklungspolitischer Bedeutung. Zwar kann man in Zukunft ausgehend von der gegebenen Altersstruktur
eine höhere Verfügbarkeit von gebrauchten Einfamilienhäusern erwarten, so dass ein größerer Teil der nachrückenden Nachfrage auf diesen Grundstücken befriedigt werden kann.
Gleichzeitig zeigen jedoch die vielfältigen Kontroversen bei der Realisierung von Wohnungsbauvorhaben, dass eine verlässliche politische Haltung zu den anstehenden Aufgaben im
Wohnungsbau und der Wohnungsmarktpolitik immer dringlicher wird.

3.

Wohnungswirtschaftliche Aspekte der Campusentwicklung

3.1.

Hintergrund und Aufgabenstellung

Mit der Entwicklung zweier großflächiger Gebiete als Campus (Erweiterung des Campus
Melaten um 473.000 m² und Entwicklung des Campus West auf 325.000 m² Grundstücksfläche), will die Stadt Aachen gemeinsam mit der RWTH Aachen einen kräftigen Impuls zur
Stärkung des Wissenschaftsstandorts setzen. Zu diesem Zweck gründeten Stadt (Anteil 5%)
und Hochschule (Anteil 95%) die RWTH Campus GmbH, welche für die konzeptionelle Entwicklung und Vermarktung der Gebiete zuständig ist. Das Konzept der Campusentwicklung
zielt insbesondere darauf, aus der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft wirtschaftliche verwertbare Ergebnisse und somit positive regionalwirtschaftliche Effekte zu erzielen.

15

Siehe hierzu auch Kap. 7.1.

- 30 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Im Kontext der aktualisierten Aachen-Strategie-Wohnen geht es vor allem darum, die Wirkungen auf die Wohnungsnachfrage abzuschätzen. Mit diesem Baustein wird eine erste,
noch unvollständige Abschätzung vorgenommen. Unvollständig bleibt die Ableitung, weil
heute weder seriös das Tempo und der Umfang der Campusentwicklung selbst und noch
weniger mögliche regionalökonomische Impulseffekte abgeschätzt werden können. Gerade
weil das Konzept als besonders innovativ und vielsprechend gelten kann, fehlen die Vorbilder zur Ableitung von Erfahrungswerten. Entscheidend für den Erfolg und das Tempo der
Campusentwicklung ist u.a., ob und inwieweit es den Forschern der RWTH auf der Basis
ihrer besonderen Expertise gelingt, Forschungsprojekte und Forschungsgelder (Drittmittel)
zu akquirieren, kooperierende Unternehmen in die Projekte einzubinden und damit auch für
den Campus als Mieter zu gewinnen. Dabei können sie einerseits aufgrund der Einrichtung
des Campus von besseren Bedingungen aus agieren und zugleich an tendenziell steigenden
privaten und öffentlichen Forschungsetats anknüpfen.
Ein Vorhaben von der Größe und Bedeutung der Campusentwicklung wird in der politischen
Diskussion in der Regel mit leicht greifbaren Zielzahlen verbunden. So ist in Aachen die Zielzahl von 10.000 „neuen“ Arbeitsplätzen in Umlauf. Allerdings bleibt schon dabei unklar, ob
damit die Arbeitsplätze in den neuen Campusgebäuden oder die gegenüber einem Referenzpfad (ohne Campusentwicklung) tatsächlich zusätzlich generierten Arbeitsplätze gemeint
sind. Derartige Zahlen haben die Eigenschaft, dass sie im Vorfeld nicht belegbar und auch
nicht widerlegbar sind. Dies kann auch im in diesem Teilbaustein der Aachen-StrategieWohnen nicht gelingen. Immerhin kann festgestellt werden, dass diese Größenordnung ein
sinnvoll erscheinendes Korrelat zu den angedachten Flächen darstellt.
Von daher werden die 10.000 Arbeitsplätze hier als politische Willensbekundung bezüglich
der im Campusgelände anzusiedelnden Arbeitsplätze interpretiert.16 Darauf basierend ist die
Frage zu beantworten, welche Konsequenz eine derartige Arbeitsplatzzahl für die Wohnungsnachfrage und damit auch für die Wohnungspolitik hat. Die Ergebnisse sind in das
Szenario „Wirtschafts+“ eingeflossen.

16

Die Campus GmbH betont in Abweichung zu der hier verwandten Interpretation, dass es sich um 10.000
durch die Campusentwicklung generierte Arbeitsplätze handelt. Bei dem angenommenen Anteil von 25%
nicht-campusinduzierten Arbeitsplätzen (s.u.) auf dem Campus wäre also von insgesamt ca. 13.000 Arbeitsplätzen auszugehen. An anderer Stelle heißt es hingegen, dass in den Forschungsclustern 5.500 Arbeitsplätze entstehen können und weitere 4.500 in den begleitenden Dienstleistungsbereichen auf dem
Campus und in der Region.
(siehe: https://www.blb.nrw.de/BLB_Hauptauftritt/Projekte/RWTH_Aachen_Campus/index.php)

- 31 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

3.2.

Annahmen zu den Auswirkungen der Campusentwicklung

Bei einer angestrebten Grundstücksfläche von ca. 800.000 m² für eine Vielzahl von unterschiedlichen Arbeitsplätzen (Büro, Labor, Lehre, Fertigung, Versuchshallen usw.) ist davon
auszugehen, dass für die 10.000 angestrebten Arbeitsplätze ausreichend Fläche zur Verfügung steht17. Bis zum Jahr 2020 sollen von diesen Arbeitsplätzen bereits 2.500 realisiert
sein. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass jeder räumlich auf dem Campus entstehende Arbeitsplatz auf dem Campus auch tatsächlich durch die dortige Entwicklung neu generiert wird. Neben Neuansiedlungen wird auch die räumliche Verlagerung von Arbeitsplätzen innerhalb der Stadt oder Region eine Rolle spielen.
In 19 thematischen Clustern sollen sich Hochschuleinrichtungen und privatwirtschaftliche
Unternehmen zu Forschungsverbünden zusammenschließen18. In räumlicher Nachbarschaft
kann dort gemeinsam geforscht werden und auf gemeinsame Ressourcen (z.B. Versuchsanlagen, Hallen) zugegriffen werden. Nach ersten Erfahrungen bei der Zusammenstellung von
Clustern19 zeichnet sich eine Verteilung der Arbeitsplätze zu 50 % auf Einrichtungen der
RWTH und zu 50 % auf privatwirtschaftliche Unternehmen ab. Unter den Unternehmen befinden sich zu etwa gleichen Teilen bereits lokal ansässige Firmen, als auch Unternehmen
von außerhalb der Region.
Neben wissenschaftlichen Arbeitsplätzen entstehen sowohl bei den privaten Unternehmen,
als auch in den universitären Einrichtungen Arbeitsplätze für nicht-akademisch ausgebildete
Arbeitnehmer. Hinzu kommen ebenfalls nicht-akademische Arbeitsplätze bei dritten Dienstleistern (z.B. Reinigungsunternehmen, Gastronomie). Insgesamt wird das Verhältnis zwischen akademischen und nicht-akademischen Arbeitsplätzen auf 55% akademisch zu 45%
nicht-akademisch geschätzt.
Bei den Arbeitsplätzen, die in den bereits vor der Campusentwicklung lokal ansässigen Unternehmen und an der Hochschule entstehen, gilt es zu unterscheiden, ob diese von Mitar17

Die bisherige Bebauung befindet sich auf einem Grundstück von 17.000m². Darauf wurden 11.500m²
Nutzfläche realisiert. Bei einer ähnlichen Flächennutzung im restlichen Campusbereich ergäben sich ca.
550.000m² Nutzfläche. Dies entspräche einer Dichte von 55m² pro Arbeitsplatz (bei erhöhtem Flächenbedarf aufgrund von Fertigungs- und Testanlagen). Für einen Büroarbeitsplatz werden üblicherweise ca. 30
m² berechnet.

18

Unternehmen, die sich auf dem Campus niederlassen wollen, müssen sich zunächst bei der Universität
immatrikulieren. Dadurch bekunden sie ihre Verbundenheit mit der Hochschule und verpflichten sich über
die Miete (ab 12,50 €/m²) hinaus einen bestimmten Betrag für die gemeinsame Forschung zur Verfügung
zu stellen.

19

Bislang ist das Cluster Logistik realisiert, kann aber nicht unbedingt als repräsentativ für die folgenden
Cluster gelten. Insofern wurden diese Erfahrungen diskutiert und in abgewandelter Form als Annahmen für
die zukünftige Campusentwicklung zugrunde gelegt.

- 32 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

beitern aus dem Bestand besetzt und von anderen Standorten verlagert werden oder ob es
sich tatsächlich um neue Arbeitsplätze handelt. Dabei ist die Frage entscheidend, ob das
Projektvolumen aus Drittmitteln, durch das die Arbeitsplätze in Zukunft finanziert werden,
auch ohne die Räumlichkeiten und Eigenheiten des Campus zustande kommen würde. Etwa
75% der Arbeitsplätze werden nach Einschätzung der Campus GmbH durch Budget finanziert, welches durch den Campus induziert wurde. Diese würden ohne die Entwicklung des
Campus nicht zustande kommen und könnten Hochschulabsolventen an den Standort
Aachen binden, die ansonsten andernorts eine Anstellung suchen müssten. Aus demografischer und wohnungswirtschaftlicher Perspektive vermindert sich durch diese Art der Projekte
also die Abwanderung in der Altersklasse der Hochschulabsolventen (25- bis 35-Jährige).
Etwa 25 % der Arbeitsplätze würden demnach auch ohne die Entwicklung des Campus an
der RWTH oder in lokal ansässigen Unternehmen beschäftigt sein. Diese Arbeitsplätze von
Bestandsmitarbeitern haben keinen wohnungswirtschaftlichen Effekt.
Größere private Unternehmen verlegen nicht ihre gesamte Forschungs- und Entwicklungsabteilung auf den Campus, sondern lediglich die Teile, in denen sie gemeinsam mit Wissenschaftlern auf dem Campus arbeiten möchten20. Gerade in diesem Bereich sind es junge
akademische Arbeitnehmer, die für die Besetzung der Stellen in Frage kommen. Diese sind
der Grundlagenforschung an der Universität am nächsten und verfügen über spezifische
Kenntnisse der Aachener Forschungslandschaft (thematisch und institutionell). Von daher
wird davon ausgegangen, dass in etwa 50 % der Arbeitsplätze durch Aachener Hochschulabsolventen besetzt werden, denen dadurch eine längere Verbleibsdauer in der Stadt zugeschrieben werden kann. Aus demografischer Sicht drückt sich dies in einer verminderten
Abwanderung in der Altersklasse der 25- bis 35-Jährigen aus. Die anderen 50 % der Arbeitsplätze in den privaten Unternehmen werden aus deren Stammbelegschaft besetzt. Bei
Unternehmen die außerhalb der Region ansässig sind, heißt das, dass diese Arbeitsplätze
von Arbeitnehmern außerhalb der Wohnungsmarktregion besetzt werden. Unter demografischen Aspekten stellt dies eine erhöhte Zuwanderung dar.
Die gesammelten Informationen zur zukünftigen Entwicklung des RWTH Campus bilden das
Annahmengerüst für die wohnungswirtschaftlichen Konsequenzen der Campusentwicklung
(Abbildung 19).
20

Unter den Begriffen der Open Innovation und der Closed Innovation verbinden Unternehmen Teile ihrer
Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit der Forschung an der Universität. Durch die Partizipation an den
Forschungen im RWTH Campus können diese Unternehmen Neuerungen frühzeitig nutzen, in ihre Produktentwicklung einfließen lassen und auf diese Weise Marktvorteile gegenüber Konkurrenten erzielen.
Unter Closed Innovation ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, wenn die Ergebnisse der Forschung
exklusiv bei dem beteiligten Unternehmen verbleiben. Im Fall der Open Innovation stehen die Ergebnisse
auch anderen zur Verfügung. Die originäre Produktentwicklung bleibt in beiden Fällen jedoch an den
Hauptstandorten der Unternehmen bestehen.

- 33 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 19:

Annahmenübersicht zu den Auswirkungen der Campusentwicklung
auf Arbeitsmarkt und Demografie

Quelle: eigene Darstellung

3.3.

Erwartete Auswirkungen der Campusentwicklung

Um die Auswirkungen der Campusentwicklung auf den Wohnungsmarkt zu quantifizieren,
können die getroffenen Annahmen auf die erwartete Anzahl der Arbeitsplätze angewendet
werden (Abbildung 20). Bis zum Ende des Betrachtungszeitraum der Aachen-StrategieWohnen im Jahr 2030 würden demnach von den erwarteten 6.500 Arbeitsplätzen21 etwa
4.000 durch verminderte Abwanderung und knapp 900 durch Zuwanderer besetzt werden.
Bis zum Jahr 2020 ergibt dies eine verminderte Abwanderung von ca. 185 Personen und
einen Zuzug von ca. 40 Personen pro Jahr. Diese Frequenz erhöht sich in den darauf folgenden Jahren noch einmal auf ca. 215 weniger Abwandernde bzw. ca. 50 zusätzliche Zuwanderer in den Jahren bis 2030.

21

Bis zum Jahr 2040 wird von 10.000 Arbeitsplätzen ausgegangen. Bis 2020 sollen es 2.500 sein. Die verbleibenden 7.500 werden gleichmäßig auf die Jahre verteilt (375 p.a.). Für die Jahre 2020 bis 2030 ergeben sich hieraus 3.750 Arbeitsplatz. Zusammen mit den 2.500 für die Jahre 2013-2020 ergibt dies 6.500
Arbeitsplätze im Betrachtungszeitraum des Handlungskonzepts Wohnen.

- 34 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 20:

Auswirkungen der Campusentwicklung auf Arbeitsmarkt und
Demografie

Quelle: eigene Darstellung

Zwei Nachfragetypen für den Wohnungsmarkt können aus den Annahmen zur Arbeitsplatzentwicklung abgeleitet werden. Die meisten der mit der Campusentwicklung verbundenen
Arbeitsplätze sind projektgebunden und auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Die Altersgruppe und das Klientel, das diese Arbeitsplätze besetzt und der Stadt erhalten bleibt,
sind jedoch für den Wohnungsmarkt sehr relevant. In dieser Phase beginnt für die jungen,
fast ausschließlich natur- und ingenieurwissenschaftlich ausgebildeten Akademiker die Lebensphase der Eigentums- und Familiengründung. Gerade die Gruppe der Ingenieure und
Naturwissenschaftler gilt als überwiegend bodenständig und als Vertreter eines klassischen
Lebensstils. Auf dem Wohnungsmarkt drückt sich dies in einer Präferenz für Einfamilienhäuser aus. Entsprechend ihrem Gehalt als wissenschaftliche Mitarbeiter steht ihnen vor allem
das Segment kleinerer Ein- und Zweifamilienhäuser am Stadtrand (z.B. Reihenhäuser) offen.
Dies gilt insbesondere für jenen Teil der Belegschaft, der bereits vor Beginn der Beschäftigung am Standort Aachen sesshaft gewesen ist, also z.B. in Aachen studiert hat. Bei diesen
fördern vorhandene soziale Netze zusätzlich den Wunsch nach einer dauerhaften Bleibe in
Aachen.
Nach heutigem Stand ist daher zu erwarten, dass sich die verminderte Abwanderung von
Jungakademikern vor allem in einer erhöhten Nachfrage nach mittelklassigen Einfamilienhäusern äußern wird.
Der zweite Nachfragetyp sind die nicht-akademischen Arbeitnehmer auf dem Campus. Diese
Gruppe hebt sich auf dem Wohnungsmarkt nicht wesentlich von der Aachener Durchschnittsbevölkerung ab. Aus der verminderten Abwanderung und der steigenden Zuwande-

- 35 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

rung in dieser Gruppe, lässt sich ein erhöhter Wohnraumbedarf entsprechend der für Aachen
üblichen Aufteilung nach Marktsegmenten ableiten.
Eine Ausnahme bleibt der Teil der Belegschaft, den es, von außerhalb kommend, nur für
einen befristeten Arbeitsplatz nach Aachen zieht. Auch für diese Gruppe muss ein passendes Wohnraumangebot geschaffen werden. Da sich diese Nachfrage bereits abzeichnet,
sind auf dem Campus, neben dem Bau von Spezialgebäuden für die Forschung, auch so
genannte Boardinghäuser im Gespräch. Diese würden Wohnraum auf Zeit bieten und könnten gegebenenfalls von Hotelbetreibern errichtet und betrieben werden.
Die Ergebnisse dieses Teilabschnitts stellen keine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung
dar, sondern beruhen auf punktuellen Erfahrungen und den daraus gewonnenen Schätzungen. Dennoch geben diese Schätzungen einen quantitativen Rahmen vor, der wohnungspolitisch berücksichtigt werden muss, wenn die Campusentwicklung in ihrer aktuellen Dimensionierung verfolgt und politisch unterstützt werden soll.
3.4.

Fazit

Mangels geeigneter Vorbilder ist eine Abschätzung der Arbeitsplatzwirkung der Campusentwicklung nur sehr schwer möglich. Während man die entstehenden Arbeitsplätze im Campus
selbst noch aus den ersten positiven Erfahrungen und den noch zur Realisierung anstehenden Clustern einigermaßen ableiten kann, bleibt zunächst offen, wie sich die erhöhte, praxisorientierte Forschungsintensität mit ihren Ergebnissen langfristig regionalwirtschaftlich auswirkt. Die vorstehenden Überlegungen und Berechnungen gehen deswegen hauptsächlich
von den Arbeitsplätzen im Campus selbst aus und schätzen ab, in welchem Umfang sich
dies auf die Wohnungsnachfrage in Aachen auswirkt. Die Ergebnisse haben Eingang in das
Szenario „Wirtschafts+“ gefunden (Kap. 2), das auch als quantitativer Orientierungsrahmen
für die künftige Aachener Wohnungspolitik empfohlen wird (siehe Kap. 7.1.). Da die potenziellen regionalwirtschaftlichen Effekte hier nicht quantifiziert wurden, bildet es dabei eher die
untere Grenze einer durch die Campusentwicklung erzeugten Wohnungsnachfrage ab.

- 36 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

4.

Entwicklungsoptionen für das Plangebiet Richtericher Dell

4.1.

