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Vorlage-Sammeldokument

                                    
                                        Die Oberbürgermeisterin

Vorlage

Vorlage-Nr:

FB 45/0102/WP18

Federführende Dienststelle:
FB 45 - Fachbereich Kinder, Jugend und Schule
Beteiligte Dienststelle/n:

Status:

öffentlich

Datum:
Verfasser/in:

25.05.2021
FB 45/300.010

Sachstandsbericht zum Personalschlüssel in den Tagesgruppen der
Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand
Ziele:
Beratungsfolge:
Datum
15.06.2021

Gremium
Kinder- und Jugendausschuss

Zuständigkeit
Kenntnisnahme

Beschlussvorschlag:
Der Kinder- und Jugendausschuss nimmt die Ausführungen der Fachverwaltung zustimmend zur
Kenntnis.

Vorlage FB 45/0102/WP18 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.06.2021

Seite: 1/9

Finanzielle Auswirkungen
JA

NEIN

x

Investive

Ansatz

Auswirkungen

20xx

Fortgeschrieb
ener Ansatz
20xx

Fortgeschrieb

Ansatz 20xx

ener Ansatz

ff.

20xx ff.

Gesamtbedarf (alt)

Gesamtbedarf
(neu)

Einzahlungen

0

0

0

0

0

0

Auszahlungen

0

0

0

0

0

0

Ergebnis

0

0

0

0

0

0

+ Verbesserung /

0

0

Deckung ist gegeben/ keine

Deckung ist gegeben/ keine

ausreichende Deckung

ausreichende Deckung

vorhanden

vorhanden

- Verschlechterung

Fortgeschrieb

Fortgeschrieb

Ansatz

Auswirkungen

2021

Ertrag

-17.874.900

-17.874.900

-54.008.700

-54.008.700

0

0

58.131.800

58.131.800

177.273.500

177.273.500

0

0

0

0

0

0

0

0

40.256.900

40.256.900

123.264.800

123.264.800

0

0

Personal-/
Sachaufwand
Abschreibungen
Ergebnis
+ Verbesserung /
- Verschlechterung

ener Ansatz
2021

-€

Ansatz 2022

Folge-

konsumtive

ener Ansatz

ff.

2022 ff.

Folgekosten (alt)

kosten
(neu)

-€

Deckung ist gegeben

Weitere Erläuterungen (bei Bedarf):

Vorlage FB 45/0102/WP18 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.06.2021

Seite: 2/9

Klimarelevanz
Bedeutung der Maßnahme für den Klimaschutz/Bedeutung der Maßnahme für die
Klimafolgenanpassung (in den freien Feldern ankreuzen)
Zur Relevanz der Maßnahme für den Klimaschutz
Die Maßnahme hat folgende Relevanz:
keine

positiv

negativ

nicht eindeutig

groß

nicht ermittelbar

x
Der Effekt auf die CO2-Emissionen ist:
gering

mittel

Zur Relevanz der Maßnahme für die Klimafolgenanpassung
Die Maßnahme hat folgende Relevanz:
keine

positiv

negativ

nicht eindeutig

Größenordnung der Effekte
Wenn quantitative Auswirkungen ermittelbar sind, sind die Felder entsprechend anzukreuzen.
Die CO2-Einsparung durch die Maßnahme ist (bei positiven Maßnahmen):
gering
mittel
groß

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)
80 t bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)
mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

Die Erhöhung der CO2-Emissionen durch die Maßnahme ist (bei negativen Maßnahmen):
gering
mittel
groß

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)
80 bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)
mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

Eine Kompensation der zusätzlich entstehenden CO2-Emissionen erfolgt:
vollständig
überwiegend (50% - 99%)
teilweise (1% - 49 %)
nicht
nicht bekannt
Vorlage FB 45/0102/WP18 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.06.2021