Einordnung des Standorts in die Stadt Aachen

Das geplante Baugebiet „Richtericher Dell“ befindet sich am nördlichen Rand des Stadtteils
Richterich im Nordwesten der Stadt Aachen. Der Bezirk Richterich hatte im Jahr 2013 8.701
Einwohner und liegt im Übergang urbaner und ländlich-suburbaner Siedlungsstrukturen. In
direkter Umgebung des geplanten Baugebietes befinden sich landwirtschaftliche Flächen.
Durch den Stadtteil verläuft die Bahnlinie der Strecke Aachen-Mönchengladbach. Im Süden
verläuft die Autobahn 4.
Das Gebiet liegt räumlich günstig zu den bestehenden und geplanten Standorten von Arbeitsplätzen in Aachen. Nördlich des Standortes liegt der grenzüberschreitende Gewerbepark Avantis in dem sich u.a. DHL und DocMorris ansiedeln wollen. Darüber hinaus liegen
der geplante Campus Melaten sowie Campus West nicht weit entfernt. Das Universitätsklinikum ist in räumlicher Nähe hierzu bereits angesiedelt. Trotz der Randlage wären für die dort
Arbeitenden mit dem Wohnstandort Richtericher Dell kurze Wege verbunden.
Abbildung 21:

Lage des Gebietes Richtericher Dell in der Stadt

Richtericher
Dell

Quelle: eigene Darstellung, Kartengrundlage openstreetmap.org

- 37 -

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Abbildung 22:

Lage des Baugebiets „Richtericher Dell“ am Rande von Richterich

Quelle: Stadt Aachen

4.2.

Infrastruktur

4.2.1.

Verkehrliche Anbindung

Mit dem Auto erreicht man die Innenstadt Aachens von dem Gebiet „Richtericher Dell“ aus in
knapp 10 Minuten (5-6 km) über die Roermonder Straße. Die Autobahn 4 ist über die Anschlussstelle Aachen-Laurensberg in weniger als 10 Minuten zu erreichen.
Die ÖPNV-Anbindung ist entsprechend der randstädtischen Lage des Gebietes eingeschränkt. Von der Haltestelle Vetschauer Weg, welche direkt am 1. Bauabschnitt des geplanten Baugebietes liegt, fährt der Schnellbus 44 zum Hauptbahnhof Aachen. Die Fahrtzeit bis
zum Hauptbahnhof beträgt 23 Minuten, bis in die Innenstadt (Bushof) nur 16 Minuten. Der
Bus verkehrt wochentags im Halbstundentakt, am Wochenende seltener. Außerdem ist die
Aachener Innenstadt von diversen weiteren Haltestellen im Umfeld des Gebietes in 43 Minuten Fahrtzeit mit der Linie 17 zu erreichen.
Darüber hinaus ist in Richterich ein Haltepunkt der euregiobahn geplant. In der nördlichen
Planungsvariante läge rund 75% des Planungsgebietes im Einzugsbereich der Haltestelle
(1000 m Entfernung). Von hier ist die Aachener Innenstadt dann in ca. 4 Minuten zu erreichen. Denkbar ist nach aktuellem Planungsstand ein Baubeginn der Haltestelle ab 2016. Die
Anbindung von Richtericher Dell wird sich dann deutlich verbessern.

- 38 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 23: ÖPNV-Haltestellen im Gebiet „Richtericher Dell“ 1. Bauabschnitt

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: openstreetmap.org

4.2.2.

Bildungseinrichtungen

Im ersten Bauabschnitt des Neubaugebiets „Richtericher Dell“ ist der Bau einer Kindertagesstätte geplant. Darüber hinaus gibt es in der Umgebung heute bereits bestehende Kindergärten. Zwei der Einrichtungen befinden sich in fußläufiger Entfernung vom Standort (St. Mauritius und Grünenthaler Str.), zwei weitere südlicher im Stadtteil Richterich (Entfernung 1 bis 2
km) sowie eine Kindertagesstätte in Horbach nördlich von Richterich.
Im Bezirk Richterich befinden sich darüber hinaus aktuell zwei Grundschulen (GGS Richterich und KGS Horbach). Die GGS Richterich befindet sich in ca. 300 m Entfernung vom
Standort in der Grünenthaler Str. 2. Die KGS Horbach ist ca. 2 km vom Standort entfernt im
Ortsteil Horbach gelegen. Im ebenfalls zwei Kilometer entfernten Schulzentrum in Laurensberg sind darüber hinaus eine Gesamtschule und ein Gymnasium sowie ein Abendgymnasium angesiedelt.

- 39 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 24:

Übersicht über Bildungseinrichtungen in der Umgebung
Kitas

Grundschulen

 Kath. Kindergarten St. Mauritius (Fassinstr.)

 GGS Richterich mit OGS (Grünenthaler
Str.)

 Kita Parkstraße

 KGS Horbach (Oberdorfstraße)

 Kita Richtericher Straße
 Kita Grünenthaler Straße

Weiterführende Schulen

 Kita St. Heinrich, Horbach

 Anne-Frank-Gymnasium (SZ Laurensberg)
 Heinrich-Heine-Gesamtschule (SZ Laurensberg)
Sonstiges
 Abendgymnasium der Stadt und des Kreises Aachen (SZ Laurensberg)

4.2.3.

Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot

Diverse Angebote zur Nahversorgung sind im Ortskern von Richterich entlang der Roermonder Straße und in der Nähe des Baugebiets vor allem entlang der Horbacher Straße zu finden. Mehrere Supermärkte befinden sich am nordöstlichen Rand des Stadtteils Richterich,
ein weiterer Supermarkt ist im Ortszentrum zu finden. Zudem findet einmal wöchentlich ein
Wochenmarkt auf dem Rathausplatz statt. Im Ortskern befinden sich einige gastronomische
Einrichtungen. Ein breiteres Angebot an Gastronomie sowie Waren des längerfristigen Bedarfs ist in der Aachener Innenstadt zu finden.
4.2.4.

Kultur und Freizeit

In Richterich gibt es ein reges Vereinsleben mit zahlreichen Angeboten vom Sport- bis zum
Schützenverein. Im ca. zwei Kilometer entfernten Schulzentrum Laurensberg gibt es darüber
hinaus noch weitere Sportangebote insbesondere für Kinder und Jugendliche. Durch die
randstädtische Lage gibt es am Standort Richtericher Dell die Möglichkeit zur individuellen
Freizeitgestaltung in der Natur. Kulturelle Angebote können in der Aachener Innenstadt
wahrgenommen werden. Darüber hinaus sind im Plangebiet weiter Grün- und Freiflächen
geplant, die zu Freizeitaktivitäten und zur Erholung genutzt werden können.

- 40 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

4.3.

Bauliche Nutzung in der Umgebung

In Richterich dominiert die Wohnnutzung mit Einfamilienhausbebauung und kleineren Mehrfamilienhäuser. Die Gebäude stammen hauptsächlich aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, im historischen Ortskern existieren auch noch einige deutlich ältere Gebäude.
Am nördlichen Rand des Stadtteils in der Nähe des geplanten Baugebietes befindet sich
bereits eine kleine Neubausiedlung (Banker-Feld-Straße/Dellstraße) mit modernen Mehrfamilienhäusern.
Zwischen der Bahntrasse und der Roermonder Straße ist zudem Gewerbe angesiedelt (Roder Weg). Das geplante Neubaugebiet Richtericher Dell ist hiervon durch die Bahntrasse
getrennt.
4.4.

Sozialstruktur

In der Altersstruktur der Bewohner von Richterich spiegelt sich die Baualtersstruktur der Gebäude wider. Anders als in neueren Einfamilienhausgebieten, die in der Regel die höchsten
Bevölkerungsanteile bei jungen Familien verzeichnen, zeigt sich in Richterich eine ältere
Bevölkerungsstruktur. Dies ergibt sich in der Regel bei älteren Einfamilienhausgebieten, deren Bewohner ihr Haus als Neubau erworben haben. Die höchsten Anteile sind in den Altersgruppen der 45- bis 64-Jährigen zu finden. Es handelt sich damit um konsolidierte Familien mit älteren Kindern bzw. Kindern, die den Haushalt bereits verlassen haben. Hinzu
kommt ein vergleichsweise hoher Anteil von über 65-Jährigen. Über 20 % der Bevölkerung
entfallen auf diese Altersgruppe. Bedenkt man, dass üblicherweise ein hoher Anteil der Käufer in einem Neubaugebiet aus dem Umfeld stammt22, muss diese Altersstruktur auch bei der
Frage der möglichen Zielgruppen berücksichtigt werden.

22

Beispielsweise wurden für Neubaugebiete am Stadtrand für Köln im Rahmen anderen Untersuchungen
Anteile von um die 40% der Nachfrager aus dem gleichen Stadtteil sowie den direkt angrenzenden festgestellt.

- 41 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 25:

Altersstruktur der Bevölkerung im Stadtbezirk Richterich 2013

Datengrundlage: Stadt Aachen

4.5.

Bestehende Planungen „Richtericher Dell“

Die bestehenden Planungen sehen für Richterich ein Neubaugebiet mit insgesamt knapp
900 WE für 2.500 Personen vor. Dies ist im Verhältnis zur heutigen Einwohnerzahl des Bezirks Richterich (8.701 EW Stand 2013) ein großer Zuwachs. Die Planung ist damit als langfristige Entwicklungsperspektive zu verstehen.
Im 1. Bauabschnitt ist die Errichtung von 188 WE geplant. Diese teilen sich nach derzeitigem
Planungsstand auf in acht Winkelhäuser, 13 Drive-in Häusern (Reihenhäuser mit Garage im
Haus), 47 Reihenhäuser, 30 Doppelhaushälften, sechs Einfamilienhäuser und 84 Geschosswohnungen. Einfamilienhäuser und Geschosswohnungen stehen sich somit in einem
beinahe ausgeglichenen Verhältnis gegenüber.

- 42 -

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Abbildung 26: Masterplan Richtericher Dell mit 1. BA

1. BA
Quelle: Spengler Wiescholek, Hamburg 2006, eigene Hervorhebung

Abbildung 27: Städtebauliche Planung für den 1. Bauabschnitt

Quelle: Spengler Wiescholek, Hamburg 2002

Die innere Gliederung sieht vor, dass die Gebäude in kleineren Nachbarschaften angeordnet
sind. Am zentralen Quartiersplatz an der Horbacher Straße sind in den Erdgeschossen (optional) Einzelhandels- bzw. Dienstleistungsnutzungen geplant.
- 43 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

4.6.

Eignung und Zielgruppen

Das Gebiet Richtericher Dell ist ein klassischer Randstandort. Er ist damit für Haushalte interessant, die einen ruhigen Wohnstandort mit Landschaftsbezug wünschen. Überwiegend
handelt es sich dabei um Familien für die von einer hohen Präferenz für Einfamilienhäuser
auszugehen ist. In diesem Segment stellt der Standort insbesondere eine Alternative für ein
Einfamilienhaus im Aachener Umland dar. Das Neubaugebiet kann so dazu beitragen, die
Umlandwanderung zu reduzieren. Für eine Einfamilienhausbebauung stellt Richtericher Dell
einen attraktiven Standort mit einer für die randstädtische Lage guten Erreichbarkeit und
Infrastrukturausstattung. Als Randstandort und insbesondere mit Blick auf die Konkurrenz zu
Umlandstandorten sollte am Standort Richtericher Dell eine aufgelockerte Bebauung angestrebt werden. Dies verbindet sich mit einem hohen Anteil freistehender Einfamilienhäuser
und Doppelhäuser (vgl. Kapitel 4.8).
Der Masterplan Richtericher Dell sieht zu rund einem Viertel Wohnungen in Mehrfamilienhäusern vor. Sieht man von Bauprojekten der 1970er Jahre insbesondere im sozialen Wohnungsbau ab, handelt es sich beim randstädtischen Standort in Richterich nicht um einen
klassischen Standort für Mehrfamilienhäuser. Dennoch lassen sich potenzielle Zielgruppen
ausmachen:


Für Familien mit einer Präferenz für Randstandorte im Grünen jedoch zu geringen finanziellen Mitteln für ein Einfamilienhaus kann eine Geschosswohnung zur Miete oder im Eigentum eine gute Alternative sein, die eigenen Wohnwünsche bezogen auf
den Standort zu erfüllen.



Junge Single- und Paarhaushalte mit einer Präferenz für das Wohnen im Grünen.
Diese befinden sich unter den jüngeren Haushalten jedoch in der Unterzahl. Sowohl
bei den Single- und Paarhaushalten als auch bei den Familien stellen Beschäftigte
der Campusentwicklung eine der möglichen Zielgruppen dar.



Seniorenhaushalte, die vom Einfamilienhaus auf eine Wohnung umsteigen. In der
Regel möchten diese in ihrem Viertel wohnen bleiben, sofern eine ausreichende Infrastruktur vorhanden ist. Ausgehend von dem großen Einfamilienhausbeständen im
Umfeld und dem hohen Anteil von über 55-Jährigen besteht hierfür ein nennenswertes Nachfragepotenzial und die Möglichkeit mit den geplanten Mehrfamilienhäusern
ein adäquates Angebot im Viertel zu schaffen. Auch die Realisierung von Baugruppen und Generationenwohnprojekten finden bei dieser Zielgruppe vermehrt Interesse.

- 44 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Damit hat das Neubaugebiet das Potenzial, sich zu einem Quartier mit gemischter Bewohnerstruktur zu entwickeln. Ein Teil der Nachfrage kann auch durch die mit der Campusentwicklung verbundenen Wohnungsmarkteffekte entstehen. Wie im vorhergehenden Kapitel
erläutert, verbindet sich die zusätzliche Nachfrage durch die Campusentwicklung in besonderem Maße mit einer Nachfrage nach Einfamilienhäusern im mittleren Preissegment.
Gleichzeitig kann auch ein Angebot an Mietwohnungen (bzw. Miet-Einfamilienhäusern) ein
attraktives Angebot für solche Campusmitarbeiter sein, die eine hohe Präferenz für familiengeeignete Standorte im Grünen haben, jedoch aufgrund zeitlich beschränkter Beschäftigung
am Campus kein Eigentum bilden möchten.
4.7.

Modellrechnungen zur Abschätzung der Nachfrage

Einfamilienhäuser
In den letzten Jahren wurden in Aachen jährlich rund 110 Baugrundstücke für Einfamilienhäuser verkauft. Hinzu kommen 56 Neubau-Einfamilienhäuser (Bauträger) pro Jahr.
Abbildung 28:

Verkaufte neu gebaute Einfamilienhäuser und Baugrundstücke in
Aachen und der Städteregion (2010-2013)

Jährliche Verkäufe
Neu gebaute
Grundstücke f.
Einfamilienhäuser
Einfamilienhäuser
(Bauträger)
Stadt Aachen

108

56

Städteregion (inkl. Aachen)

478

113

Datengrundlage: Grundstücksmarktberichte Städteregion Aachen

Für die nächsten Jahre wurde im Rahmen dieser Studie ausschließlich ein qualitativer Neubaubedarf an Einfamilienhäusern von 150 Wohneinheiten p.a. prognostiziert. Allerdings ist
nicht davon auszugehen, dass das Neubaugebiet in Richtericher Dell diese gesamte Nachfrage auf sich ziehen kann. Eine Prognose der zukünftigen Marktanteile ist kaum möglich
und Erfahrungswerte aus anderen Städten und Marktkonstellationen lassen sich nicht treffsicher übertragen. Um dennoch ein ein Gefühl für die möglichen Zeithorizonte der Vermarktung zu bekommen, wurde eine Modellrechnung mit unterschiedlichen angenommenen
Marktanteilen vorgenommen (vgl. Abb. 30). Der spätere tatsächliche Marktanteil wird sich
aus den zeitgleich verfügbaren Neubaugrundstücken in Aachen und im Umland ergeben.
Nimmt man einen Marktanteil von Richtericher Dell an allen in Aachen verkauften neuen
Einfamilienhäusern von 40 % an, ergibt sich für Richtericher Dell eine Vermarktungsquote
von 60 Einfamilienhäusern pro Jahr. Übertragen auf die geplante Zahl von Einfamilienhäusern nach dem bestehenden Masterplan würde dies eine Vermarktungsdauer von 11 Jahren
- 45 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

für das Gesamtprojekt bedeuten. Geht man mit einer etwas pessimistischeren Annahme von
Marktanteilen von 30% bzw. 20% ließen sich nur noch 45 bzw. 30 Einfamilienhäuser pro
Jahr vermarkten. Die Vermarktungsdauer würde sich entsprechend verlängern (vgl. Abb.
30)23.
Das Neubaugebiet steht dabei auch in Konkurrenz zu den Planungen in den Umlandgemeinden. Planungen für rund 450 Einfamilienhäuser sind hier bekannt (vgl. Abb. 29). Den
größten Anteil nimmt dabei das geplante Neubaugebiet „Auf dem Donnerberg“ in Stolberg
mit 288 Einfamilienhäusern ein. Zwar erscheint dieses Neubauvolumen zunächst angesichts
der bisherigen Verkaufszahlen in der Städteregion als unproblematisch, doch es ist davon
auszugehen, dass die Nachfrage in den Umlandgemeinden ebenfalls sinkt. In der Konzeption des Neubaugebietes muss daher die Konkurrenz der Umlandstandorte einbezogen und
ein Angebot geschaffen werden, das sich in seinem Preis-Leistungs-Verhältnis im Wettbewerb behaupten kann.
Abbildung 29:
Ort

Geplante Neubaugebiete im Aachener Umland
Name

Projekt(größe)

Corneliastraße /
Schützheide

ca. 70 Gebäude

"Stadtrandsiedlung"/
"Auf dem Donnerberg"

15 ha Nettobaufläche
20 MFH und 288 EFH

Alsdorf

"Am Ginsterberg"

1,4 ha, max. 22 Gebäude
davon 2 MFH

Herzogenrath

"Ruifer Straße"

16 Grundstücke für
Reihenhäuser

Eschweiler

"Neue Höfe Dürwiß"

3,7 ha, 60 Grundstücke
(EFH und MFH)

Stolberg

Quelle: eigene Recherchen

23

Geplant ist auch nach dem 1. Bauabschnitt die weitere Realisierung in Bauabschnitte zu unterteilen, so
dass sich für die jeweiligen Bauabschnitte kürzere Vermarktungszeiträume ergeben.

- 46 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Mehrfamilienhäuser
Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2012 wurden jährlich 190 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern fertig gestellt. 106 Eigentumswohnungen wurden in den letzten Jahren erstverkauft.
Für die Jahre zwischen 2015 und 2020 wird ein Neubaubedarf von 270 Wohnungen pro Jahr
prognostiziert. Danach sinkt die Nachfrage auf rund 150 Wohneinheiten pro Jahr.
Wie oben bereits beschrieben, handelt es sich bei Richtericher Dell nicht um einen klassischen Standort für Mehrfamilienhäuser. Insofern muss man für die geplanten Mehrfamilienhäuser einen deutlich geringeren Marktanteil annehmen als für die Einfamilienhäuser. Die
folgende Abbildung macht deutlich, dass insbesondere ab 2020 nur eine geringe Zahl von
Wohnungen pro Jahr vom Markt aufgenommen wird. Ausgehend von einem Marktanteil an
allen neugebauten Geschosswohnungen in Aachen von 5 % würde allein die Vermarktung
des ersten Bauabschnitts (bei Vermarktung zwischen 2015 und 2020) 6 Jahre dauern. Durch
die sinkende Nachfrage wäre der Realisierungshorizont für die nachfolgenden Bauabschnitte
noch deutlich länger.
Abbildung 30:

Modellrechnung zu den Vermarktungsquoten von Richtericher Dell

Annahme
Prognostizierte
Marktanteil
Nachfrage in
Gebäudetyp
Richtericher Dell
Aachen p.a.
am Gesamtmarkt
(Wohneinheiten)
in Aachen
40%
Einfamilienhäuser
150
30%
20%
15%
Mehrfamilienhäuser
270
10%
2015‐2020
5%
15%
Mehrfamilienhäuser
150
10%
ab 2020
5%

Vermarktbare
Wohneinheiten
pro Jahr
60
45
30
41
27
14
23
15
8

Quelle: eigene Annahmen und Berechnungen

4.8.

Empfehlungen zur Konzeption

Die oben stehende Modellrechnung zur Nachfrage im Neubaugebiet Richtericher Dell macht
deutlich, dass das Neubaugebiet möglichst breite Zielgruppen ansprechen muss, um der
Größe angemessene Marktanteile und eine zügige Vermarktung zu erreichen. Dies gilt insbesondere für die Geschosswohnungen. Aber auch im Segment der Einfamilienhäuser gilt
es ein vielfältiges Angebot zu schaffen, das sich in der Konkurrenz zu den Umlandstandorten

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

behaupten kann. Bei der Konzeption müssen darüber hinaus unterschiedliche Ziele und Ausrichtungen berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden:


Ausgehend von dem auch bundespolitischen Ziel die Flächeninanspruchnahme zu
reduzieren und darüber hinaus um den bestehenden Bodenpreisen Rechnung zu tragen, sollte die Konzeption eine möglichst effektive und damit dichte Flächennutzung
vorsehen. Im bestehenden Masterplan von 2006 ist dies durch die Planung eines
verdichteten Einfamilienhausgebiets mit vergleichsweise hohem Anteil von Geschosswohnungen berücksichtigt.



Durch die Lage am Stadtrand und das grüne Umfeld des Planungsgebietes wird es
vor allem mit den Neubauplanungen im Umland konkurrieren und insofern eine Alternative für potenzielle Umlandwanderer darstellen. Ziel sollte es sein, diese möglichst
in Aachen zu halten. Durch die reduzierte Umlandwanderung würde sich das Verkehrsaufkommen reduzieren. Zudem ist mit dem Wohnort in der Stadt in der Regel
eine stärkere Nutzung des ÖPNV gegenüber dem Umland verbunden. Mit Einfamilienhausgebieten in städtischen Kontext verbinden sich darüber hinaus in der Regel
höhere Dichten (kleinere Grundstücke, dichtere Bauformen). Viele Haushalte sind bereit mit Blick auf die zentralere Wohnlage und damit verbundene bessere Infrastruktur
sowie Anbindung auf Grundstücksfläche zu verzichten und beispielsweise statt in ein
Einfamilienhaus im Umland in eine Doppelhaushälfte in der Stadt zu ziehen. Auf die
Gesamtregion bezogen, führt der Neubau in der Stadt gegenüber dem Neubau im
Umland somit zu einer geringeren Flächeninanspruchnahme.



Neben diesen politischen Zielsetzungen gilt es das Neubaugebiet so zu konzipieren,
dass es den Nachfragerpräferenzen entspricht und auch bei konkurrierenden Planungen im Umland vom Markt aufgenommen wird. Aus Nachfragersicht ist das PreisLeistungs-Verhältnis bei der Wahlmöglichkeit zwischen dem Einfamilienhaus im Umland und der Stadt entscheidend und muss bei der Konzeption des Neubaugebietes
mitgedacht werden. Das bedeutet auch, die Präferenzen der Zielgruppe nach einer
lockereren Bebauung bzw. der Idealvorstellung eines freistehenden Einfamilienhauses ernst zu nehmen. Reihenhäuser und Kettenhäuser am Stadtrand werden für diese Zielgruppe nur ausnahmsweise attraktive Alternative darstellen.

Für den bestehenden Masterplan war das Ziel richtungsgebend, ein Angebot unterschiedlicher Wohnformen in einem verdichteten Gebiet zu schaffen. Dies geht entsprechend der
oben aufgeführten Ziele mit dem ersten Ziel einer geringen Flächeninanspruchnahme einher.
Bei der weiteren Umsetzung des Neubaugebietes sollte eine stärkere Abwägung aller drei
Ziele stattfinden und ein Mittelweg gefunden werden, der die notwendige flächensparende

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Neubauentwicklung und die Präferenzen der Nachfrager und damit Konkurrenzfähigkeit am
Markt einbezieht. Um hierfür Ansatzpunkte zu geben, wird bei den folgenden Konzeptionsempfehlungen stärker die Perspektive aus Nachfragersicht und Marktgängigkeit in den Fokus gerückt.
Geschosswohnungen
Der vorliegende Masterplan sieht einen Anteil von 28 % Geschosswohnungen an den
Wohneinheiten im Neubaugebiet vor. Da der Standort zwar nicht ungeeignet aber kein typischer Standort für Geschosswohnungen ist, ist ein hoher Marktanteil von Richtericher Dell im
Geschosswohnungsbereich nicht realistisch. Geschosswohnungen werden insbesondere
von jungen Haushalten mit einer Präferenz für zentrale Standorte mit urbanerem Charakter
nachgefragt. Insbesondere im ersten Bauabschnitt ist der Anteil der Geschosswohnungen
mit 45 % bzw. 84 Einheiten für den Standort sehr hoch. Dies zeigt auch die oben stehende
Modellrechnung zur Vermarktungsdauer der Geschosswohnungen im ersten Bauabschnitt.
Eine Reduzierung dieses Anteils wäre sinnvoll. Wenn nicht im ersten Bauabschnitt noch
möglich, sollte diese Reduzierung zumindest für die folgenden Bauabschnitte umgesetzt
werden. Angemessen für den Standort und die prognostizierte Nachfrage erscheint es, wenn
innerhalb des Neubaugebietes 15% der geplanten Wohnungen auf Mehrfamilienhäuser entfallen. Für die Bauabschnitte 2 und folgende würde dies rund 100 Wohnungen bedeuten. Um
sich gut in das Einfamilienhausgebiet einzupassen sind zudem kleine Hausgrößen (6-8
Wohneinheiten pro Haus bzw. Eingang) vorzusehen. Dies erhöht auch die Akzeptanz bei
Zielgruppen, die eine Geschosswohnung als günstigere Alternative zum Einfamilienhaus am
Standort wählen.
Nach Möglichkeit sollten alle der oben beschriebenen potenziellen Zielgruppen für die Geschosswohnungen angesprochen werden. Dies umfasst sowohl ein Spektrum aus Miet- und
Eigentumswohnungen aber auch unterschiedlichen Wohnungsgrößen, die durch die späteren Investoren realisiert werden. Ein besonderer Fokus sollte auf der Zielgruppe der Senioren liegen. Das Neubaugebiet Richtericher Dell bietet die Möglichkeit, bestehende Angebotslücken des restlichen Ortsteils Richterich zu schließen und so für die große Zahl von älteren
Haushalten eine Perspektive zu schaffen auch im Alter im Stadtteil bleiben zu können. Neben dem barrierefreien Bau der allgemeinen Geschosswohnungen, der von den späteren
Investoren realisiert werden muss, sollte die Möglichkeit geprüft werden, einzelne Grundstücke für spezielle Wohnformen, wie etwa betreutes und gemeinschaftliches Wohnen (z. B.
auch Generationenwohnen), zu reservieren. Selbstverständlich können diese Wohnformen
nur einen Teil eines differenzierten Angebotes ausmachen. Denkbar wären ca. 20 % bis

- 49 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

30%24 der Geschosswohnungen für betreute Wohnanlagen unterschiedlicher Typen vorzusehen.
Auch geförderter Wohnungsbau sollte anteilig realisiert werden und ist im Bebauungsplan für
den ersten Bauabschnitt bereits vorgesehen. Hier sollte der Blick jedoch nicht nur auf geförderten Mietwohnungen sondern auch der Eigentumsförderung liegen.
Neue Wohnkonzepte wie Generationenwohnen oder Baugruppen werden inzwischen immer
beliebter. Insbesondere für Baugruppen können und sollten einzelne Grundstücke vorgehalten werden.
Anzustreben ist es mit der oben beschriebenen Diversifizierung der angebotenen Geschosswohnungen mit dem Neubaubaugebiet Richtericher Dell einen Marktanteil von 10 %
innerhalb der gesamten Verkäufe neugebauter Geschosswohnungen in Aachen zu erreichen. In diesem Fall wäre eine Vermarktungsdauer von ca. 7 Jahren (ohne 1. BA und bei
reduziertem Geschosswohnungsanteil im Neubaugebiet von 15 %) realistisch.
Einfamilienhäuser
Sowohl der Bebauungsplan für den ersten Bauabschnitt als auch die darüber hinausgehenden im Masterplan skizzierten Einfamilienhäuser weisen einen hohen Anteil verdichteter Einfamilienhausformen (Reihenhäuser, Kettenhäuser, Winkelhäuser) auf während freistehende
Einfamilienhäuser fast ausschließlich für den südlichen Bereich der nachfolgenden Bauabschnitte vorgesehen sind. Auch bei den Einfamilienhäusern sollte möglichst ein breites
Spektrum unterschiedlicher Grundstücksgrößen und Haustypen angeboten werden. So können möglichst viele Nachfragergruppen bedient werden. Durch die Reduzierung der Geschosswohnungen wird Fläche für weitere Einfamilienhäuser verfügbar. Allerdings sollte die
Konzeption insgesamt keine zu dichte Bebauung vorsehen. Eine solche ist stärker bei einer
intensiven Flächenausnutzung von innerstädtischen Standorten angemessen. Im Wettbewerb des Randstandortes Richtericher Dell mit den Umlandgemeinden kann eine sehr dichte
Bebauung jedoch dazu führen, dass das Neubaugebiet im Preis-Leistungs-Verhältnis zurücksteht, da es keine vergleichbaren Freiraumqualitäten bietet. Entsprechend sollte die Reduzierung der Mehrfamilienhäuser nicht mit einer Erhöhung der Einfamilienhäuser sondern
mit einer Auflockerung der geplanten Bebauung einhergehen.

24

Der realisierbare Anteil bzw. die Größe entsprechender Einrichtungen wird auch davon abhängen inwieweit entsprechende Angebote im Umfeld bereits vorhanden sind. Eine entsprechende Analyse konnte im
Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden. Sollten Angebote des betreuten Wohnens bisher fehlen,
sind auch größere Einrichtungen mit höherer Wohnungszahl denkbar.

- 50 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Diese sind für den Standort, wie oben beschrieben, ungünstig. Für die nachfolgenden Bauabschnitte, wenn nicht für das Gesamtgebiet, sollte das Konzept in Richtung eines höheren
Anteils freistehender Häuser angepasst werden. Auch bei den Einfamilienhäusern sollte eine
Diversifizierung des Angebotes vorgenommen werden. Eine solche wird im Folgenden skizziert.
Die anzustrebende Auflockerung der geplanten Bebauung geht mit einer veränderten Aufteilung auf Einfamilienhaustypen einher. Freistehende Einfamilienhäuser entsprechen zwar den
idealen Wohnvorstellungen vor allem von Familien, im städtischen Kontext sind diese aber
aufgrund der höheren Kosten nur von einem Teil der Hauskäufer finanzierbar. Doppelhaushälften haben sich daher vor allem in städtischen Randlagen durchgesetzt. Sie sollten den
größten Anteil an den Einfamilienhäusern einnehmen. Verdichtete Wohnformen wie Reihenhäuser, Kettenhäuser aber (je nach Wohnfläche) auch Atrium- bzw. Winkelhäuser bilden
aufgrund der geringeren Kosten ein Angebot für weniger zahlungskräftige Haushalte. Auch
für diese sollte (nicht nur in Form von Geschosswohnungen) ein Angebot in Richtericher Dell
geschaffen werden. Ziel sollte sein durch die Diversifizierung der Haustypen für unterschiedlich zahlungskräftige Zielgruppen ein Angebot zu schaffen und dadurch auch eine Durchmischung der Bevölkerung zu erreichen. Abbildung 31 zeigt eine für den Standort günstige
Verteilung der Einfamilienhaustypen.
Die Einfamilienhäuser können entweder durch Bauträger errichtet werden oder aber die
Grundstücke zur individuellen Bebauung vermarktet werden. Im Sinne der Angebotsdiversifizierung sollte beides in Richtericher Dell vorgesehen werden. In der Vergangenheit entfiel
der Großteil der Verkäufe auf unbebaute Grundstücke zur individuellen Bebauung. Verkäufe
von schlüsselfertigen Häusern nahmen hingegen nur 1/3 des Vermarktungsgeschehens ein.
Da sich das Neubaugeschehen im Einfamilienhausbereich in den letzten Jahren stark auf
kleinere Baulückenschließungen, Nachverdichtungen und Arrondierungen beschränkt hat, ist
diese Aufteilung nicht verwunderlich. In anderen Großstädten ist zu beobachten, dass
schlüsselfertige Einfamilienhäuser eine hohe Nachfrage haben. Für Reihenhäuser ist eine
Errichtung als Ganzes durch einen Bauträger der Normalfall. Aber auch schlüsselfertige freistehende Einfamilienhäuser sind selbst im gehobenen Preissegment weit verbreitet. Eine
Erhöhung des Anteils von Bauträgerhäusern gegenüber den letzten Jahren erscheint daher
angemessen. Dennoch sollte auch für Haushalte mit dem Wunsch selbst zu Bauen ein
Grundstücksangebot verfügbar bleiben. Abbildung 31 zeigt hier eine mögliche Aufteilung.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 31:

Mögliche Verteilung der Grundstücks- und Einfamilienhaustypen in
Richtericher Dell

Quelle: Eigener Entwurf

In der Konzeption sollten die einzelnen Bauträgergebiete nicht zu groß sein, um zu große
gleichförmige Bereiche zu verhindern und eine Mischung zu erzielen. Dennoch ist eine ausreichende Größe notwendig um für den Bauträger rentabel zu sein und um den Charakter
kleiner Nachbarschaften zu erreichen. Der bestehende Masterplan mit der Einteilung in
Nachbarschaften geht bereits in diese Richtung.
Auch bei den Grundstücksgrößen ist eine Diversifizierung sinnvoll. Ebenso ist der Blick auf
die Konkurrenz im Umland geboten. Hier wurden in den letzten Jahren Grundstücke vermarktet, deren durchschnittliche Grundstücksfläche im Fall von Alsdorf und Eschweiler etwa
dem Durchschnitt in Aachen von ca. 550 m² entspricht. In Herzogenrath und Stolberg lagen
die Grundstücksgrößen mit rund 850 bzw. 650 m² deutlich darüber. Für Nachfrager ist dabei
sowohl die Größe des Grundstücks als auch der Gesamtpreis entscheidend. In den genannten Umlandgemeinden wurden in den letzten Jahre Grundstücke mit Gesamtpreisen von im
Mittel 80.000 € (von rd. 65.000 € in Alsdorf bis rund 91.000 in Herzogenrath) verkauft. Die
durchschnittlichen Quadratmeterpreise in den Gemeinden lagen zwischen 120 €/m² (Herzogenrath, Alsdorf) und 150 €/m² (Eschweiler). Der Bodenrichtwert für das an den ersten Bauabschnitt angrenzende Wohngebiet in Richterich wird vom Gutachterausschuss mit 220 €/m²
angegeben. Dieser bemisst sich jedoch an den integrierten Lagen im Wohngebiet. Es ist zu
entscheiden, ob für eine größere Neubauentwicklung in Randlage gedämpfte Preise angesetzt werden müssen. Erfahrungsgemäß steht für ein Grundstück durchschnittlich ein Budget
- 52 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

von ca. 80.000 € zur Verfügung. Daraus ergibt sich in Abhängigkeit vom Preis die zu realisierende Grundstücksgröße. Für das Spektrum der Grundstücksgrößen in Richtericher Dell sind
damit einige Orientierungen gegeben. Natürlich müssen sich die Grundstücksgrößen auch
zwischen den Haustypen unterscheiden aber auch innerhalb der Haustypen können mit unterschiedlichen Grundstücksgrößen unterschiedliche Zielgruppen und Zahlungsbereitschaften bedient werden. So sollten auch einige großzügige Grundstücke für freistehende Einfamilienhäuser vorgesehen werden, die stärker auf das Hochpreissegment zielen. Entsprechende Angebote für diese Klientel sind in Großstädten in der Regel kaum vorhanden. Sinnvoll ist es, diese Grundstücke in der Konzeption räumlich bzw. gestalterisch leicht abzugrenzen, um der Zielgruppe hinsichtlich ihrer Präferenzen für Repräsentativität und Privatheit
entgegen zu kommen. Natürlich kann diese Zielgruppe nur einen sehr kleinen Teil des Angebotes ausmachen und die überwiegende Zahl der Grundstücke muss sich an Mittelschichthaushalten orientieren. Dennoch ist die Zielgruppe für eine breite Angebotsausrichtung nicht zu vernachlässigen. Dies wurde auch in der Verteilung der Grundstücksgrößen in
der folgenden Abbildung berücksichtigt.
Abbildung 32:

Mögliche Verteilung der Grundstücksgrößen auf unterschiedliche
Haustypen in Richtericher Dell
Sparsam

Durchschnitt

Großzügig
Anteil
innerhalb des
Haustyps

Grundstücks‐
größe

Anteil
innerhalb des
Haustyps

Grundstücks‐
größe

Anteil
innerhalb des
Haustyps

Freistehende Einfamilienhäuser

500‐600 m²

20%

600‐700 m²

70%

>700 m²

10%

Doppelhaushälften

350‐400 m²

30%

400‐550 m²

60%

> 600 m²

10%

Reihenhäuser u.ä.