Seite: 3/9

Erläuterungen:
Ein viertel Jahrhundert Tagesgruppen gem. § 32 SGB VIII.
Diese Vorlage ist eine Beschreibung der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten 25 Jahre und der
daraus folgenden Anforderungen an die Arbeit des teilstationären Bereichs für das Hier und Heute.
Zum 01.08.2021 wird der Personalschlüssel in den teilstationären Angeboten der Evangelischen
Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand von einer Fachkraft zu drei Kindern bzw. Jugendlichen auf
1 zu 2,75 angehoben.
1. Ausgangslage
Die Lebenswelt von Familien gestaltet sich seit Jahren sehr verschieden und die damit verbundenen
Anforderungen an sie sind sehr unterschiedlich. Fluchterfahrungen, Migration und Gewalterfahrungen
in eigener Kindheit oder in Partnerschaft beschreiben oft Bestandteile der Lebensgeschichte und
prägen individuell kindliche Entwicklungen.
Eltern sind immer öfter weniger fähig ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen und haben weniger
Kapazität, sich um die Bedürfnisse ihrer Kinder und Jugendlichen zu kümmern, wodurch sich oftmals
ungünstige Lebensverläufe entwickeln.
Viele Familien fühlen sich zusehends verunsichert, hilflos und überfordert.
Somit stellt sich die Frage, wie Hilfen zur Erziehung im Allgemeinen und Tagesgruppen im
Besonderen darauf reagieren können. Welche Strukturen und Angebote benötigen die Familien, um
Tagesgruppe als Unterstützung wahrzunehmen und gleichzeitig in der Verantwortung zu bleiben?
Welche Rahmenbedingungen benötigen die Fachkräfte um gelingende, professionelle Angebote zu
ermöglichen und ihrem Auftrag gerecht zu werden.
2. Rechtliche Grundlage
Die Hilfeform ist im § 32 SGB VIII verankert und gehört zu den sogenannten teilstationären Hilfen zur
Erziehung im SGB VIII. Sie bedarf einer Betriebserlaubnis über das Landesjugendamt Rheinland gem.
§ 45 SGB VIII.
Die Tagesgruppen zeichnen sich durch eine einzigartige Verbindung von ambulanten und stationären
Elementen aus. Zum ambulanten Arbeiten gehört das Aufsuchen des Lebensumfeldes der Kinder und
Jugendlichen und deren familiären Bezugssystems.
Gleichzeitig wird das Setting Tagesgruppe mit einem festen Standort als Ort des sozialen Lernens in
der Gruppe definiert und dort vom Kind / Jugendlichen und seinem familiären Bezugssystem
aufgesucht. Auch die Zusammenarbeit mit Schule und anderen im Fall arbeitenden Institutionen und
Fachkräften erfolgt aufsuchend und einladend.
Die Tagesgruppe stellt aufgrund dieser wirkkräftigen Verknüpfung von unterschiedlichen Elementen
eine eigenständige Hilfeform dar.
Der Auftrag der Tagesgruppe besteht darin, entwicklungsfördernde Settings für hochbelastete,
auffällige Kinder und Jugendliche und deren familiäre Bezugssysteme bereitzustellen.
Darüber hinaus ist diese Hilfeform die einzige, bei der der Gesetzgeber die Eltern- und Familienarbeit
als verpflichtendes Element ausdrücklich benannt und festgeschrieben hat.

Vorlage FB 45/0102/WP18 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.06.2021

Seite: 4/9

3. Zielgruppe
Zielgruppe sind Familien und Kinder, die das Zusammenleben mit sich und anderen verändern
wollen.
Die Hilfe zur Erziehung in Form der Betreuung in einer Tagesgruppe ist geeignet für:
•

Kinder und Jugendliche, die zur Persönlichkeitsentwicklung den Rahmen einer strukturierten,
kleinen Gruppe benötigen und bei denen ambulante Maßnahmen nicht ausreichen.

•

Kinder und Jugendliche, deren Personensorgeberechtigte bzw. aktuell sorgende Bezugspersonen
zur Zusammenarbeit mit der Tagesgruppe bereit sind und die eine dem Kindeswohl
entsprechende Versorgung ihrer Kinder außerhalb der Tagesgruppenzeit gewährleisten können.