150‐250 m²

20%

250‐350 m²

50%

> 350 m²

30%

Grundstücks‐
größe

Quelle: Eigener Entwurf

Einteilung in Bauabschnitte
Die Einteilung von Bauabschnitten muss vor dem Hintergrund der Koordination und Kosteneffizienz der Erschließungsmaßnahmen erfolgen. Gleichzeitig muss einbezogen werden,
dass die Größe der Bauabschnitte auch die Vermarktung beeinflussen. Bei sehr großen Abschnitten, die gleichzeitig vermarktet werden, kann es dazu kommen, dass sich die einzelnen
Teilbereiche gegenseitig Konkurrenz machen, was insbesondere die Bauträger belasten
kann. Gleichzeitig bedeuten größere Abschnitte, dass die zuerst einziehenden Bewohner
lange Zeit Baustellen in ihrer direkten Nachbarschaft erdulden müssen. Insofern sprechen
die letztgenannten Punkte für eine möglichst kleine Abschnittsbildung. Bezogen auf die Vermarktung sollten die Abschnitte so angelegt werden, dass die Vermarktung nach zwei Jahren abgeschlossen werden kann. Nimmt man ausgehend von der in Abschnitt 4.7. dargestellten Modellrechnung an, dass im Geschosswohnungsbau ein Marktanteil von 10% erreicht werden kann, ergibt sich (bei einer reduzierten Zahl von 100 Geschosswohnungen)

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

eine Vermarktungsquote von 15 Geschosswohnungen p.a. Ein Bauabschnitt würde somit
rund 30 Geschosswohnungen umfassen. Geht man für die Einfamilienhäuser von einem
Marktanteil von 40% aus (vgl. Abb. 30) würde sich eine Vermarktungsquote von 60 Einfamilienhäusern pro Jahr ergeben. Rund 120 Einfamilienhäuser lägen somit in einem Bauabschnitt. Sollten für eine effiziente Erschließung größere Abschnitte notwendig sein, kann es
sinnvoll sein, erschlossene Bauabschnitte erst nach und nach zu vermarkten.
Durch die Größe des Neubaugebietes und der absehbar langen Vermarktungszeiträume ist
die Nachfrageentwicklung mit Blick auf die nachfolgenden Bauabschnitte nur schwer vorauszusehen. Angesichts dessen muss in der Planung des Neubaugebiets ein hohes Maß an
Flexibilität erhalten bleiben. Dies wird unterstützt durch die Bildung kleiner Bauabschnitte
bedeutet aber auch, dass eine intensive Beobachtung des Marktes und der Nachfrage bei
der Entwicklung der einzelnen Bauabschnitte erfolgen muss. Dies umfasst sowohl die Vermarktungsgeschwindigkeit insgesamt wie auch in einzelnen angebotenen Segmenten. Die
jeweiligen Vermarktungserfahrungen müssen Ausgangspunkt dafür sein, die Konzeption für
die nachfolgenden Abschnitte zu überprüfen und ggf. flexibel anzupassen.
4.9.

Fazit zum Neubaugebiet Richtericher Dell

Die Zeiten einer kräftigen, demografisch bedingten Wohnungs- und Einfamilienhausnachfrage neigen sich dem Ende zu. Ungewiss ist in diesem Zusammenhang, wie sich die Nachfrage zukünftig auf Bestandsobjekte und alternativ angebotene Neubauobjekte verteilt. Bestandsobjekte haben durch ihre Integration in bestehende, gewachsene Siedlungen oft einen
Lagevorteil. Neubauobjekte ermöglichen dem Käufer leichter neueste technische Standards
(z. B. Energie) und auf die individuellen, modernen Bedürfnisse abgestimmte Ausstattungen
und Grundrisse. Ob sich diesbezüglich zukünftig Präferenzverschiebungen mit positiver oder
negativer Wirkung auf die Dynamik der Neubaunachfrage ergeben, muss offen bleiben.
Die Realisierung des Gebietes Richtericher Dell ist Konsequenz aus der Entscheidung für
das Szenario einer „Wohnungsmarktoffensive“ ausgehend von der Aachen-StrategieWohnen 2009. Der angespannte Wohnungsmarkt hat den Handlungsbedarf zur Schaffung
von Baulandangeboten seitdem verdeutlicht. Richtericher Dell ist dabei nicht nur für Haushalte interessant, die Neubauobjekte gegenüber Gebrauchtobjekten bevorzugen, sondern auch
für Haushalte, die das sozialen Leben in einer neu entstehenden und oftmals stärker von
Familien geprägten Nachbarschaft schätzen. Schließlich stellt das Gebiet auch eine Alternative zu einem Umlandstandort dar. Gerade in dieser Hinsicht kann man ein bislang nicht ausreichend bedientes zusätzliches Nachfragepotenzial erwarten. Die oben angestellten Modellrechnungen setzen an den bisherigen und unter Status quo-Bedingungen abgeleiteten zu- 54 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

künftigen Aachener Umsätzen an. Eine durch das Neubaugebiet mobilisierte Zusatznachfrage (aus verhinderter Umlandwanderung) konnte in den Modellrechnungen noch nicht systematisch berücksichtigt werden. Unabhängig davon kann dies mit guten Gründen als ein zentrales politisches Motiv für die Realisierung des Gebietes herangezogen werden. Neben der
Wirkung auf die Bevölkerungszahlen wirkt die Verringerung der Umlandwanderung auch
ökologisch positiv durch die dichtere Bebauung in der Stadt und das verringerte Verkehrsaufkommen. Bei der Konzeption des Neubaugebietes sollte daher eine Abwägung zwischen
der hier fokussierten Marktgängigkeit verbunden mit einer Auflockerung der Bebauung und
dem Ziel der effizienten Flächennutzung durch verdichtete Einfamilienhaustypen stattfinden.
Nicht zuletzt bietet ein Neubaugebiet dieser Größenordnung immer auch Möglichkeiten,
Spezialsegmenten und Nischenprodukten eine Realisierungschance einzuräumen. Als Teil
der gesamtstädtischen Wohnungsbauentwicklung ist es darüber hinaus geeignet, zur Entlastung eines zunehmend eng gewordenen Wohnungsmarktes beizutragen. Planerischnormative Gründe sprechen für eine Realisierung als ein gemischtes Quartier unterschiedlicher Bauformen, Zielgruppen, Wohnungsmarktsegmente und auch kleinräumiger Nachbarschaften. Dieses Potenzial zur Mischung ist jedoch zugleich immobilienwirtschaftlich vorteilhaft, um bei bestehenden Unsicherheiten aus einer breiten Diversifizierung der Angebote
und innerer Flexibilität heraus die Entwicklung marktgerecht steuern zu können.
Der Aachener Wohnungsmarkt zeigt sich in den letzten Jahren zunehmend angespannt.
Dies hat einen spürbaren Preisanstieg erzeugt. Eine Entlastung speziell im Einfamilienhaussegment ist auch geeignet, einen Beitrag zu einer verminderten Abwanderung von eigentums- und einfamilienhausorientierten Haushalten in das Umland zu leisten. Insgesamt
kann die Entwicklung des Wohngebietes Richtericher Dell so einen wichtigen Beitrag zu einer erforderlichen Angebotsausweitung und damit einhergehenden Entlastung des Aachener
Wohnungsmarktes leisten. Da ausgehend von den Prognosen (vgl. Kap. 2) insbesondere in
den nächsten Jahren mit einer höheren Nachfrage zu rechnen ist, sollte der erste Bauabschnitt gemeinsam mit der vorgesehenen Umgehungsstraße zeitnah realisiert werden.

- 55 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

5.

Grundlagen einer Standort- und Wohnungsbauentwicklung
im Soziale-Stadt-Gebiet Aachen-Nord

5.1.

Aufgabenstellung und Einordnung

Die Stadtteilentwicklung von Aachen-Nord wird seit 2010 mit Mitteln der Städtebauförderung
(hier: Soziale Stadt) vorangetrieben. Als konzeptionelle Grundlage fungiert das „integrierte
Handlungskonzept“, das zunächst 2008/9 erarbeitet und 2013/4 für den Förderzeitraum 2015
bis 2019 fortgeschrieben wurde. Dies verbindet sich auch mit einer Aufarbeitung der wesentlichen städtebaulichen und sozialen Grundstrukturen des in sich heterogenen Stadtteils, so
dass dies im Rahmen der vorliegenden Aktualisierung der Aachen-Strategie-Wohnen nicht
wiederholt werden muss.
Zwar ist Aachen-Nord historisch stark gewerblich-industriell geprägt und auch heute von vielfältigen Einzelhandels- und Dienstleistungsangeboten durchsetzt, aber dennoch ist auch in
Aachen-Nord mit seinen gut 17.000 Einwohnern das Wohnen die dominante Funktion. Insofern sind die im „integrierten Handlungskonzept“ formulierten Ziele der Stadtteilentwicklung
vor allem darauf ausgerichtet, die Lebenssituation der unterschiedlichen Bewohner bzw. Bewohnergruppen zu verbessern. Jede Verbesserung der Lebenssituation und der Attraktivität
(z. B. in städtebaulicher Hinsicht) ist dabei zugleich auch eine Verbesserung der wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen (verbesserte Ertragsperspektive) und schafft zusätzliche Investitionsspielräume in Neubau und Bestand.
Idealerweise greifen die primär wohnungswirtschaftlichen Maßnahmen und die sonstigen
Maßnahmen der Stadtteilentwicklung sich gegenseitig verstärkend ineinander. In diesem
Sinne beinhaltet das integrierte Handlungskonzept Maßnahmen aus beiden Bereichen. Im
wohnungswirtschaftlichen Bereich liegt dabei ein Schwerpunkt auf der Eigentümerzusammenarbeit und der Eigentümerberatung, insbesondere um Investitionen in den Wohnungsbestand anzuregen (z. B. energetische Modernisierung). Ausgewählte Neubauprojekte sind
ebenfalls Bestandteil des Maßnahmenprogramms (z. B. Wiesental/Burggrafenstraße). Das
vorliegende Teilkapitel der aktualisierten Aachen-Strategie-Wohnen ist insbesondere darauf
ausgerichtet, die Möglichkeiten und Bedeutung des Wohnungsneubaus in Aachen-Nord zu
diskutieren.

- 56 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

5.2.

Wohnungswirtschaftliche Analyse und Bewertung des Stadtteils

5.2.1.

Räumliche Einordnung und Gliederung des Stadtteils

Der Stadtteil „Aachen-Nord“ gehört zum Stadtbezirk Aachen-Mitte. Er grenzt südlich an die
Aachener Innenstadt und erstreckt sich nördlich bis zum Stadtteil Haaren. Aachen-Nord umfasst eine Fläche von ca. 300 ha und beherbergt ca. 17.600 Einwohner (Stand 2013). Untergliedert wird das Gebiet in das südliche Rehm- und Ungarnplatzviertel und das Gebiet um
die Jülicher Straße. Das Teilgebiet „Gut Kalkofen“ umfasst ein in Privatbesitz befindliches
Grundstück (siehe Abb. 33).
Abbildung 33:

Unterteilung des Gebietes Aachen-Nord

Quelle: Stadt Aachen: Integriertes Handlungskonzept Aachen-Nord.

Das Gebiet Aachen-Nord hat eine lange industrielle und gewerbliche Tradition. Große Teile
der Gesamtfläche, v.a. im nördlichen Bereich, werden von Industrie- und Gewerbebetrieben
in Anspruch genommen. Große hier ansässige Firmen sind z.B. Zentis und Bombardier/Talbot. Zudem sind zahlreiche Betriebe auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs
und im „Krantz-Center“ ansässig. Die Nutzung als Wohnstandort ist aus der Notwendigkeit
der Wohnraumversorgung der Arbeiter entstanden. Das Gebiet ist somit ein traditioneller
Arbeiterwohnort. Der Gebäudebestand spiegelt dies durch eine relativ dichte und einfache
Bebauung wider.
- 57 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Das südlich gelegene „Rehm- und Ungarnplatzviertel“ ist nicht durch großflächige Industrieund Gewerbebetriebe geprägt und hat mit seiner partiell gründerzeitlichen Bausubstanz und
seiner bevorzugten Richtung Innenstadt orientierten Lage einen etwas hochwertigeren Charakter als Wohnquartier. Am westlichen Rand des Gebietes in der Nähe des Stadtgartens
befinden sich die attraktivsten Wohnlagen in Aachen-Nord. Die Erdgeschosse sind teilweise
mit Dienstleistungs- und Einzelhandelsbetrieben durchsetzt. Auch einzelne (eher kleine)
Handwerksbetriebe sind ansässig. Ansonsten ist der Stadtteil, insbesondere rund um den
Europaplatz, von Arbeiterwohnungsbau der 1920/30er Jahre geprägt, der durch einzelne
später eingefügte Bauten der 60/70er Jahre ergänzt wird.
5.2.2.

Verkehrliche Anbindung

Durch die großen Hauptverkehrsstraßen Jülicher Straße, Adalbertsteinweg, Alleenring und
Blücher-/ bzw. Europaplatz ist der Stadtteil sehr gut an das Verkehrsnetz des Individualverkehrs angebunden. Hierdurch sind sowohl die Innenstadt und andere Teile der Stadt Aachen
wie auch die Autobahn A544 als Zubringer auf die A4 und A44 gut zu erreichen (die Fahrtzeit
bis zum Kreuz Aachen beträgt 10 Minuten). Die Städte Köln und Düsseldorf sind so mit dem
Auto in weniger als einer Stunde zu erreichen (Köln 65 km/50min - Düsseldorf 78km/50min).
Die Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz ist hierdurch sehr günstig. Gleichzeitig wirkt
sich die hohe Verkehrsbelastung negativ auf den Wohnwert in der Umgebung aus.

- 58 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 34:

ÖPNV-Anbindung in Aachen-Nord

Quelle: www.avv.de

Die Anbindung an den ÖPNV erfolgt über mehrere lokale Buslinien (30, 34, 40, 41, 52, 51,
70) und insgesamt 20 gleichmäßig über das Gebiet verteilte Haltestellen. Der Hauptbahnhof
in Aachen mit seinem breiten Angebot an Nah- und Fernverkehr ist aus dem Gebiet AachenNord heraus mit dem Bus in ca. 20 Minuten zu erreichen. Hierbei gibt es Abweichungen je
nach Buslinie und Haltestelle.
5.2.3.

Bildungseinrichtungen

Kindertagesstätten sind relativ gleichmäßig über das Gebiet des Stadtteils Aachen-Nord verteilt, im südlichen Teil ist eine leichte Konzentration festzustellen. Es existieren nur 2 Grundschulen, eine davon in der Passtrasse (Süden) und eine in der Feldstraße (Norden). Die beiden weiterführenden Schulen befinden sich beide im südlichen Teil des Stadtteils. Die städtische Gemeinschaftshauptschule liegt in der Aretzstraße, die Hugo-Junkers Realschule in der
Bischofstraße. Darüber hinaus existiert noch eine Förderschule in der Talbotstraße am östlichen Rand des Gebiets.

- 59 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Tabelle 1: Übersicht über Bildungseinrichtungen in Aachen-Nord
Kitas

Grundschulen

 AWO-Kita Krümel (Sigmundstraße 8)

 Katholische Grundschule Passstrasse

 Katholische Kindertagesstätte St. Elisabeth (Jülicher Straße 68)

 katholischen Grundschule Feldstraße

 Integrative Kita Schikita der Caritas
(Scheibenstraße 11)

Weiterführende Schulen

 private Kita Spielwiese (Blücherplatz 24)

 städtische Gemeinschaftshauptschule
Aretzstraße 10-20

 Städtische Tageseinrichtung für Kinder
(Wiesental 8)

 Hugo-Junkers Realschule (Bischofstraße
21)

 Integrative Kindertagesstätte
(Talbotstraße 16)
 Städtische Kindertagesstädte
(Passstraße 25)

Sonstiges

 Kindertagesstädte MiniMax (AWO)
(Passstraße 10)

 Musikschule (Blücherplatz 43)

 Kindergarten St. Martin (Feldstraße)

 Martin-Luther-King-Sonderschule für Erziehungshilfe

5.2.4.

Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot

Zahlreiche Einzelhandelseinrichtungen befinden sich im südlichen Teil des Stadtteils (Rehmviertel; rund um den Ungarnplatz) in den Erdgeschossen der Gebäude. Hier sind auch etliche Handwerksbetriebe und Dienstleistungsbetriebe angesiedelt. Darüber hinaus sind gastronomische Einrichtungen hier v.a. entlang der Jülicher Straße, Heinrichsallee, Adalbertsteinweg, Rudolfstraße und Ottostraße zu finden. Weitere Einrichtungen des Einzelhandels
und der Dienstleistungen befinden sich im Stadtteil entlang der Jülicher Straße und Grüner
Weg. Das Angebot ist insbesondere im südlichen Teil Richtung Innenstadt multikulturell geprägt. Die Nahversorgung der Bewohner des Stadtteils Aachen-Nord ist somit vielfältig und
von den Wohnstandorten aus gut zu erreichen.
5.2.5.

Kultur und Freizeit

Im Gebiet Aachen-Nord selbst befinden sich wenige zugängliche Grünflächen. Lediglich der
Ostfriedhof und der südwestlich an das Gebiet anschließende Stadtgarten, Kurgarten, Farwickpark sowie der östlich gelegene Wurmbach mit dem Wurmradweg bieten die Möglichkeit
zur Freizeitgestaltung in der Natur.

- 60 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Es befinden sich mehrere kulturelle Einrichtungen in Aachen-Nord. Das Ludwig Forum (zeitgenössische Kunst), das Theater DAS DA (Liebigstraße) und das Theater K sind hier zu
nennen. Die Carolus-Thermen bieten die Möglichkeit zu Wellness und Entspannung. Darüber hinaus bieten die städtische Musikschule am Blücherplatz 43 und die Musikschule
MU’FAB am Grüner Weg 28 zahlreiche Möglichkeiten zum Musizieren.
Im Gewerbegebiet im Westen befinden sich mehrere Fitnessstudios und sowie ein Fußballstadion, eine Eissporthalle und eine Soccerhalle.
5.2.6.

Zwischenfazit: Hohe Lagepotenziale und sozialstrukturell bedingte Imageprobleme

Aus einer wohnungswirtschaftlichen Perspektive sind vor allem die Innenstadtnähe, die sehr
gute Ausstattung mit verschiedensten Angeboten aus den Bereichen Bildung, Einzelhandel,
Dienstleistungen, Freizeit sowie die sehr gute verkehrliche Anbindung positiv zu beurteilen.
Die in der Historie des Arbeiterviertels wurzelnden Sozialstrukturen verbinden sich heute mit
einer gegenüber dem städtischen Durchschnitt erhöhten Arbeitslosigkeit bzw. Transferabhängigkeit und einem somit deutlich unter dem städtischen Durchschnitt angesiedelten sozioökonomischen Status. Insofern wird Aachen-Nord als einfaches und teilweise problematisches Wohngebiet wahrgenommen. Dieser Eindruck wird in städtebaulicher Hinsicht nicht
nur durch den prägenden Charakter der Jülicher Straße und die verbliebenen gewerblichindustriellen Nutzungen (mit den jeweiligen Emissionen) verstärkt, sondern findet seinen
Ausdruck auch in dem teilweise unwirtlichen bis vernachlässigten Charakter der Wohnstraßen und sonstigen öffentlichen Räume.
5.3.

Potenzialflächen für den Wohnungsneubau in Aachen-Nord

In Kooperation mit der Stadtverwaltung wurden in Aachen-Nord Potenzialflächen für den
Wohnungsneubau erfasst, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Soweit Informationen
zur Realisierbarkeit vorlagen, wurden diese einbezogen. Einen ersten Überblick über die
betrachteten Flächen gibt die folgende Karte. Die in der Karte vorgenommen Einordnung
nach kurz-, mittel- oder langfristige Realisierungshorizont ist sehr vorläufig. Eine wichtige
Aufgabe sollte es sein, im Wege der Ansprache, Beratung und Kooperation mit dem Grundstückseigentümer die Realisierungswahrscheinlichkeit zu erhöhen und den Realisierungshorizont zu verkürzen.

- 61 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 35:

Wohnbaupotenziale in Aachen Nord

Quelle: eigene Darstellung (Kartengrundlage: openstreetmap.org)

Baugebiet Burggrafenstraße
Voraussetzungen: Das Grundstück
im Besitz der gewoge ist bereits ein
B-Plan aufgestellt.
Planung: Die Bestandsobjekte an
der Jülicher Straße werden saniert.
In zweiter Reihe sollen ebenfalls
Mehrfamilienhäuser errichtet werden, dahinter eine Mischung aus
Ein- und Mehrfamilienhäusern. Das
Grundstück in hohem Maße geeignet, günstige Einfamilienhäuser als
Alternative zu den sonstigen Angeboten im Stadtteil zu realisieren.
ehem. Gota-Markt

Voraussetzungen: Das Grundstück
des ehemaligen Marktes ist im Besitz eines Privateigentümers, der
Überlegungen zur wohnbaulichen
Entwicklungen anstellt.
Eignung: Aufgrund der Bebauung in
der Nachbarschaft primär für Mehrfamilienhausbau geeignet und insbesondere im Verbund mit dem Projekt Burggrafenstraße realisierbar.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Brache Hansemannplatz
Voraussetzungen: Derzeit ist die
stark durch Immissionen belastete
Fläche als Parkplatz und durch ein
Taxiunternehmen genutzt. Ein weiterer Teil liegt brach. Der neue Eigentümer scheint investitionsbereit.
Eignung: In erster Reihe gewerbliche Nutzung o. einfacher (gef.)
Wohnungsbau. Zweite Reihe mit
Blick auf den Kurgarten mit besserer
Qualität und erweiterten wohnungswirtschaftlichen Möglichkeiten.
Aufstockung Eckhaus
Voraussetzungen: Das an der stark
befahrenen
Straße
gelegene
Grundstück ist im Vergleich zu umliegenden Grundstücken derzeit
untergenutzt (zweigeschossig) und
in schlechtem baulichen Zustand.
Der private Eigentümer scheint nicht
investitionsbereit.
Eignung: Aufstockung o. Neubau
allenfalls mit einfachem (gef.) Wohnungsbau.

St. Elisabeth
Voraussetzungen: Die nicht mehr
genutzte Kirche und die Nebengebäude (ausgeschlossen KiTa) befinden sich im Verkauf. Die Probleme
bei der Umnutzung einer Kirche und
die lärmbelastete Lage machen dies
zu einem langfristigen Projekt.
Eignung: Das umgebaute Kirchengebäude könnte sich z.B. für seniorenspezifische Wohnformen eignen.
Wahrscheinlich entsteht daraus ein
hoher Förderbedarf.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Blücherplatz
Voraussetzungen: Aufgrund der
straken Lärmbeeinträchtigung hat
der Platz kaum Aufenthaltsqualitäten. Insofern käme auch eine
Wohnbebauung in Betracht. In Abhängigkeit vom städtebaulichen
Konzept besteht die Möglichkeit,
einen verkleinerten, geschützten
öffentlichen Bereich mit höherer
Aufenthaltsqualität zu integrieren.

Restfläche Tuchfabrik
Voraussetzungen: Der Großteil der
ehemaligen Tuchfabrik ist bereits für
Wohnen, gezielt für junge Menschen, umgebaut worden. Der Eigentümer plant weitere Flächen auf
seinem Grundstücke mit Wohngebäuden zu bebauen.
Eignung: Entsprechend dem Konzept des Areals, ist auch für diesen
Bereich junges Wohnen vorgesehen. Die Qualität des Standortes
ermöglicht auch die Ansprache anderer Zielgruppen.

ehem. Fabrik Göllner
Voraussetzungen: Die ehemalige
Fabrik wird derzeit teilweise als Lager genutzt und liegt teilweise brach.
Aus städtebaulicher Sicht ist die
Entwicklung des Grundstücks wünschenswert, der Eigentümer scheint
aber nicht investitionsbereit.
Eignung: In der Umgebung besteht
eher einfacher Wohnungsbau. Die
gute ruhige und innenstadtnahe Lage bietet jedoch Aufwertungspotenzial und ist auch für Familien geeignet.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Innenhof Aretzstraße
Voraussetzungen: Das Gewerbeund Industriegelände innerhalb eines Wohnbaublocks bietet eine ruhige Lage und Potential für eine
Nachverdichtung. Der Eigentümer
hat jedoch keine Investitionsabsichten.
Eignung: Die attraktive Lage in einem begrünten Hof bietet das Potential für unterschiedlichen Konzepte und Segmente des Wohnungsbaus.
Eintrachtstraße
Voraussetzungen: Es bestehen Planungen, dass Grundstück zwischen
Musikschule im Westen und Gewerbeflächen im Osten für einfachen
(sozialen) Wohnungsbau zu nutzen.
Planung: Geplant ist ein 4geschossiges Gebäude mit KiTa
und 2440m² öffentlich geförderter
Wohnfläche.

Grundstück neben Widra
Voraussetzungen: Das unbebaute
Grundstück liegt neben der bereits
zur Wohnnutzung umgebauten Fabrik. Die etwas isolierte Nachbarschaft zwischen Hauptverkehrsstraßen und Friedhof würde durch die
Entwicklung des Grundstücks aufgewertet. Der Eigentümer scheint
jedoch nicht investitionsbereit.
Eignung: Breite wohnungswirtschaftliche Nutzbarkeit bis zu einem mittleren Preissegment. Kleinteilige,
gehobenen Alternativ zum Wertzgelände in der Nachbarschaft.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Wertzgelände
Voraussetzungen: Das Gelände an
der Kreuzung von zwei Hauptverkehrsstraßen befindet sich derzeit
am Ende des Aufstellungsverfahrens für einen B-Plan.
Planung: Geplant ist eine zweireihige Bebauung unter den Aspekten
Mehrgenerationenwohnen, geförderter Wohnungsbau (v.a. in erster
Reihe)
und
umweltbewusstem
Wohnen. Geplant ist u.a. ein Gemeinschaftsgarten für den Gemüseanbau.

5.4.

Wohnungsneubau als Baustein einer Aufwertungsstrategie

5.4.1.

Segmente des Wohnungsneubaus in Aachen-Nord

Die vorstehenden Standortbeispiele zeigen zunächst, dass in Aachen-Nord ein nennenswertes Flächenpotenzial für den Wohnungsneubau vorhanden ist. Insofern kann der Stadtteil
einen Beitrag zu einer gesamtstädtischen Ausweitung des Wohnungsangebotes leisten. Unabhängig von im Einzelfall bestehenden Restriktionen (z. B. Handlungs- bzw. Verkaufsbereitschaft des Grundstückseigentümers) sind die betrachteten Flächen von ihren Qualitäten
und Lagepotenzialen überwiegend für eine Neubauentwicklung geeignet.
Der Stadtteil ist in seinem Status quo allerdings nur in Ausnahmefällen (in den guten Teillagen) in der Lage, anspruchsvollere Haushalte und insbesondere entsprechende Familien mit
erhöhter Zahlungsbereitschaft anzuziehen. Dementsprechend sind die neu errichteten Wohnungen spürbar unter dem städtischen Durchschnitt für Neubauangebote anzusiedeln.
Insgesamt kommen insbesondere folgende Segmente und Zielgruppen für den Wohnungsneubau in Aachen-Nord in Betracht:


Aachen-Nord ist bislang überwiegend ein Mieterstadtteil. Gerade deswegen haben
Angebote zur Eigentumsbildung (Wohnungen, einfache Einfamilienhäuser) eine besondere Bedeutung, vor allem um eigentumsorientierte Aufsteigerhaushalte im Stadtteil zu halten. Die Eigentumsangebote bleiben jedoch auf die qualitativ hochwertigen
Standorte im Quartier und die hochwertigeren Teilabschnitte in etwas größeren qualitativ differenzierten Neubauvorhaben angewiesen. Von daher werden sie wahrschein- 66 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

lich quantitativ hinter dem Mietwohnungsbau zurückbleiben. Da sich die Wohneigentumsbildung überwiegend nach erfolgter Ausbildung und nach etablierter Partnerschaft oder Familiengründung vollzieht, sind in diesem Segment Kleinwohnungen von
untergeordneter Bedeutung.


Der geförderte Mietwohnungsbau wird in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von
Transferempfängern oftmals negativ beurteilt. Dem gegenüber steht jedoch, dass die
realisierten Qualitäten so hoch sind, dass auch mit dem geförderten Wohnungsbau
städtebauliche Aufwertungsimpulse gesetzt werden können. Hinzu kommen die besonderen Finanzierungsbedingungen der Förderung, die auch an schwierigen Standorten einen rentierlichen Wohnungsneubau ermöglicht. Insofern kann der geförderte
Wohnungsbau eine strategische Bedeutung (Impuls- oder Pionierfunktion) bei der
Entwicklung schwieriger Grundstücke haben. Innerhalb der relativ großzügig bemessenen Einkommensgrenzen kann die Belegung zudem so gesteuert werden, dass
kleinräumige soziale Schieflagen nicht verstärkt werden.



Der freifinanzierte Mietwohnungsbau wird in Aachen-Nord vornehmlich in einer preisgedämpften Variante zu realisieren sein (ca. 8,50 €/m² Anfangsmiete). Im Grundsatz
besteht auch die Möglichkeit dieses Segment durch den geförderten Wohnungsbau
(Typ B) zu besetzen. Den Investoren sollte dies alternativ nahegebracht werden. In
Abhängigkeit von der Eignung des Grundstücks kommt dabei ein breites Spektrum
von Grundrisstypen und Zielgruppen in Betracht.

5.4.2.

Zielgruppen des Wohnungsneubaus und ihre Bedeutung für die Stadtteilentwicklung

Aus den vorstehenden Überlegungen ist schon deutlich geworden, dass die bereits im Quartier verankerten Haushalte insbesondere dann eine wichtige Zielgruppe darstellen, wenn sie
sich im Ergebnis eines sozialen Aufstiegs in der Wohnqualität verbessern wollen. Unter den
bisherigen Bedingungen ist ein Fortzug in einen anderen Stadtteil wahrscheinlich. Dies gilt
gleichermaßen für Deutsche und Migranten und besonders für Familien. Ein entsprechendes
Neubauangebot ist zwar nicht allein entscheidend, im Verbund mit den sonstigen Bemühungen der Stadteilentwicklung jedoch ein wichtiger komplementärer Bestandteil zur sozialen
Stabilisierung.
Eine ähnliche Bedeutung hat die Zielgruppe der Senioren. Allgemein bekannt ist, dass ein
Verbleib in der eigenen Wohnung oder im eigenen Quartier (unter Beibehaltung der sozialen
Bezüge) angestrebt wird. Ein Verbleib in der bisherigen Wohnung ist aufgrund der eingeschränkten Eignung der Altbaubestände häufiger nicht möglich. Oftmals sind bauliche An- 67 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

passungen an drohende oder vorhandene Mobilitätseinschränkungen schwieriger oder nur
zu hohen Kosten möglich. Sofern eine Alltagsunterstützung in der pflegerischen und sozialen
Betreuung oder auch als Unterstützung der Haushaltsführung erforderlich ist, stößt dies
ebenfalls im kleinteiligen Bestand privater Eigentümer auf schwierigere Bedingungen. Insofern sind Neubaualternativen für diese Zielgruppe geeignet.
Aachen-Nord ist zugleich als innenstadtnaher, sozial heterogener und urbaner Stadtteil für
Studenten und andere Pioniergruppen interessant. Dies lässt sich bereits heute im Stadtteil
ablesen und bietet auch Ansatzpunkte für weiteren Wohnungsbau.
Im Verhältnis zur Stadt Aachen insgesamt werden die Neubauangebote in Aachen-Nord einen Beitrag zur Sicherung preiswerten Wohnungsbaus leisten. Gleichzeitig sind sie jedoch
ein wichtiger Baustein zur Aufwertung des Stadtteils. Mit den Wohnungsbauvorhaben können städtebaulichen Probleme beseitigt und die soziale Situation des Stadtteils stabilisiert
werden. Im Ergebnis lässt sich jedoch kaum kontrollieren, ob die gegenüber dem Status quo
höherwertigen Neubauwohnungen im Verbund mit den sonstigen Maßnahmen der Stadtteilentwicklung einen Anfangsimpuls für einen langfristig in Gang kommenden marktgetriebenen
Aufwertungsprozess mit Gentrifizierungsfolgen25 auslösen werden. Aus jetziger Sicht in dies
jedoch allenfalls in den besonders guten Teillagen denkbar.
5.4.3.

Handlungsansätze zur Mobilisierung von Wohnungsneubau

Ausgehend von den vorhandenen Wohnungsbaupotenzialen sowie als komplementäres und
zugleich stützendes Element der Stadtteilentwicklung sollte die Stadt Aachen auf eine Mobilisierung der Potenziale für den Wohnungsneubau einwirken. Grundlegend zum Verständnis
der Aufgabe ist, dass der Stadtteil bislang keine ausreichende ökonomische Basis und Perspektive für den Wohnungsneubau bot. Zwar ist in diesem Sinne noch kein Durchbruch erzielt, der eindeutige Signale an die (potenziellen) Investoren sendet. Doch können vor dem
Hintergrund der bereits erfolgten und geplanten Maßnahmen der Stadtteilentwicklung erste
Verbesserungen und günstigere Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden. Zudem hat
die jüngere Wohnungsmarktentwicklung mit gesamtstädtischen steigenden Mieten/Preisen
und einen nachhaltig günstigen Zinsniveau für eine Verbesserung der wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen geführt. Insofern ist der Zeitpunkt günstig, den Wohnungsneubau
als Teil einer Stadtteilentwicklungsstrategie voranzutreiben.
25

Träger derartiger Gentrifizierungsprozesse und damit verbundener Verdrängung angestammter Bevölkerungsgruppen sind in der Regel relativ zahlungskräftige Haushalte mit Interesse an urbanen, gut gelegenen Quartieren. Bezogen auf ihre Zahlungsbereitschaft und ihre Anspruchsniveaus werden Wohnungen
im Wege der Modernisierung dem preisgünstigen Segment entzogen. Eine anziehende Nachfrage nach
Wohnungen im Stadtteil kann darüber hinaus auch einen knappheitsgetriebenen Preisanstieg erzeugen.

- 68 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Noch dürfte der Wohnungsneubau im Stadtteil jedoch kein allein über die Marktsignale vorangetriebener Selbstläufer sein. Eine politisch-planerische Unterstützung bleibt zunächst
erforderlich. Entscheidend ist, dass die erzielbaren Neubaumieten und Verkaufspreise unter
den gegebenen Rahmenbedingungen (Baukosten, Zinsniveau) und bei standortgerechten
Grundstückspreisen zwar knapp für eine rentierliche Entwicklung ausreichen dürften, jedoch
im Verbund mit Entwicklungsunsicherheiten und nicht eindeutig auf der Hand liegenden langfristigen Ertragsperspektiven nach wie vor einen zu schwachen Investitionsimpuls abgeben.
Der Strategiebaustein „Wohnungsneubau in Aachen-Nord“ muss in dieser aus Investorensicht wohnungswirtschaftlichen Grenzsituation gezielt an der Verbesserung des Investitionsklimas und der Investitionsbedingungen ansetzen. Dies sollte sich mit folgenden Handlungsansätzen verbinden:


Diskussion der u.a. durch die Städtebauförderung verbesserten Entwicklungsperspektiven im Dialog mit einzelnen Grundstückseigentümern und Investoren sowie in
einem ggf. eingerichteten Kooperationsgremium „Wohnungsneubau Aachen-Nord“
(wohnungswirtschaftlicher Beirat zur Stadtteilentwicklung)



Aktive Ansprache und Begleitung der Grundstückseigentümer und Investoren durch
eine kooperative Planungs- und Genehmigungspraxis bis hin zu fachlich-planerischer
Unterstützung im Einzelfall (z. B. Ideenentwicklung, Wirtschaftlichkeitsberechnung);
Bereitstellung kompetenter Ansprechpartner). Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Stadt Aachen nicht nur die privaten Eigentümer für den Wohnungsbau aktiviert, sondern prioritär auch eigene Flächen einbringt und in Kooperation mit der Gewoge AG das Wohnungsbauvorhaben an der Burggrafenstraße vorantreibt.



Subventionierung im Einzelfall, wenn die Ertragsaussichten keine ausreichende Investitionsgrundlage bieten. Eine derartige Subventionierung kann sehr unterschiedliche Formen annehmen: Nachlass auf den Preis eines städtischen Grundstücks,
Übernahme einer Bürgschaft zur Absicherung einer Bankenfinanzierung, wirtschaftliche Beteiligung eines städtischen Unternehmens wie z. B. der gewoge AG und
schließlich unmittelbare Förderzusagen der Stadt.

5.5.