Bei den folgenden Indikationen im Hinblick auf die aktuell sorgenden Bezugspersonen ist die
Tagesgruppe die geeignete Hilfeform:
•

unklare Grenzen und Regeln seitens der Personensorgeberechtigten und aktuell sorgenden
Bezugspersonen

•

einen uneinheitlichen Erziehungsstil

•

nicht ausreichend ausgebildete Elternidentität und diffuse Generationsgrenzen

•

unangemessene Rollen- und Aufgabenverteilung sowie Beziehungsgestaltung

•

Paarkonflikte

•

Beeinträchtigung in der Wahrnehmung der versorgenden und sozial-emotionalen Zuständigkeiten

•

physische und/oder emotionale Gewalt

•

negativ verstärkende Einflüsse durch das Lebensumfeld.

Die Indikation auf das Kind / den Jugendlichen bezogen sind:
•

erheblicher Unterstützungs- und Entwicklungsbedarf in seinem Verhalten gegenüber seinem
sozialen Umfeld (Familie, Schule, Nachbarschaft, Verein etc.), da sie in ihrer Kontakt- und
Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt sind

•

emotionale Verwahrlosung

•

Lebensbewältigungsstrategien, die Probleme intensivieren anstatt sie zu vermindern

•

psychosomatische Beschwerden und Symptome

•

Beeinträchtigung des psychischen Gleichgewichtes

•

(drohende) Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

•

(drohende) Beeinträchtigung der Teilhabe an schulischer Bildung

•

nicht altersgemäße Entwicklung

•

(drohende) seelische Behinderung

4. Allgemeine Ausgangslage der Tagesgruppe
Die Evangelische Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand bietet derzeit als einziger Träger in Aachen
insgesamt 41 Kindern und Jugendlichen und deren Familien die Möglichkeit von dieser Hilfeform zu
profitieren. Die einzelnen Tagesgruppen sind in fünf unterschiedlichen Gruppen auf dem Stadtgebiet
verortet.
Seit 1994 wurden die Kinder und Jugendlichen mit einem Personalschlüssel von 1 zu 3 betreut.

Vorlage FB 45/0102/WP18 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.06.2021

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Die Tagesgruppe, verortet in enger Kooperation mit der Förderschule für emotionale Entwicklung
Elsassstraße hat mit ihrem Schwerpunkt „Hilfen aus einer Hand“ einen intensiveren Personalschlüssel
(1 zu 1,53) und ein gesondertes Konzept.
Aufgrund der sich stetig verändernden gesellschaftlichen Entwicklungen wurde in den weiteren vier
Tagesgruppen mit insgesamt 32 Plätzen ein gestiegener Personalbedarf bedingt durch die
erforderliche ganzheitliche Sicht- und damit verbundene Arbeitsweise mit dem Familienverbund
zunehmend deutlich.
Mit Blick auf die letzten 25 Jahre zeigt sich, dass sich die Arbeit in den drei Bereichen Soziales
Lernen, Schulische Förderung und Elternarbeit“ fortlaufend weiterentwickelt.
Die Ausdifferenzierung und Vergrößerung des Leistungsspektrums und die Anpassung der Leistungen
an die gesellschaftlichen Veränderungen machen eine Erhöhung des Personalschlüssels
unumgänglich.
Neben den Aspekten „Soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung,
Familienarbeit (vorher Elternarbeit) fügt sich eine neue (vierte) Säule „das Fallmanagement“ ein.
4.1. Das Soziale Lernen in der Gruppe
Die Tagesgruppe stellt einen sicheren, geschützten und strukturierten Ort dar, der Entwicklung und
Nachreifung ermöglicht. Die Kinder und Jugendliche bringen häufig komplexe und vielschichtige
Verhaltensweisen und psychiatrische Auffälligkeiten (2012 20% § 35a Fälle / 2018 45%, interne
Statistik der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand), auch in Kombinationen, mit. Die
Tagesgruppe hat die Aufgabe, ihnen einen Platz zu geben und individuell auf die Bedürfnisse zu
reagieren. Das Gleichgewicht zwischen den Anforderungen der Gruppe und den damit verbundenen
allgemeingültigen Anforderungen sowie das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen,
ist Aufgabe der Fachkräfte in Tagesgruppe.
Die Störungsbilder und damit die Verhaltensweisen sind komplexer und vielschichtiger. Darüber
hinaus bringen Kinder und Jugendliche zunehmend unterschiedliche kulturelle und normative
Wertevorstellungen mit.
Viele Kinder und Jugendliche sind zunächst nicht oder nur teilweise gruppenfähig und benötigen
häufiger engere Begleitung und Unterstützung durch eine Fachkraft. Sie müssen zusehends
individuell an das Gruppensetting herangeführt werden.
Die Tagesgruppe versteht es als eine Aufgabe, auch Kinder und Jugendlichen, die kaum bis gar nicht
gruppenfähig sind, die Möglichkeit zu geben, langsam Zutrauen zu gewinnen und sich auf eine
Gruppe einzulassen. Das soziale Lernen findet ansteigend weniger in der Gesamtgruppe statt,
vielmehr muss mit ausdifferenzierten Angeboten gearbeitet werden, um einen adäquaten Weg zur
gesellschaftlichen Teilhabe der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen.
Hinzu kommt mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, sodass sie alternative Verhaltensweisen
sowie einen Umgang mit ihren psychischen Erkrankungen erlernen. Die Fachkräfte bieten dazu
individuelle Lösungen und passgenaue Settings an.
Wesentlich häufiger als früher besuchen auch jüngere Kinder und Jugendliche mit massiven
Entwicklungsverzögerungen und kognitiven Einschränkungen die Tagesgruppe. Diesen Kindern und
Jugendlichen werden ein sicherer Ort und ein Umfeld angeboten, um in elementaren Fertigkeiten
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Ausdruck vom: 16.06.2021

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nachzureifen, sowie Entwicklungsschritte nachzuholen und gelebte Partizipation zu erfahren. Dieser
Auftrag erfordert häufig engere Begleitung und Unterstützung.
4.2 Die Begleitung der schulischen Förderung
Die Kinder und Jugendlichen der Tagesgruppen erhalten Hilfestellungen um schulische
Leistungsanforderungen und vorhandene schulische Probleme zu bewältigen. Orientiert an den
individuellen Fähigkeiten und dem momentanen Leistungsstand der Kinder und Jugendlichen stellt die
Tagesgruppe den Raum, den zeitlichen Rahmen und die individuelle Hilfestellung bereit, sodass
grundlegende Fähigkeiten erlernt bzw. stabilisiert werden können.
Konnte die Lern- und Förderzeit früher in Lernzeitgruppen mit mehreren Kindern und Jugendlichen
durchgeführt werden, brauchen heute viele Kinder und Jugendliche eine gezielte 1 zu 1 Förderung,
um ihren Bedarf überhaupt abzudecken. Dazu wird im Sinne der Anforderungen, meist des
Förderplans der Schule eine individuelle Vorgehensweise in Kooperation erarbeitet.
Viele Kinder und Jugendliche schaffen es erst nach einer langen Eingewöhnungszeit in kleinen
Lernzeitgruppen mit enger Begleitung ihre Aufgaben zu bewältigen. Die Nachbearbeitung und
Reflexion von massiven, konflikthaften Situationen der Kinder und Jugendlichen in den Schulen
erfordert zusätzliche zeitliche und personelle Ressourcen der Fachkräfte.
Zu einer gelingenden schulischen Förderung gehört ein enger Austausch mit allen Beteiligten, damit
relevante Informationen und Beobachtungen zu Lern- und Sozialverhalten der Kinder und
Jugendlichen möglichst zeitnah und effektiv ausgetauscht werden können.
Häufig fühlen sich Eltern mit dem Austausch der Schulen überfordert und hilflos. Eigene Prägungen,
Sprachbarrieren und kulturelle Vorstellungen problematisieren den Austausch und hemmen oftmals
das gegenseitige Verständnis.
Festzustellen ist zudem, dass Kinder und Jugendliche einer Tagesgruppe oftmals kurzbeschult
werden. Dauerhafte (bis zu ganzen Schulhalbjahren mit nur zwei Unterrichtsstunden pro Tag) oder
vorrübergehende Kurzbeschulungen werden von der Tagesgruppe aufgefangen. Die Tagesgruppe
stellt in diesem Zusammenhang erhöhte Ressourcen zur Verfügung, da diese Kinder und
Jugendlichen ohne die Betreuungs- und Lernzeiten in der Tagesgruppe den Anschluss an die
Lerninhalte verlieren würden.
Darüber hinaus erscheint die Aufnahme in eine Tagesgruppe für die Schule auch immer häufiger eine
Maßnahme zu sein, um Inklusion überhaupt zu ermöglichen. Nicht umsonst formulieren Schulen
zunehmend, dass erst der Besuch einer Tagesgruppe den weiteren Verbleib der Kinder und
Jugendlichen im System „Schule“ ermöglicht.
4.3 Die Familienarbeit (Elternarbeit)
Die Familien, mit denen Tagesgruppen arbeiten, leben häufig in Familienmodellen, die entweder aus
Elternpaaren bestehen, die getrennt leben und meistens auch jeweils mit neuen Partnern
zusammenleben oder Eltern, die alleinerziehend sind. Durch die höhere Komplexität und
Vielschichtigkeit des Zusammenlebens der Familien ergeben sich veränderte Bedingungen in der
Familienberatung. Dies führt zu häufigeren Terminen, auch in der aufsuchenden Arbeit, mit
verschiedenen Akteuren und Konstellationen. Daher wird heute von Familienarbeit und nicht mehr von
Elternarbeit gesprochen. Eine erfolgreiche Familienarbeit kann sich nur einstellen, wenn alle
Beteiligten gesehen und gehört werden.
Vorlage FB 45/0102/WP18 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.06.2021