Fazit

Aachen-Nord war bislang als Investitionsstandort für den Wohnungsneubau nicht ausreichend attraktiv. Die veränderten wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die
Fortschritte in der Stadtteilentwicklung auf der Basis des Programms „Soziale Stadt“ machen
- 69 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

es nun möglich, den Wohnungsneubau als eine zusätzliche Säule der Stadtteilentwicklung
voranzutreiben. In Abhängigkeit von den konkreten Grundstücken kann dabei eine breite
Palette von Segmenten und Zielgruppen angesprochen werden. Dabei können primär preisgünstige Neubauangebote realisiert werden, die im Kontext des Stadtteils zwar Aufwertungsimpulse setzen können im gesamtstädtischen Gefüge jedoch als preisgünstige Neubauangebote wirken. Da der Wohnungsneubau in Aachen-Nord auch beim erreichten Status quo
noch kein Selbstläufer ist, wird es wichtig sein, sich mit den Grundstückseigentümer und
Investoren über die jeweiligen Investitionsbedingungen auszutauschen und entsprechende
Verbesserungen zu bewirken.

- 70 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

6.

Ansätze zur Sicherung und Stärkung der Wohnfunktion in
der Innenstadt

6.1.

Stellenwert des Bausteins und Bezug zum Innenstadtkonzept

Parallel zur Aktualisierung der Aachen-Strategie-Wohnen wird derzeit das Innenstadtkonzept
2022 für Aachen bearbeitet. In diesem Zusammenhang findet eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Entwicklungstrends der Innenstadt und den anstehenden städtebaulichen
bzw. stadtplanerischen Aufgaben statt. Dem Thema Wohnen ist dabei ein eigenständiger
Bearbeitungsbaustein gewidmet. Insofern ist eine tiefere Analyse der Innenstadt als Wohnstandort im Rahmen der aktualisierten Aachen-Strategie-Wohnen nicht erforderlich. Stattdessen sollen hier wohnungspolitisch-instrumentelle Überlegungen weitgehend ohne Bezug
zu konkreten Planungsaufgaben angestellt werden. Dies soll die auf konkrete städtebauliche
Aufgaben fokussierten Arbeiten des Innenstadtkonzeptes ergänzen.
6.2.

Grundüberlegungen zur Innenstadt als Wohnstandort

6.2.1.

Ein zunehmend beliebter Wohnstandort

Die Aachener Innenstadt ist wie die meisten Innenstädte in sich vielfältig. Es gibt verlärmte
Straßenzüge (Alleenring), die nur eine eingeschränkte Wohnqualität bieten. Auch die Einkaufszonen mit ihren hohen Passantenfrequenzen sind nicht uneingeschränkt als Wohnstandort geeignet. Manche innerstädtische Einrichtung beeinträchtigt mit ihren Frequenzen
und/oder ihrem städtebaulichen Erscheinungsbild die Wohnqualität in der unmittelbaren
Nachbarschaft (Hauptbahnhof, Universitätsgebäude, große Büroobjekte etc.).
Sobald man jedoch den unmittelbaren Einflussbereich dieser oft sehr punktuellen und angesichts der innenstadttypischen Nutzungsdichte unvermeidbaren Beeinträchtigungen verlässt,
zeigt auch die Aachener Innenstadt hohe Qualitäten als Wohnstandort. Dies gilt für die gründerzeitlich geprägten Blockstrukturen (inklusive des daran orientierten Wiederaufbaus)
ebenso wie für nachträglich eingefügte städtebauliche Figuren und die damit verbundenen
Wohngebäude. Die typischen Mängel einer Innenstadt (hoher Überbauungsgrad, relativ wenig Grün, Abwesenheit völliger Ruhe, unpersönliches Umfeld) werden offenbar in der Wahrnehmung einer mehr als ausreichend großen Gruppen von Nachfragern als nicht besonders
gravierend erlebt bzw. von den Vorteilen des innerstädtischen Wohnens überkompensiert.
Zu den durchschlagenden Vorteilen zählen insbesondere die hohe Nutzungsdichte mit der
leichten Erreichbarkeit vielfältiger Einrichtungen und Angebote sowie die damit einhergehende Lebendigkeit bzw. Urbanität.

- 71 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Ausdruck dieser hohen Attraktivität des Wohnens sind auch die Preise, die für Grundstücke
und Wohnungen (Miete und Eigentum) erzielt werden. So wie in den meisten Großstädten
gilt auch für Aachen, dass die Innenstadt zu den teuersten und somit aus Nachfragersicht
offenbar attraktivsten Wohnstandorten zählt. Oft werden die Innenstädte nur übertroffen von
unmittelbar angelagerten Wohnquartieren, bei denen sich die Nähe zur innerstädtischen
Vielfalt und Lebendigkeit noch günstiger mit dem typischen Flair des hochwertigen Wohnens
und spezifischen Folgeangeboten (Cafes, Restaurants, Nahversorgung, hochwertiger sonstiger Einzelhandel) mischt (z. B. Frankenberger Viertel). Ähnlich hohe Preise wie in den Innenstadtquartieren werden ansonsten nur punktuell in städtebaulich hoch attraktiven Villengebieten in guter Lage erreicht.
6.2.2.

Zielgruppen: Familien und Haushalte mit geringen Einkommen haben
schlechtere Chancen

Oft wird beklagt, dass insbesondere die Zahl der Familien in den Innenstädten zurückgeht.
Dies ist wahrscheinlich zum Teil das Ergebnis des spezifischen Wohnungsangebotes (oftmals kleinere Wohnungen mit eingeschränkter Familieneignung) und der teilweise bestehenden Umfeldprobleme. In den durchaus in nennenswertem Umfang vorhandenen familiengeeigneten Innenstadtquartieren mit ebensolchen Wohnungen sind die Preise aufgrund
des starken Nachfragedrucks oftmals so hoch, dass „normalverdienende“ Familien hier keine
ausreichend großen Wohnungen finanzieren bzw. an anderen Stellen der Stadt (oder Region) gemessen an ihren Präferenzen bessere Angebote vorfinden. Grundsätzlich gilt, dass
Familien in teuren, städtischen Wohnungsmärkten wegen der geringeren Äquivalenzeinkommen26 benachteiligt sind und insofern in höherem Ausmaß auf preiswerte Standorte (z.
B. Umland) ausweichen müssen.27 Dies gilt ganz mit besonders mit Blick auf die Innenstädte.
Der relativ hohe Anteil kleiner Wohnungen und die hohen Preise führen in der Tendenz zu
einem besonders hohen Anteil von Single- und Zweipersonenhaushalten in der Innenstadt.
Dabei führt der insbesondere in den letzten Jahren spürbare Zuzugsdruck junger Haushalte
mit urbanen Lebensstilen und relativ hoher Zahlungsbereitschaft auch dazu, dass die Hauseigentümer und Vermieter Chancen sehen, höhere Mieten zu realisieren und ohnehin notwendige Instandsetzungen mit einer qualitativen Aufwertung bis hin zur Luxusmodernisie26

Äquivalenzeinkommen ist das mit der Zahl der Personen gewichtete Haushaltseinkommen.

27

Vgl. Bernhard Faller et al.: Die Stadt als Wohnort von Familien: Ergebnisse der ExWoSt-Studie „Strategien
und Aktionsfelder für städtisches Wohnen von Familien“. Berlin 2009. (Herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung).

- 72 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

rung zu verbinden. So werden ehemals einfache Wohnungen in den mittleren bis guten Innenstadtlagen in das höherwertige Segment hineingehoben und gehen folglich dem preisgünstigen Teilmarkt verloren. Die ehemals häufiger in der Innenstadt anzutreffenden Haushalte mit geringen Einkommen haben dementsprechend im Zeitablauf schlechter werdende
Verbleibschancen. Ein anstehender oder durch Kündigung (z. B. Modernisierung oder Eigenbedarf) erzwungener Umzug kann oftmals nicht durch einen Umzug im Quartier bzw.
innerhalb der Innenstadt oder angrenzender Wohnlagen beantwortet werden. Dies kann insbesondere bei alten Menschen, die mehrere Jahrzehnte oder ihr ganzes Leben in der Innenstadt verbracht haben, zu kaum zumutbaren individuellen Härten führen.
So ist der Anstieg der Durchschnittspreise in der Innenstadt auch ein Ergebnis des Verlustes
preisgünstiger Wohnungen. Allerdings ist die Aachener Innenstadt noch nicht so weitgehend
durchmodernisiert wie das die Innenstädte in den süddeutschen Wachstums- und Universitätsstädten oder den dynamisch wachsenden Metropolen sind. Auch gibt es in Aachen mit
dem Ostviertel und Aachen-Nord direkt angrenzende Quartiere, die eher mit sozialen Problemen und relativ günstigen Mieten als mit galoppierenden Aufwertungsprozessen verbunden werden. Insofern bietet der Aachener Wohnungsmarkt in der Innenstadt und in Innenstadtnähe (noch) preisgünstige Nischen, die jedoch bei anhaltendem Wachstum der Wohnungsnachfrage und knapp bemessenen Alternativen am Wohnungsmarkt künftig in einen
verstärkten wohnungswirtschaftlichen Aufwertungssog hineingeraten können.
6.2.3.

Zwischenfazit

Die Aachener Innenstadt ist wie viele andere Innenstädte zunehmend beliebt als Wohnstandort. Dies verbindet sich mit einer kräftigen Nachfrage und einer im Wettbewerb der
Nachfrager steigenden Zahlungsbereitschaft. Die Folge sind hohe und steigende Preise für
das Wohnen, die auch Verdrängungsfolgen haben können. Da ein weiteres Bemühen um
weitere Attraktivitätssteigerung kommunalpolitischen ohne Alternative ist, sollte jedoch wohnungspolitisch zumindest eine komplementäre Strategie verfolgt werden.
6.3.

Wohnungspolitische Handlungsansätze für die Innenstadt

Die zur Verfügung stehenden wohnungspolitischen Handlungsansätze in der Innenstadt unterscheiden sich nicht von den in anderen Teilbereichen der Stadt. Insofern erfolgt hier im
Vorgriff auf den Empfehlungsteil (Kap. 7) nur eine kurze Diskussion möglicher Handlungsansätze.
Die hohe Attraktivität der Innenstadt führt zu einem hohen wohnungswirtschaftlichen Verwertungsdruck und bei begrenzten Möglichkeiten der Angebotsausweitung durch Neubau zu
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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

den beschriebenen ökonomischen und sozialen Konsequenzen. Jede weitere Attraktivitätssteigerung der Innenstadt forciert mit hoher Wahrscheinlichkeit den Nachfrage- und Verwertungsdruck weiter. Das kommunalpolitische Bemühen um eine weitere Attraktivitätssteigerung ist jedoch alternativlos. Von daher bleibt hier ein Zielkonflikt bestehen. Insofern sollte
die Wohnungspolitik für die Innenstadt komplementär zu einer weiteren Attraktivitätssteigerung angelegt werden. Dies verbindet sich mit den nachfolgenden Themen.
6.3.1.

Neubau durch Nachverdichtung

Der hohe Nachfragedruck sollte nach Möglichkeit durch entsprechende Neubauleistungen
beantwortet werden. Dies verbindet sich insbesondere mit folgenden Optionen:


Schließen von Baulücken



Nachverdichtung untergenutzter Grundstücke durch neue Baukörper (auch Teilabriss
und Neubau)



Nachverdichtung durch Aufstocken vorhandener Bebauung

Diese Optionen wurden in den vergangenen zwanzig Jahren städtebaulicher und wohnungswirtschaftlicher Diskussion immer wieder diskutiert und in vielen Modellvorhaben erprobt. Auch entsprechende Baulücken- und Potenzialkataster wurden wie in Aachen vielfach
aufgebaut. Letztlich ist jedoch entscheidend, dass die Stadt im Rahmen der aktuellen
Rechtslage kaum über den Einzelfall hinaus systematisch und zielgerichtet auf die Grundstücksverwertung der Eigentümer Einfluss nehmen kann. Die wohnungswirtschaftliche Verwertung der privaten Innenstadtgrundstücke bleibt i. w. marktgetrieben und kann nur bedingt
politisch beeinflusst werden.
Insofern können vornehmlich solche Instrumente zur Anwendung kommen, die das Investitionsklima verbessern: Ansprache, Kooperation, zügige und investorenfreundliche Genehmigungspraxis, Unterstützung bei der Überwindung nachbarschaftlicher Widerstände etc. In
städtebaulich und wohnungspolitisch wichtigen Einzelfällen kann die Stadt Aachen ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen und dies auch zugunsten einer durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft (gewoge AG) ausgeübten Bauherrenschaft ausüben.
6.3.2.

Umnutzung bestehender Gebäude

Auch die Büro- und Einzelhandelsmärkte sowie nicht zuletzt die öffentlichen Infrastrukturen
sind in einem Wandel begriffen. Hierdurch werden immer wieder Flächen und Objekte freigesetzt, die teilweise auch zu Wohnzwecken umgenutzt werden können. Eine frühzeitige
Erfassung derartiger Umnutzungsoptionen und eine in Richtung Wohnnutzung kooperativ
- 74 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

und investorenfreundlich agierende Bau- und Planungsverwaltung können entsprechende
Umnutzungsvorhaben voranbringen.
6.3.3.

Sicherung preiswerten Wohnens

Der nachfragegerechten Ausweitung des Wohnungsangebotes durch Wohnungsneubau sind
in der Innenstadt enge Grenzen gesetzt. Insofern wird die Innenstadt ein enger Teilmarkt
bleiben, in dem Haushalte mit geringeren Einkommen es relativ schwer haben, ihre Wohnbedürfnisse zu befriedigen. Ein Grundsatzbeschluss der Stadt Aachen zur Realisierung geförderten Wohnungsbaus auf privaten Grundstücken (20%-Anteil) liegt vor. Mangels Praktikabilität kommt er bislang jedoch nicht ausreichend zur Anwendung (siehe Kap. 7.4). Selbst
wenn dies anders wäre, kann man angesichts der auch künftig geringen Neubauleistungen
in der Innenstadt keinen durchschlagenden Einfluss des geförderten Wohnungsbaus auf das
Preisniveau und die Preisentwicklung erwarten. Es kann auf diesem Weg jedoch gelingen,
ein Wohnungsangebot für Haushalte vorzuhalten, denen man aus Altersgründen kaum einen
Umzug in einen anderen Stadtteil zumuten kann. Dementsprechend ist hier durch eine entsprechende Belegungsvereinbarung dafür zu sorgen, dass bevorzugt solche Haushalte in
die neu gebauten Wohnungen einziehen können.
Beispielstandorte einer wohnwirtschaftlichen Innenstadtentwicklung
Die folgenden Beispielstandorte wurden ausgewählt, um an Einzelfällen wohnungspolitischen Handlungsoptionen zu diskutieren. Die Standorte wurden vom Stadtplanungsamt benannt. Damit wurde nicht der Anspruch verbunden, die aus Sicht der Innenstadtentwicklung
wichtigsten Standorte und Entwicklungsoptionen zu benennen. Primär sollten unterschiedliche Ausgangssituationen und potenzielle Aufgabenstellungen erfasst werden.

- 75 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Abbildung 36:

Beispielstandorte Wohnen Innenstadt

C

B

A
eigene Darstellung; Kartengrundlage: openstreetmap.org

- 76 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

6.4.1.

Standort A: Umnutzung der ehemaligen Hauptschule in der Franzstraße

Derzeitige Nutzung
Ehemalige Hauptschule, derzeit nur
noch Kindertagesstätte und Musikschule

Lage


Zentrale Lage am südlichen Rand der Innenstadt, Nähe Hauptbahnhof



Die Umgebung ist durch eine innenstadttypische Mischung aus Wohn- und Dienstleistungsnutzung geprägt

Infrastruktur


Gute Nahversorgung



Fußläufige Anbindung an den ÖPNV über den Hbf



Kitas und Grundschulen in weniger als 1 km zu erreichen



Weiterführende Schulen befinden sich nicht in der direkten Umgebung

Potenziale und Vorgehensweise
Es handelt sich um ein hoch attraktives Grundstück, das vielfältige Optionen für eine Wohnnutzung eröffnet. Eine Vergabe des Grundstücks im Höchstgebotsverfahren würde mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu einer Dominanz eines hochwertigen Wohnungsbaus im Eigentumssegment führen. Um die wohnungspolitischen Zielvorstellungen nach sozialer und
haushaltsstruktureller Durchmischung zu erreichen, sollte von daher eine Vergabe nach
Konzeptqualität vorgesehen werden. Dabei können sowohl Mindestanforderungen (z. B.
Anteil geförderter Wohnungen) als auch positiv zu bewertende optionale Kriterien formuliert
werden (z. B. Integration von Service für Senioren, ökologische Qualitäten). Wichtig ist, dass
die Bewertungskriterien transparent sind und in ihrer Entscheidungsrelevanz (Gewichtung)
benannt werden. Ein Entscheidungskriterium bleibt das Preisgebot des Investors (z. B. mit
30% Gewicht). Die Vergabe des Grundstücks Franzstraße kann und sollte auch als Pilotanwendung einer Grundsatzentscheidung zur Vergabe städtischer Liegenschaften nach Konzeptqualität genutzt werden (siehe Kap. 7.4)

- 77 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

6.4.2.

Standort B: Nachverdichtung Bendelstraße

Derzeitige Nutzung
Garagen

Lage


Sehr zentrale Lage in der inneren Innenstadt, Nähe Dom



Die Umgebung ist durch Wohnnutzung in größeren Mehrfamilienhäusern und Gründerzeithäusern geprägt

Infrastruktur


Gute Nahversorgung



Kitas, Grundschulen und weiterführende Schulen in weniger als 1 km erreichbar



ÖPNV-Haltestelle in 200 m

Potenziale und Vorgehensweise
Der Standort und das Grundstück ermöglichen unterschiedliche Formen des Wohnungsbaus
mit einem breiten Zielgruppenspektrum. Aus architektonischer und städtebaulicher Sicht
sind hier sowohl Etagenwohnungen wie auch (luxuriöse) Stadthäuser als Einfamilienhäuser
denkbar. Die Realisierung einer Tiefgarage mit einem zusätzlichen Stellplatzangebot für die
Nachbarschaft (Kompensation der wegfallenden Garagen) im Verbund mit einem höherwertigen Angebot an Eigentumswohnungen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wirtschaftlich
tragfähige Option. Zu prüfen ist, ob der Grundstückseigentümer entsprechende Investitionsabsichten hat bzw. ob er sich in diese Richtung bewegen lässt. Andernfalls ist seine Verkaufsbereitschaft zu prüfen.

- 78 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

6.4.3.