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Zudem wird in der Familienarbeit eine deutliche Verunsicherung seitens der Eltern in Bezug auf die
sich veränderten Lebensmodelle und gleichzeitiger Pluralisierung der Gesellschaft erlebt, wodurch
oftmals ein verändertes Verständnis von Erziehung resultiert.
Eltern mit Migrations- und Flüchtlingshintergrund, die oftmals kein oder kaum Deutsch verstehen,
sprechen und lesen können, nehmen in der Tagesgruppen - Arbeit zu. Die Mitarbeitenden der
Tagesgruppen müssen sich Kenntnisse über die kulturellen Hintergründe und Umgang mit Flucht- und
Kriegserlebnissen aneignen. Übersetzungen im Beratungskontext erfordern Sensibilität und Zeit.
Zunehmend mehr Basiskompetenzen und Grundwissen über die Entwicklung von Kindern und
Jugendlichen ist in den Erziehungsgesprächen Thema und die Aufgaben der Eltern müssen
anschaulich vermittelt werden. Es bedarf häufig mehr Unterstützungs- und Beratungstätigkeit in
alltagspraktischen Fragen.
Es bedarf ein hohes Maß an Sensibilität für die Familienarbeit mit Eltern, die häufig selbst von
kognitiven Einschränkungen betroffen sind. Die Erarbeitung gemeinsam mit den Eltern, wie sie einen
für die Entwicklung ihrer Kinder und Jugendlichen förderlichen Alltag gestalten können und die
konkrete Umsetzung dessen, wird zunehmend bedeutsamer. Gemeinsames praktisches Einüben,
Anleiten sowie Modelllernen sind hier unerlässlich.
4.4 Das Fallmanagement (die neue vierte Säule)
In der zurück liegenden Zeit wurde deutlich, dass der Bedarf der Kinder, Jugendlichen und Familien
der Tagesgruppen immer weniger mit dem bestehenden teilstationären Angebot ausreichend gedeckt
werden kann.
Um dem gestiegenen Bedarf der Kinder, Jugendlichen und Familien gerecht zu werden, werden über
externe Anbieter weitere Hilfen (ambulante Hilfen zur Erziehung, Schulbegleitung, Therapien etc.)
installiert. Die aktuelle Statistik der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand zeigt, dass
im Durchschnitt bei 80% der zu begleitenden Familien zusätzlich ambulante Maßnahmen installiert
sind.
Durch die Komplexität der Familiensysteme ergeben sich häufig auch komplexe Helfersysteme. Dazu
gehören je nach Hilfeplanung und Bedarf beispielsweise Kinder- und Jugendpsychiater,
Sozialpädiatrische Zentren, Kinder- und Jugendärzte, Logopäden, Ergotherapeuten,
Gesundheitsämter und viele mehr.
Multiprofessionell sind Hilfen für Kinder und Jugendliche heute notwendig. Diese Aspekte führen zu
einem gestiegenen Aufwand bezogen auf die Gewährleistung des Informationsflusses und einer
gemeinsamen inhaltlichen Ausrichtung der verschiedenen Helfersysteme. Es zeigt sich eine deutliche
Veränderung von einer ursprünglichen Arbeit im Kinder-, Jugendlichen-, Elternsetting hin zu einem
umfassenden/komplexen Fallmanagement.
Die Tagesgruppe von heute zeichnet sich dadurch aus, dass alle im Fall zu beteiligende Personen mit
einbezogen, der gemeinsame Austausch untereinander gefördert und somit Familien und ihre Kinder
und Jugendlichen sich gesehen und mitgenommen fühlen.

Vorlage FB 45/0102/WP18 der Stadt Aachen

Ausdruck vom: 16.06.2021

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5. Ziele der Tagesgruppenarbeit
•

den Verbleib des Kindes / Jugendlichen im familiären Bezugssystem sichern

•

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für das Kind / den Jugendlichen und seine Familie
ermöglichen

•

verbesserte Erziehungsbedingungen in der Familie erreichen

•

Ressourcen in der Familie nutzen und Selbsthilfepotenziale stärken

•

Personensorgeberechtige stärken Verantwortung für sich und ihre Familie zu übernehmen, sowie
Kinder altersentsprechend in Verantwortung zu nehmen

•

die psychosoziale Kompetenz des Kindes / Jugendlichen erhöhen

•

Allgemeinbildung und Alltagskompetenzen fördern

•

die Förderung der Teilhabe an schulischer Bildung des Kindes / Jugendlichen

•

das Kind / den Jugendlichen befähigen, seine Freizeit angemessen zu gestalten

•

dem Kind / Jugendlichen Möglichkeiten der Integration in den Sozialraum aufzeigen

•

Vermittlung von sozial akzeptierten Werten und Normen.

6. Die entstehenden Kosten
Die Kosten für die Erhöhung des Betreuungsschlüssels in den Tagesgruppen der Evangelischen
Kinder- und Jugendhilfe Aachen–Brand (außer die schulgebundene Tagesgruppe Elsassstraße)
von 1 zu 3 auf 1 zu 2,75 erzeugt 64.540 Euro Personal - Mehrkosten pro Jahr.
Die Deckung erfolgt aus den Produktsachkonten der Hilfen zur Erziehung.
7. Fazit
Auf Grund der beschriebenen Entwicklungen wird im Rahmen von Tagesgruppen realistischer Weise
von derweil vier Säulen der inhaltlichen Arbeit gesprochen.
Zum einen haben sich die bekannten drei Säulen individualisiert und zum anderen ist daraus
resultierend eine 4te zusätzliche Säule entstanden.
Die Tagesgruppe heute besteht durch die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen und
Entwicklungen nun aus Fallmanagement, Sozialem Lernen, Schulischer Förderung und der
Familienarbeit.
Die im Frühjahr 2021 den zeitlichen Gegebenheiten angepasste Leistungsbeschreibung der
Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand zum Leistungsangebot Tagesgruppe 2.0 ist die
Antwort auf die erweiterten Anforderungen an Tagesgruppe. Sie wird den gesellschaftlichen
Entwicklungen der letzten 25 Jahre gerecht und greift die gravierenden Veränderungen auf.
Ziel ist und bleibt es den Kindern, Jugendlichen und deren Familien sowohl die gesellschaftliche als
auch die Teilhabe an Bildung zu ermöglichen und zu sichern.

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Ausdruck vom: 16.06.2021

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