Standort C: Sanierung Noppiusstraße

Derzeitige Nutzung
Wohnen, teilweise Leerstand

Lage


Zentral in der östlichen Innenstadt, Nähe zur Fußgängerzone



Die Umgebung ist vordringlich von Wohnnutzung geprägt

Infrastruktur


Ausreichende Nahversorgung



Kitas in weniger als 1 km Entfernung



Grundschulen und weiterführende Schulen angrenzend



Mehrere Haltestellen des ÖPNV in weniger als 500 m zu erreichen

Potenziale und Vorgehensweise
Die Noppiusstraße fällt gemessen am sonstigen Zustand der Wohnobjekte in der Aachener
Innenstadt durch Instandhaltungsdefizite bis zu Verwahrlosungstendenzen und teilw. Leerstände an mehreren Objekten auf. Die Noppiusstraße hat als Wohnquartier keinen hervorgehobenen Charakter. Derzeit wird das unmittelbare Umfeld des Standortes noch von der
Großbaustelle „Aquis Plaza“ beeinflusst. Nach dem Ende der Bauarbeiten und der Eröffnung
des Einkaufszentrums sind hier Veränderungen zu erwarten, die auch die Investitionsbereitschaft der Eigentümer z. B. in Richtung auf eine Sanierung beeinflussen können. Entscheidend ist, ob die Eigentümer eine entsprechende Handlungsbereitschaft und Handlungsfähigkeit haben. Sofern von Seiten der Stadt hier Handlungsbedarf gesehen wird, ist dies zunächst zu klären. Der Einsatz von Rechtsinstrumenten erscheint hier unangemessen und
wenig ertragreich.

- 79 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

7.

Empfehlungen

In den teilräumlichen Kapiteln der vorliegenden Studie sind bereits Empfehlungen enthalten.
Insofern werden im Folgenden vor allem die darüber hinaus gehenden gesamtstädtischen
Empfehlungen thematisiert.
7.1.

Von der Aachen-Strategie-Wohnen 2009 zur Aachen-Strategie-Wohnen 2014

Die 2009er Szenarien hatten einen stark politisch-normativen Charakter. Es wurde eine
durchschlagend wirksame Wohnbaulandoffensive unterstellt, der als Grundlage einer deutlich verbesserten Bindung von Haushalten in Aachen auch eine quantitativ spürbare Wirkung
zugerechnet wurde („Wohnungsmarktoffensive“). Dies hat sich in den Ergebnissen für die
Bevölkerungsentwicklung, die Wohnungsnachfrage und den Baulandbedarf niedergeschlagen. Das Szenario „Wirtschaftsexpansion“ hat zusätzlich noch eine kräftig belebte regionalwirtschaftliche Entwicklung unterstellt und daraus zusätzliche Effekte für eine verbesserte
Wanderungsbilanz und eine daraus resultierende Wohnungsnachfrage abgeleitet. Eine derart politische-normative Szenariobildung erfüllt ihren Zweck, indem sie deutlich macht, welche Herausforderungen (hier besonders Wohnungsbauleistungen und Baulandbedarf) mit
ehrgeizigen politischen Zielvorstellungen verbunden sind.
An verschiedenen Stellen der vorliegenden Studie wurde deutlich gemacht, dass die reale
Entwicklung deutlich hinter den Trends des Szenarios „Wohnungsmarktoffensive“ zurückgeblieben ist. Die letzten Jahre waren jedoch von sich verschärfenden Engpässen im Wohnungsmarkt und einen recht hohen Zuwanderungsdruck (getragen insbesondere von jungen
Menschen) geprägt. Dieses Phänomen kann zunächst nicht als langfristige Trendwende interpretiert werden. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass der Zuwanderungsstrom künftig wieder abebbt (schwächer besetze nachrückende Jahrgänge). Stattdessen kann man erwarten,
dass die kürzlich Zugewanderten z. B. nach dem Ende des Studiums die Abwanderungsstatistiken prägen. Diese und weitere demografische Effekte wurden für die vorliegende Studie
analysiert und zunächst vorsichtig als Verlängerung erkennbarer Trends in die Zukunft fortgeschrieben. Insofern bleibt die Szenariobildung sehr viel enger an den jüngeren realen
Entwicklungen angelehnt.28. Dies gilt selbst für das Szenario „Wirtschafts+“, bei dem lediglich
die quasi als gesichert geltenden Arbeitsplätze innerhalb des Campus mit ihren Wirkungen

28

In diesen Kontext gehört auch der zu erwartende und berücksichtigte Effekt eines vergrößerten Angebotes
an älteren Einfamilienhäusern. Hier wird angenommen, dass die bislang durchgängig sichtbare eigentumsund einfamilienhausorientierte Abwanderung in das Umland durch das vergrößerte Angebot leicht gebremst wird.

- 80 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

auf die Wohnungsnachfrage berücksichtigt wurden. Die politisch angestrebte zusätzliche
Belebung der regionalwirtschaftlichen Entwicklung ist nicht in die Berechnung eingeflossen.
Diese an gesicherten Trends ansetzende Szenariobildung hat den Vorteil einer größeren
Realitätsnähe. Stadtentwicklungspolitisch gewünscht ist zumindest im wirtschaftspolitischen
Bereich jedoch eine darüber hinausgehende Entwicklung. Dabei gibt es einige zugkräftige
Argumente, die eine wirtschaftliche Belebung und die mit ihr zwingend verbundenen demografischen Effekte als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die anlaufende CampusEntwicklung ist dabei nur eine Facette. Darüber hinaus muss man insbesondere den Universitätsstädten unter den Bedingungen einer zunehmenden Fachkräfteknappheit zusätzliche
Wettbewerbsvorteile und Wachstumschancen zurechnen. Dies und weitere auf eine höhere
Attraktivität zielende politische Initiativen würden jedoch den Zuwanderungsdruck und damit
auch die Notwendigkeit zu mehr Wohnungsbau erhöhen. Insofern ist die Kritik richtig, dass
die vorliegenden Szenarien zwar Realitätsnähe haben, aber die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen in ihren Wirkungen auf die Wohnungsnachfrage und den Baulandbedarf nicht
abbilden. Hierzu wären entsprechende Aufschläge auf die Berechnungsergebnisse notwendig.
Großstädtische Wohnungsmärkte sind in der Tendenz relativ angespannt und teuer. In dieser Hinsicht hat Aachen besonders in den letzten Jahren noch einmal Verschlechterungen
hinnehmen müssen. Darunter leiden insbesondere die Haushalte, die gemessen an ihren
quantitativen und qualitativen Wohnbedürfnissen relativ geringe finanzielle Spielräume haben. Dies trifft in erster Linie Haushalte mit niedrigen Einkommen, wozu häufig auch alte
Menschen auf der Basis geringer Altersbezüge gezählt werden müssen. Aber auch Familien
mit mittleren Einkommen haben in einer Stadt wie Aachen Schwierigkeiten, ihre Wohnbedürfnisse umzusetzen und weichen insbesondere im Zuge der Eigentumsbildung auf preiswerte Standorte (häufig im Umland) aus.
Enge und teure Wohnungsmärkte führen zwingend zu sozialen Verteilungsproblemen und
erzeugen im Zweifel Verdrängungseffekte. Dies wurde in jüngerer Zeit intensiv diskutiert
(„Gentrifizierung“). Bundes- und Landespolitik haben u.a. mit einer neuen Mietgesetzgebung
(„Mietpreisbremse“) reagiert. Das Problem vor Ort bleibt jedoch, dass sich knapper Wohnraum politisch kaum nach politischen Gerechtigkeitsvorstellungen umverteilen lässt. Umso
wichtiger ist es, im Rahmen der Bauland- und Grundstückspolitik für eine nachfragegerechte
Ausweitung des Wohnungsangebotes zu sorgen und das entsprechende Investitionsgeschehen positiv zu begleiten sowie entsprechende Widerstände gegen Wohnungsneubau zu
überwinden.

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Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Schon in der ersten Aachen-Strategie-Wohnen wurde dies betont und mit der Forderung
nach einer offensiven Wohnungsbaupolitik beantwortet. Diese Überlegungen bleiben – bei
veränderten quantitativen Grundlagen – richtig. Das aktuell vorbereitete Baugebiet Richtericher Dell passt in diese Strategie und kann zusätzlich dafür sorgen, dass potenziellen Umlandwanderern eine Alternative in Aachen geboten wird. Wichtig ist es auch, die inneren
Wohnungsbaureserven der Stadt Aachen zu mobilisieren. An hochwertigen Standorten (z. B.
Innenstadt, siehe Kap. 6) drängen die Märkte von alleine in diese Richtung. An weniger guten Standorten braucht es zusätzliche politische Impulse, um den Wohnungsbau in Gang zu
bringen (z. B. Aachen-Nord, siehe Kap. 5). Dabei können an Standorten wie Aachen-Nord
leichter preisgünstige Neubauvorhaben zur Entlastung des preislich unteren Teilmarktes
verwirklicht werden, was angesichts der jüngeren Marktentwicklung noch an Bedeutung gewonnen hat. Schon die bisherigen wohnungs- und baulandpolitischen Beschlüsse der Stadt
Aachen zielen ebenfalls in diese Richtung (insbesondere Grundstücksbereitstellung für den
geförderten Wohnungsbau), ohne jedoch ausreichend wirksam zu werden. Die nachfolgenden Empfehlungen setzen u. a. hieran an.
Auch andere Aspekte der ersten Aachen-Strategie-Wohnen bleiben gültig. Die in den Fokus
gerückten Zielgruppen und das höhere Augenmerk gegenüber einer quartiersorientierten
Bestandsentwicklung gehören dazu. In enger Verschränkung mit den eigentlichen wohnungspolitischen Aufgaben wird es künftig wichtiger, die Bedingungen für den Verbleib älteren Menschen in der eigenen Wohnung oder zumindest im gewohnten Quartier zu verbessern. Nicht zuletzt schlagen sich die Herausforderungen der Energiewende auch im Wohnungssektor nieder. Dabei können die hohen Investitionskosten einer energetischen Sanierung in vielen Fällen nicht durch Energieeinsparungen refinanziert werden. Von daher wird
das Wohnen auch aus dieser Richtung teurer und der Druck, durch eine nachfragegerechte
Ausweitung des Wohnungsangebotes knappheitsbedingte Preissteigerungen zu vermeiden,
wächst noch.
Aus dem Kontext der vorliegenden Studie und einer weitergehenden Auseinandersetzung
mit der bisherigen Beschlusslage ergeben sich die folgenden Empfehlungen. Sie sind – abgesehen von den veränderten quantitativen Grundlagen – weniger eine Revision als eine
Ergänzung zur ersten Aachen-Strategie-Wohnen (2009).
7.2.

Orientierung am Szenario „Wirtschaft+“

Vorschlag / Empfehlung:
Die Stadt Aachen orientiert sich in den wohnungspolitischen und damit verbundenen anderweitigen Planungen an den Eckwerten des Szenarios „Wirtschafts+“.
- 82 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

Kontext / Erläuterung / Begründung:
Vorliegende Bevölkerungs- Haushalts- und Wohnungsnachfrageprognosen berücksichtigen
nicht bzw. zu wenig, dass künftig in Folge der Alterung ein wachsendes attraktives Angebot
an Bestandsobjekten auf den Markt kommen wird. Allein hieraus entsteht voraussichtlich
eine verminderte Abwanderung ins Umland. Das Szenario „Wohnungs+“ beinhaltet über diesen Effekt hinaus bereits weitergehende Verbesserungen in der relativen Attraktivität des
Aachener Wohnungsmarktes gegenüber dem Umland. Eine wichtige Voraussetzung dazu ist
die Optimierung des Grundstücks- und Baulandangebotes (siehe Kap. 7.3).
Über diese bereits im Szenario „Wohnungs+“ enthaltenen Effekte berücksichtigt das Szenario „Wirtschafts+“ zusätzlich die Wirkungen einer gewünschten regionalwirtschaftlichen Erholung. Besondere Erwartungen werden in dieser Hinsicht an die Campusentwicklung geknüpft. Die unmittelbar mit der angestrebten Campusentwicklung verbundenen Effekte auf
die Zahl der Arbeitsplätze und die zusätzliche Wohnungsnachfrage sind im Szenario „Wirtschafts+“ berücksichtigt. Insofern ergibt sich aus der Beschlusslage zur Campusentwicklung
die Orientierung am Szenario „Wirtschafts+“. Sollte die Campusentwicklung über ihre unmittelbare Arbeitsplatzwirkung (Campusgelände) die darüber hinaus gewünschten positiven
Effekte (z. B. durch entsprechende Ausgründungen oder andere Formen des Technologieund Wissenstransfers auf regionale Unternehmen) auf die regionalwirtschaftliche Entwicklung haben, sind die Werte des Szenarios „Wirtschafts+“nach oben zu korrigieren.
7.3.

Wohnbaulandmonitoring, Wohnbaulandbericht und Fortsetzung der Wohnungsmarktbeobachtung

Vorschlag / Empfehlung:
Als ein wesentliches Instrument zur Steuerung der städtischen Wohnbauplanung und der
damit verbundenen Ziele (z. B. Erhöhung des Anteils der Innenentwicklung) führt die Stadt
Aachen ein Wohnbaulandmonitoring und eine damit verbundene Berichterstattung als Basis
regelmäßiger politischer Beratung und Nachsteuerung ein. Dabei sind vor allem die unten
genannten Aspekte zu berücksichtigen. Davon unberührt sollten das Engagement in der
kommunalen Wohnungsmarktbeobachtung fortgesetzt und sowohl um kleinräumige als auch
um regionale Aspekte ergänzt werden.
Kontext / Erläuterung / Begründung:
Ziel des Wohnbaulandmonitorings ist, die Bauland- und Grundstücksmobilisierung im Zeitablauf quantitativ und qualitativ zu optimieren. Dabei sind sowohl stadtplanerische Zielsetzungen als auch die Präferenzen der Erwerber / Bewohner im Sinne der Marktgängigkeit zu berücksichtigen. Die gegenüber der Vergangenheit erhöhte Aufmerksamkeit für diese Aufga- 83 -

Aachen-Strategie-Wohnen - Aktualisierung und Ausdifferenzierung

benstellung ergibt sich insbesondere aus den veränderten Marktkonstellationen und Aufgabenstellungen in Folge des anstehenden demografischen Wandels. So ist der Wohnungsneubau nicht mehr als Ergebnis einer quantitativ ausgeweiteten Nachfrage zu verstehen,
sondern vor allem als Ausdruck sich verändernder qualitativer Anforderungen, die im Wohnungsbestand teilweise nur unzureichend eingelöst werden können. Dies berührt auch die
damit verbundenen quantitativen und qualitativen Facetten der Bauland- und Grundstücksbereitstellung für den Wohnungsneubau.
Beim Aufbau eines Wohnbaulandmonitorings sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:


Durch eine entsprechende Erfassung der Baugenehmigungen / Baufertigstellungen
innerhalb der Verwaltung sollte sichtbar werden, welcher Anteil des Wohnungsbaus
jeweils in der Innenentwicklung und welcher Anteil in der Außenentwicklung realisiert
wird. In der Erfassung sollten ferner weitere Merkmale für eine laufende Evaluierung
der Planungspolitik Berücksichtigung finden (z. B. weitere Lagemerkmale, Projektgröße nach Anzahl der WE und Wohnfläche, Grundstücksgröße, Art des Planungsverfahrens inkl. kooperativer Ansätze usw.).29



Ein Teil des Wohnbaulandmonitorings sollte darin bestehen, den Vermarktungserfolg
von allen Wohnungsbaugebieten (Mindestgröße 5 Einheiten) zu erfassen. Durch die
systematische Erfassung können wertvolle Rückschlüsse für künftige Wohnungsbauvorhaben gewonnen werden. Für die privat vermarkteten Flächen setzt dies eine Kooperation mit den entsprechenden Entwicklern / Vermarktern voraus. Diese Kooperation sollte mit dem Anspruch eines Erfahrungsaustauschs und einer kooperativen
Weiterentwicklung der qualitativen Standards für den Wohnungsneubau und die damit verbundene Planungspolitik verbunden werden.



Schließlich ist es eine grundlegende Facette des Wohnbaulandmontorings, die aktuell
verfügbaren Wohnbaulandpotenziale systematisch nach verschiedenen Eignungsund Lagekriterien zu erfassen und fortzuschreiben. Dabei sollten für die einzelnen

29

Insbesondere der Umfang von Innenentwicklung zu Außenentwicklung ist eine Steuerungsgröße von hoher stadtplanerischer und kommunalpolitischer Bedeutung. Zwar wird die Innenentwicklung immer wieder
als prioritär bezeichnet. Bislang ist in Aachen jedoch nicht bekannt, in welchem Ausmaß die bisherige
Wohnungsbauleistung im Rahmen der Innenentwicklung erfolgt. Die empirische Erfassung innerhalb des
Monitorings ist dabei in mehrfacher Hinsicht relevant. (1) Sie ist einerseits Steuerungsgröße zur Ableitung
künftiger Zielsetzungen. (2) Sie kann Evaluierungshilfe für Instrumente der Grundstücksmobilisierung
(z. B. Baulückenkataster) und insofern eine Basis für die Weiterentwicklung des Instrumentariums sein. (3)
Schließlich liefert sie wichtige Planungskennzahlen, weil erst auf dieser Basis abgeleitet werden kann, in
welchem Umfang „neues“ Bauland (z. B. im Rahmen einer Außenentwicklung) zur Deckung der absehbaren Flächennachfrage geschaffen werden muss.

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Flächen auch die zeitliche Perspektive von Planung und Erschließung sowie ggf. bestehende Mobilisierungshemmnisse/-voraussetzungen (Realisierungswahrscheinlichkeiten) beschrieben werden. Damit verbindet sich auch die Erfassung der Planungsund Genehmigungszeiträume.
Einmal jährlich sollten die wesentlichen Ergebnisse des Wohnbaulandmontorings in einem
kurzen Bericht aufbereitet und dabei insbesondere hinsichtlich weiteren planungspolitischen
Handlungsbedarfs interpretiert werden. Der Bericht ist den Gremien der Stadt vorzulegen.
Die bislang primär auf gesamtstädtischer Ebene agierende Wohnungsmarktbeobachtung
liefert gute sowohl politisch wie auch für Investoren verwertbare Informationen. Für die Feinsteuerung einer zunehmend stadt- und quartiersorientierten Wohnungspolitik wäre darüber
hinaus ein kleinteiliges Monitoring sinnvoll, das insbesondere wohnungswirtschaftliche Aufund Abwertungsprozesse mit den jeweiligen sozialen Folgen für die Bewohnerschaft erfasst.
Eine Möglichkeit zu einer Basisanalyse bildet die im Rahmen des Zensus 2011 durchgeführte Vollerhebung der Wohnungsbestände, die nahezu beliebig kleinräumig ausgewertet werden kann. Darüber verdienen künftig auch die regionalen Aspekte der Wohnungsmarktentwicklung eine stärkere Beachtung, nicht zuletzt weil sie auch als Vorbereitung einer abgestimmten regionalen Wohnungsbaupolitik fruchtbar werden können.
7.4.

Private Grundstücke: Baulandbeschluss zur Sicherung preisgünstigen
Wohnungsneubaus (Aachener Baulandbeschluss)

Vorschlag / Empfehlung:
Die Stadt Aachen ersetzt die bisher geltenden baulandpolitischen Beschlüsse (private Flächen) durch einen universell geltenden Baulandbeschluss (VEPs und B-Pläne). Demnach
sollen bei allen Wohnungsbauvorhaben ab einer Mindestgröße von z. B. 20 Wohneinheiten
der geförderte Wohnungsbau in angemessener Weise (mindestens jedoch 20% der Wohnungen) berücksichtigt werden. Die Angemessenheit der Forderungen wird im Einzelfall auf
der Basis eines mit der örtlichen Wohnungswirtschaft abgestimmten Berechnungsverfahrens
ermittelt.
Kontext / Erläuterung / Begründung:
Die Stadt Aachen hat bislang in verschiedenen Beschlüssen das Ziel bekräftigt, die Grundstücksbereitstellung für den geförderten Wohnungsbau als einen Beitrag zur Sicherung
preisgünstigen Wohnens zu stärken. Insbesondere die privaten Investoren und Entwickler
sollten verpflichtet werden, eine Mindestquote von 20% der realisierten Wohnungen im
Teilsegment des geförderten Wohnungsbaus zu errichten. Bislang konnten diese Beschlüsse

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jedoch nicht oder nur unzureichend umgesetzt werden.30 Ausschlaggebend ist, dass keine
universell für alle oder eine exakt bestimmte Auswahl (z. B. Mindestgröße) von Planverfahren geltende Richtlinie vorhanden ist und somit in jedem Einzelfall von den Investoren die
Chance gesehen wird, die Forderungen im Verhandlungswege auszusetzen. Dies erzeugt
Intransparenz, Planungsunsicherheit und entsprechende Verzögerungen.
Nach dem Vorbild der Münchner „sozialgerechten Bodennutzung“ haben in den letzten Jahren zunehmend mehr Städte vergleichbare Regelungen beschlossen (Stuttgart, Hamburg,
Köln, Düsseldorf und weitere kleinere Großstädte). Die Erfahrung zeigt, dass die Baulandbeschlüsse Akzeptanz finden und umgesetzt werden können, wenn die Regelungen für die
Investoren wirtschaftlich tragbar und zugleich transparent sind. Jede Möglichkeit, im Einzelfall die Regelung auszusetzen oder zu modifizieren, führt zu Intransparenz und langwierigen
Verhandlungen im Einzelfall. Insofern ist eine durchgängig gültige und somit auch transparente Regelung die beste Lösung.
Zu beachten ist allerdings, dass der Wohnungsbau in Aachen nicht in allen Lagen gleichermaßen rentierlich ist. Anders als in München besteht die Gefahr, dass eine feste Quote nicht
an allen potenziellen Wohnungsbaustandorten wirtschaftlich umsetzbar ist. Auch sind die im
Zeitablauf veränderlichen Baukosten, Zinsniveaus und andere Parameter nicht ohne Wirkung. Deswegen wird empfohlen, das spezifische Aachener Modell auf der Basis eines abgestimmten Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der standortverträglichen Forderungen
(Mindestquoten geförderten und preisgedämpften Wohnungsbaus) umzusetzen. Im Einzelfall
wird ermittelt, welche Quote unter den jeweiligen Standortgegebenheiten und den aktuellen
Rahmenbedingungen (Baukosten, Zinsniveau) angemessen ist. Zu berücksichtigen ist dabei
auch eine angemessene Eigenkapitalverzinsung beim Investor.
7.5.

Städtische Grundstücke: Vergabe nach Konzeptqualität

Vorschlag / Empfehlung:
Die Vergabe städtischer Grundstücke (mit Schwerpunkt Wohnungsbau, Mindestgröße 10
Wohneinheiten) erfolgt zukünftig regelmäßig nicht mehr nach dem höchsten Gebot, sondern
in einer Kombination von Preisgebot und Konzeptqualität. In die Konzeptqualität fließen insbesondere städtebauliche, energetisch/ökologische und wohnungspolitisch/soziale Qualitäten ein. Die Konzeptqualität wird in der Vergabe mit 70% und die Höhe des Gebotes wird mit
30% gewichtet. Die Verwaltung wird beauftragt ein entsprechendes Bewertungs- und Vergabeverfahren zu erarbeiten.
30

Siehe: Vorlage „Wohnen in Aachen – Sachstand und Ausblick“ vom 25.10.2013.

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Kontext / Erläuterung / Begründung:
Bislang hat die Stadt Aachen entsprechende Vergabeverfahren in Einzelfällen angewandt
(z. B. Franzstraße). Die regelmäßige Anwendung im Rahmen eines entsprechenden standardisierten Verfahrens führt zu mehr Transparenz und Verfahrenssicherheit im Einzelfall
und systematisiert zugleich den Abgleich von städtischen Zielvorstellungen mit den jeweiligen immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so dass die mit der Liegenschaftspolitik verfolgten städtischen Zielsetzungen insgesamt besser zur Geltung kommen können.
Die Zielsetzung, den Anteil des geförderten Wohnungsbaus zu erhöhen, sollte insbesondere
auch auf städtischen Flächen verfolgt werden.31 Daneben gibt es jedoch in Abhängigkeit von
der konkreten Planungsaufgabe diverse andere Zielsetzungen zu beachten. Hierzu können
Wohnungsbauprojekte mit Impulsfunktion in einem schwierigen Umfeld oder auch spezifische Modellprojekte (z. B. Energie, Senioren/Barrierefreiheit, Baugruppen) gehören. Insbesondere die städtischen Liegenschaften mit wohnwirtschaftlichem Verwertungspotenzial sind
geeignet, derartige Zielsetzungen umzusetzen. Vor diesem Hintergrund haben verschiedene
Städte in den letzten Jahren eine Abkehr vom Höchstgebotverfahren vorgenommen. Insbesondere das seit 2011 praktizierte Beispiel in Hamburg („Vergabe nach Konzeptqualität“)
kann als Vorbild herangezogen werden.
Die noch zu erarbeitende Richtlinie sollte vorsehen, dass jede Grundstücksvergabe nach
transparenten Regeln erfolgt. In Abhängigkeit von der konkreten Aufgabenstellung sind die
besonderen Herausforderungen aus städtischer Sicht zu beschreiben und in der Gewichtung
der Bewertungsregeln zu berücksichtigen. Eine Mindestquote für den geförderten Wohnungsbau sollte in Analogie zu den Forderungen auf privaten Grundstücken grundsätzlich
gelten. Eine Übererfüllung (z. B. 50% statt 20%) kann und sollte mit einem entsprechenden
Bewertungsbonus versehen werden. Um die Praktikabilität bzw. wohnungswirtschaftliche
Umsetzbarkeit der Forderungen im Blick zu behalten, sollte ein wohnungswirtschaftlicher
Beirat (Vertreter der Wohnungs- und Bauwirtschaft sowie aus der Immobilienfinanzierung)
als beratendes Gremium für die Vergabe nach Konzeptqualität gebildet werden.
7.6.

Wohnungsbaukoordinator / Team Wohnungsbau

Vorschlag / Empfehlung:
Insbesondere zur Unterstützung des Wohnungsneubaus wird in der Stadtverwaltung ein
Wohnungsbaukoordinator eingesetzt, der zusammen mit einem amtsübergreifenden Team
die Aufgabe hat, die Wohnungsbauentwicklung in der Stadt Aachen voranzubringen.
31

Viele Städte haben deswegen feste Quoten für den geförderten Wohnungsbau eingeführt.

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Kontext / Erläuterung / Begründung:
Beim Wohnungsbau sind zunehmend vielfältige Interessen zu berücksichtigen. Dementsprechend komplex sind die verwaltungsinterne und die politische Abstimmung der einzelnen
Vorhaben. Die Erfahrung zeigt, dass die Vielfalt der eingebrachten Interessen und die Abstimmung darüber bremsend auf die Wohnbauentwicklung (insbesondere Neubau) wirken.
Insofern ist es die Hauptaufgabe des Wohnungsbaukoordinators, verwaltungsinterner Anwalt
für den Wohnungsbau und zumindest im Konfliktfall zugleich zentraler Ansprechpartner für
die Wohnungsbauinvestoren zu sein.
Als Wohnungsbaukoordinator sollte eine verwaltungserfahrene, kommunikationsstarke Persönlichkeit eingesetzt werden, die je nach Anforderung eher moderierend agiert oder sich
durchsetzungsstark zeigt. Der Wohnungsbaukoordinator hat eigenständige Kontakte zu den
Wohnungsbauinvestoren, bei denen er mit hoher Verlässlichkeit agieren muss. Ebenso eigenständig und kooperativ wirkt er innerhalb der Verwaltung. Dementsprechend sollte er von
anderen Dezernaten / Fachbereiches nicht als Interessenvertreter seines Dezernates /
Fachbereiches, sondern vor allem als lösungsorientiert agierender Anwalt des Wohnungsbaus wahrgenommen werden können. Insofern handelt es sich um eine Querschnittsaufgabe, deren Erfolg mehr von persönlichen Qualifikationen und einem entsprechenden Vertrauensvorschuss des dienstlich Vorgesetzten als von der organisatorischen Einbettung abhängt.
Der Wohnungsbaukoordinator arbeitet eng mit einem Team Wohnungsbau zusammen, das
aus Mitarbeitern der unterschiedlichen mit dem Wohnungsbau befassten Ämtern besteht
(Stadtplanung, Bauordnung, Liegenschaften, Wohnen, Bauordnung, Tiefbau, Grünflächen).
Die Mitarbeiter des Teams bleiben dienstrechtlich in ihren Ämtern verankert, werden jedoch
mit einem festzulegenden Stundenkontingent (nicht unter 20 Wochenstunden) in das Team
Wohnungsbau entsandt. Das Team sollte eigene Räumlichkeiten erhalten, um die Aufgaben
in enger persönlicher Abstimmung und Diskussion bearbeiten zu können.
Der Wohnungsbaukoordinator kann und sollte gemeinsam mit dem Team Wohnungsbau
insbesondere folgende Aufgaben übernehmen:


Fürsprecher und Ansprechpartner für die Belange der Wohnungsbauentwicklung (organisiert politischen und fachlichen Rückhalt für die Wohnungsbauaufgaben)



Ansprechpartner für Wohnungsbauinvestoren im Konfliktfall (verbunden mit Lotsenfunktion innerhalb der Verwaltung)



Moderation von Abwägungskonflikten bei Wohnungsbauprojekten



Steuerung wichtiger Einzelprojekte der Wohnbauentwicklung

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

Zielvereinbarungen mit den Stadtbezirken / Bezirksplanern zur Wohnbauentwicklung;
Zielkontrolle; Ableitung von Verbesserungsvorschlägen



Monitoring der Wohnungsbauaktivitäten inkl. der Planungs- und Genehmigungsprozesse; Ableitung von Verbesserungsvorschlägen


7.7.

Federführung bei der Umsetzung wichtiger wohnungspolitischer Beschlüsse
Aktivierung der gewoge AG für den Wohnungsneubau

Vorschlag / Empfehlung:
Im Rahmen einer entsprechenden Zielvereinbarung wird die gewoge AG verpflichtet, ein
festzulegendes jährliches Mindestvolumen im Wohnungsneubau zu realisieren. Hierzu werden insbesondere die Grundstücksreserven der gewoge AG aktiviert. Das jährliche Mindestvolumen kann auch durch Übernahme von Objekten erbracht werden, die von privaten Investoren im Rahmen des Aachener Baulandbeschlusses (Kap. 7.3) gebaut wurden. Sofern
die gewoge AG z. B. aufgrund fehlenden Eigenkapitals oder anders ausgerichteter Gesellschafterinteressen nicht in der Lage ist, die gewünschten Neubauleistungen zu erbringen,
verpflichtet sich die Stadt Aachen, Abhilfe zu schaffen (Übernahme der Gesellschafteranteile, Verbesserung der Eigenkapitalausstattung).
Kontext / Erläuterung / Begründung:
Die gewoge AG hat in den vergangenen Jahren insbesondere die Bestandspflege in den
Vordergrund gerückt und dabei gute Arbeit geleistet. Gleichzeitig wurde jedoch das Neubauvolumen reduziert. Angesichts des enger werdenden Wohnungsmarktes und der besonderen
Aufgaben in der Sicherung preisgünstigen Wohnens ist es erforderlich, die Neubauintensität
am Aachener Wohnungsmarkt zu erhöhen. Die Szenarien zur Wohnungsmarktentwicklung
zeigen zudem einen erhöhten Neubaubedarf vor allem in den kommenden Jahren. Die gewoge AG kann als primär städtische Gesellschaft unmittelbarer auf diesen Neubaubedarf
reagieren und sollte dementsprechend eingebunden werden.
Die oben vorgeschlagenen baulandpolitischen Beschlüsse werden auch Investoren treffen,
die kaum oder kein Interesse haben, sich als Bestandshalter von Sozialwohnungen zu engagieren. In diesem Zusammenhang wird es erforderlich sein, die für den geförderten Wohnungsbau vorgesehenen Grundstücksanteile oder die von privater Hand errichteten Wohnungen an entsprechend interessierte Bestandshalter zu übergeben / zu verkaufen. Da das
Spektrum der in Aachen tätigen Unternehmen in dieser Hinsicht gering ist, wird die gewoge
AG in diesem Sinne als flankierendes Element der baulandpolitischen Beschlüsse benötigt
(Dies wird auch in München im Rahmen der sozialgerechten Bodennutzung so praktiziert.)

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7.8.

Familienbonus / Familienförderung

Vorschlag / Empfehlung:
Die Stadt Aachen legt in Kooperation mit der Stadtsparkasse ein Sonderkreditprogramm für
die Wohneigentumsbildung junger Familien in Aachen auf.
Kontext / Erläuterung / Begründung:
Die Wanderungsverluste in das Umland stehen überproportional mit der Wohneigentumsbildung junger Familien in Zusammenhang. Die Preise geeigneter Angebote in Aachen übersteigen vielfach die Finanzierungsfähigkeit der an Wohneigentum interessierten Haushalte.
Da sich die Wohneigentumsbildung schon heute und mehr noch in Zukunft vor allem im
Wohnungsbestand (Zunahme der Verfügbarkeit gebrauchter Einfamilienhäuser) vollzieht und
gleichzeitig nur noch geringe Reserveflächen in städtischer Hand sind, würde der in der Vergangenheit von vielen Städte gewährte Bonus auf den Grundstückspreis nur sehr selektiv
wirken (wenige Einzelfälle). Das vorgeschlagene Kreditprogramm zielt auf die Eigentumsbildung als Ganzes. Es sollte ergänzend vornehmlich für junge Familien aufgelegt werden, die
nicht in den Genuss einer entsprechenden Landesförderung kommen.
7.9.

Berücksichtigung im Flächennutzungsplan 2030

Vorschlag / Empfehlung:
Im FNP 2030 finden die Eckwerte des Szenarios „Wirtschafts+“ als Untergrenze der wohnbaulichen Flächenansprüche Eingang. Das Szenario ergibt einen Flächenanspruch für den
Wohnungsbau eine Nettobaufläche von 135 ha, davon 95 ha für den Bau von Einfamilienhäusern und 40 ha für den Bau von Mehrfamilienhäusern. In Abzug zu bringen ist die im
Rahmen der Innenentwicklung auf bestehendem Baurecht, nach § 34 BauGB oder auch
durch kurzfristige Umnutzungen z. B.in Verbindung mit VEPs zu erwartende Wohnbautätigkeit. Zusätzlich berücksichtigt werden müssen Flexibilitätsreserven zur Kompensation von
Realisierungshemmnissen und zur Anpassung an unterschiedliche Marktentwicklungen bzw.
Nachfragetrends.
Kontext / Erläuterung / Begründung:
Neues Baurecht muss nur für den Wohnungsbau geschaffen werden, der sich nicht in den
oben genannten Kategorien als Innenentwicklung qualifizieren lässt. Bislang ist der Umfang
dieser Wohnbautätigkeit in Aachen nicht bekannt, so dass keine ausreichende Grundlage für
die Ableitung von Vorgaben für die Flächennutzungsplanung vorhanden ist und auch die
Ziele zur Stärkung der Innenentwicklung ohne empirische Grundlage sind. Auf eine dementsprechend verbesserte Informationslage zielt insbesondere das in Kap. 7.2 vorgeschlagene

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Wohnbaulandmonitoring. Ferner wird aktuell eine Potenzialerhebung zu den Innenentwicklungsreserven durchgeführt.
Als Untergrenze der Flächennachfrage sind die Eckwerte des Szenarios „Wirtschafts+“ aus
unterschiedlichen Gründen anzusehen:


Die prognostizierte Nachfrage berücksichtigt noch keine Flexibilitätsreserven, die als
Ersatz für Flächen mit heute unabsehbaren Realisierungshemmnissen genutzt werden können.



Das Szenario „Wirtschafts+“ berücksichtigt zwar die Campusentwicklung selbst, ohne
jedoch die angestrebten Folgewirkungen auf die regionalwirtschaftliche Entwicklung
oder andere wünschenswerte Effekte einer regionalwirtschaftlichen Erholung zu
quantifizieren und auf die Wohnungsnachfrage zu beziehen.



Die bisherige Wohnungsmarktentwicklung ist mit einer Umlandwanderung von Familien verbunden. Die Szenarien „Wohnungs+“ und „Wirtschafts+“ unterstellen zwar eine reduzierte Umlandwanderung als Ergebnis eines vergrößerten Angebotes gebrauchter Immobilien (insbesondere Einfamilienhäuser), sie bleiben jedoch vorsichtig
bezüglich der Gesamtnachfrage nach Einfamilienhäusern. Die Baulandpolitik und begleitende Instrumente einer familienorientierten Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik könnten darüber hinaus gezielt genutzt werden, um die Eigentumsbildung und
den Einfamilienhausbezug in der Stadt zu stärken.

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